Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und über den Angeklagten unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 (einhundertachtzig) Tagen, verhängt.
Die Höhe des Tagessatzes wurde mit 150 (einhundertfünfzig) Schilling festgesetzt.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Jänner 1946 geborene Gerhard A des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Laut Schuldspruch forderte er am 16.Oktober 1983 bei den niederöstereichischen Landtagswahlen 1983 als Vorsitzender der Gemeinde- und Sprengelwahlbehörde Brunn an der Wild und Wahlleiter den ersten Wahlbeisitzer Wilhelm B auf, den Namen des Josef C, welcher nicht an der Wahl teilgenommen und von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht hatte, in das Abstimmungsverzeichnis einzutragen. Hiebei gab er jenem auch die entsprechende Zahl aus dem fortlaufenden Wählerverzeichnis bekannt. Sodann nahm er entweder selbst im amtlichen Wählerverzeichnis beim Namen des Josef C eine Abhakung vor und deponierte einen amtlichen Stimmzettel in der Wahlurne oder er ließ dies durch einen bisher unbekannt gebliebenen Mittäter vornehmen. Hiedurch mißbrauchte Gerhard A als Beamter wissentlich seine Befugnis, im Namen des Landes Niederösterreich als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte - die den Wahlbehörden nach der Landtagswahlordnung zukommende ordnungsgemäße Durchführung der niederösterreichischen
Landtagswahl 1983 - vorzunehmen, mit dem Vorsatz, dadurch andere an ihren Rechten zu schädigen, und zwar Josef C in seinem Recht auf Ausübung oder Nichtausübung seines Wahlrechts bei der Wahl der Mitglieder des nö Landtags auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechts aller nach der Landtagswahlordnung wahlberechtigten Bundesbürger gemäß den Bestimmungen des Art. 95 Abs. 1 B-VG und § 20 Abs. 1 Landtagswahlordnung, sowie das Land Niederösterreich an dessen Recht auf ordnungsgemäße Durchführung der niederösterreichischen Landtagswahl 1983 durch Aufnahme der Namen bloß derjenigen Wahlberechtigten in das Abstimmungsverzeichnis, die tatsächlich von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Gerhard A mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer geltend, die im Urteil für seine Täterschaft angeführte Begründung stehe mit den Beweisergebnissen nicht im Einklang, lasse wesentliche Gesichtspunkte außer acht und sei in keiner Weise schlüssig.
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge versagt. Nach den Urteilsfeststellungen forderte der Angeklagte, obwohl er wußte, daß Josef C bis zum Schluß der Wahlzeit (um 11 Uhr) nicht zur Wahl erschienen war, den Wahlbeisitzer Wilhelm B (vor der Stimmenauszählung) auf, Josef C in das Abstimmungsverzeichnis einzutragen, kreuzte dessen Namen im Wählerverzeichnis an oder ließ ihn durch die Gemeindesekretärin Margit D ankreuzen, füllte einen amtlichen Stimmzettel aus, gab ihn in ein Kuvert und steckte ihn in die Wahlurne oder veranlaßte allenfalls Margit D zu diesen Handlungen. Hiebei erachtete das Erstgericht die Zeugenaussage des Wilhelm B zu allen das Tatverhalten des Angeklagten betreffenden Punkten für glaubwürdig; erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit seiner Darstellung hegte es dagegen insoweit, als dieser Zeuge eine bewußte Beteiligung an der Wahlmanipulation - u.a. unter Hinweis auf eine "gewisse Hektik am Wahlende" (vgl. S. 40) - in Abrede stellte (S. 183). Hiebei blieb nicht unbeachtet, daß die im Widerspruch zu den übrigen Verfahrensergebnissen stehenden Angaben des Zeugen über seine Sitzposition während des Wahlvorganges einer Überprüfung nicht standhalten konnten und seine Version, das von Anton E geführte Wählerverzeichnis sei (zum Zeitpunkt des Wahlschwindels) zwischen dem Angeklagten und ihm gelegen, jener des Anton E, der das Wählerverzeichnis auf seinem Platz (also rechts vom Angeklagten) zurückgelassen haben will, widersprach. Diesen Divergenzen wurde jedoch deshalb keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil der Angeklagte auch die Möglichkeit hatte, die Josef C betreffende fortlaufende Nummer im Wählerverzeichnis einem der Durchschläge des Wählerverzeichnisses zu entnehmen, welche von den hinter der Wahlbehörde in zweiter Reihe sitzenden Vertrauenspersonen der politischen Parteien geführt worden waren, zumal in jenem Durchschlag, welcher zum Wahlakt der Gemeinde kam und Grundlage der ersten Erhebungen bildete, ebenfalls Josef C als erschienen abgehakt worden war (S. 186). In den Entscheidungsgründen wurde demnach hinreichend dargelegt, warum das Schöffengericht die Beweiskraft der Zeugenaussage des Wilhelm B positiv bewertete; daß sich der Zeuge nicht an alle Einzelheiten des Wahlvorganges - insbesondere an die ausdrückliche Erklärung des Wahlschlusses durch den Angeklagten - zu erinnern vermochte, bedurfte keiner ausdrücklichen Erörterung.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers übersah das Erstgericht keineswegs, daß in der hinteren Sitzreihe nicht nur die (drei) Ersatzmänner der Wahlbehörde und die Vertrauensperson der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ), sondern (zwei weitere) Vertrauenspersonen gesessen seien; ist doch in den Urteilsgründen von Vertrauenspersonen der Parteien die Rede, welche gegen Schluß der Wahl das Wahllokal ebenfalls verließen (S. 186). Dem Beschwerdeeinwand, die Urteilsannahme, Anton E sei nach der offiziellen Beendigung des Wahlvorganges "aus dem Raum" gegangen, finde in der Aktenlage keine Deckung, ist zu erwidern, daß Anton E seiner Zeugenaussage zufolge nach Abschluß des Abstimmungsvorganges nicht bloß aufstand, Getränk und Wurstsemmeln bezahlte und mit anderen Personen diskutierte, sondern wegging und sich auch an der folgenden Stimmauszählung nicht mehr beteiligte (S. 153, 155). Im übrigen ist die Frage, ob Anton E sowie die Ersatzmitglieder und Vertrauenspersonen der Österreichischen Volkspartei nach Beendigung ihrer Tätigkeit das Wahlzimmer verließen oder sich zunächst bloß aus dem für den Wahlvorgang bestimmten und nur den bei der Wahl tätigen oder an der Wahl teilnehmenden Personen zugänglichen Bereich des Wahllokals entfernten, nicht entscheidungsrelevant; wird doch damit die vom Erstgericht aus der Tatsituation abgeleitete Folgerung, daß - selbst wenn der Angeklagte während des kurzen, für die Tatausführung in Betracht kommenden Zeitraums der Abwesenheit des SPÖ-Vertrauensmannes Otto F möglicherweise bis zur Eingangstüre des Wahllokals oder einige Schritte in den davor gelegenen Gang gegangen und sofort wieder zurückgekehrt sein sollte (vgl. S. 183, 184) - praktisch nur der Angeklagte selbst oder eine andere Person, insbesondere Margit D (vgl. S. 179), mit seiner ausdrücklichen Zustimmung oder über seine Aufforderung, nicht jedoch auch Wilhelm B (allein oder mit einem unbekannten Komplizen) einen amtlichen Stimmzettel für Josef C ausfüllen, kuvertieren und in der Wahlurne deponieren, sowie Eintragungen in das Wählerverzeichnis veranlassen konnte, in keiner Weise in Frage gestellt.
Den Kriterien einer mängelfreien Begründung entspricht ferner die Ablehnung des von Margit D gegebenen Alibis; das Erstgericht erachtete nämlich die Behauptung dieser Zeugin, der Angeklagte habe sich während der gesamten Zeit zwischen dem offiziellen Wahlende und dem Beginn des Auszählvorganges nicht im Wahllokal aufgehalten, wogegen Anton E bis zu diesem Zeitpunkt ununterbrochen im Raum geblieben wäre, auf Grund gegenteiliger Verfahrensergebnisse mit dem Hinweis widerlegt, daß der Stimmenauszählung die Ermittlung der Anzahl der ausgegebenen amtlichen Stimmzettel und deren Vergleich mit der Anzahl der Wähler laut Abstimmungsverzeichnis in Anwesenheit des Wahlleiters vorangegangen sein mußte (vgl. S. 154, 164 ff., 185). Dem Schöffengericht war es auch unbenommen, den Umstand - beweiswürdigend - in Betracht zu ziehen, daß der Angeklagte behauptete, sich an ein Gespräch knapp vor Ende der Wahlzeit über das bisherige Nichterscheinen des Josef C zur Wahl nicht zu erinnern (S. 181).
Soweit der Angeklagte im übrigen in der Mängelrüge weitwendig darlegt, es wären die Angaben des Wilhelm B darauf ausgerichtet gewesen, seine persönliche Schuld abzuwälzen, weshalb sie als unglaubwürdig hätten abgelehnt werden müssen, und soweit Erwägungen darüber angestellt werden, daß auf Grund der Gesamtheit der Beweisergebnisse und nach der möglichen Motivation der für eine Täterschaft in Betracht kommenden Personen der seiner Verantwortung und der Zeugenaussage der Margit D entsprechenden Tatversion der Vorzug zu geben gewesen wäre, zieht er lediglich in unzulässger und daher unbeachtlicher Weise die Richtigkeit der erstrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung in Zweifel, ohne formale Begründungsmängel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO aufzuzeigen.
Einen Subsumtionsirrtum im Sinn der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO macht der Beschwerdeführer dem Erstgericht mit der Behauptung zum Vorwurf, die ihm angelastete Tat erfülle mangels Mißbrauches einer ihm als Beamten obliegenden Befugnis nicht den Tatbestand des Mißbrauches der Amtsgewalt sondern nur jenen der (eine geringere Strafdrohung aufweisenden) Spezialnorm des § 266 Abs. 1 StGB (Fälschung bei einer Wahl- oder Volksabstimmung). Dieser Rechtsansicht kann indes nicht beigetreten werden:
Zu den Befugnissen, welche den Vorsitzenden und Mitgliedern der (Gemeinde- und Sprengel-)Wahlbehörden bei einer Landtagswahl als Beamten im Sinn des § 74 Z. 4 StGB
(vgl. SSt. 53/4 = ÖJZ-LSK 1982/78) und als Organen des Landes zukommt, gehört, wie das Erstgericht richtig erkannte, die Pflicht, für die Beobachtung der niederösterreichischen Wahlordnung Sorge zu tragen und darauf zu achten, daß die Wahlberechtigten ihr Wahlrecht persönlich ausüben. Um dies sicherzustellen, sind in das Abstimmungsverzeichnis nur jene Personen einzutragen und im amtlichen Wählerverzeichnis nur die Namen jener Wahlberechtigten anzukreuzen, welche tatsächlich persönlich an der Wahl teilgenommen haben, sowie die amtlichen Stimmzettel nur an Wähler abzugeben - und von diesen Wählern (nach Prüfung der Identität) Wahlkuverts entgegenzunehmen -, welche im amtlichen Wahlverzeichnis als wahlberechtigt aufscheinen. Die Eintragungen in amtliche Listen stellen ebenso wie auch die Ausgabe und Entgegennahme der amtlichen Stimmzettel Organhandlungen in Vollziehung des Gesetzes - hier: der Wahlordnung - im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB dar, deren wissentlich mißbräuchliche Vornahme einerseits im vorliegenden Fall das Land Niederösterreich in einem konkreten öffentlichen Recht und anderseits den Wahlberechtigten selbst in seinem Recht auf persönliche Ausübung oder Nichtausübung des Wahlrechts schädigt. So gesehen hat daher der Angeklagte den Tatbestand des Mißbrauchs der Amtsgewalt zu verantworten, wenn er als Wahlleiter die Eintragung des nicht zur Wahl erschienenen Josef C in das Abstimmungsverzeichnis anordnete, das Ankreuzen des Namens dieses Wahlberechtigten im amtlichen Wählerverzeichnis vornahm oder veranlaßte und den, sei es von ihm selbst, sei es mit seinem Wissen von einem anderen, für Josef C ausgefüllten Stimmzettel in die Wahlurne einwarf.
Damit erschöpfte sich das deliktische Verhalten keineswegs in einer bloß den Tatbestand des Vergehens nach dem § 266 Abs. 1 StGB verwirklichenden Stimmabgabe für einen anderen ohne dessen Auftrag. Zudem geht bei Wahlmanipulationen, welche ein Beamter als Organ in Vollziehung der Gesetze vornimmt, § 302 Abs. 1 StGB als eine speziell für Beamte erlassene Vorschrift dem mit einer milderen Strafe bedrohten (allenfalls konkurrierenden) Tatbestand der Fälschung bei einer Wahl oder Volksabstimmung nach § 266 StGB vor (vgl. abermals SSt. 53/4; zur Abgrenzungs- bzw. Konkurrenzfrage siehe auch Leukauf-Steininger, Komm. 2 RN. 71 zu § 28 StGB und RN. 40 zu § 302 StGB).
Aus den dargelegten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde - wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigte - als unbegründet zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 302 Abs. 1 StGB eine - gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt
nachgesehene - Freiheitsstrafe von neun Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd; einen Erschwerungsgrund nahm es nicht an.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe bzw. die Verhängung einer (wie im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof ausdrücklich verdeutlicht: unbedingten) Geldstrafe an. Der Berufungswerber reklamiert die zusätzlichen Milderungsgründe des § 34 Z. 7 und 13 (ersichtlich: erster Fall) StGB und verweist überdies darauf, daß er am 31.Mai 1985 alle politischen Funktionen zurückgelegt habe.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Geht man auf Grund der Urteilsfeststellungen davon aus, daß der bisher unbescholtene Angeklagte - offenbar im Übereifer - unüberlegt handelte, erweist sich eine sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafe als nicht erforderlich. Da spezial- und generalpräventive Erwägungen den Ausspruch einer Freiheitsstrafe nicht verlangen, war gemäß § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe zu verhängen. Unter Berücksichtigung des Schuld- und Unrechtsgehaltes der inkriminierten Tat erachtet der Oberste Gerichtshof eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen für angemessen, wenngleich der vom Berufungswerber (behauptete) weitere Milderungsumstand des § 34 Z. 13 StGB nicht gegeben ist.
Auf Grund der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten (§ 19 Abs. 2 StGB) - er hat gemeinsam mit seiner halbtägig beschäftigten Ehefrau für drei Kinder zu sorgen und bezieht das Einkommen eines Gendarmeriebezirksinspektors - wurde der Tagessatz mit 150 S bemessen.
Die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB unterblieb, weil eine bedingt nachgesehene Geldstrafe im Hinblick auf die Art des Deliktes nicht die erforderliche generalpräventive Effizienz aufweisen würde. Der Ausspruch über die Ersatzfreiheitsstrafe stützt sich auf den § 19 Abs. 3 StGB, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf den § 390 a StPO.
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