Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 (2. und 4.Fall) SuchtgiftG. (1.1. des Urteilsspruches) und des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach § 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG. (1.2. des Urteilsspruches) schuldig erkannt.
Nach den Urteilsfeststellungen hat er
1.1. vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider, Suchtgifte, nämlich Heroin, in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte,
1.1.1. in der Zeit von November 1983 bis Mitte April 1984 anläßlich von mindestens zwei Fahrten mindestens insgesamt 144 g Heroin von Istanbul/Türkei nach Österreich, und zwar nach Linz, eingeführt,
1.1.2. in Verkehr gesetzt und zwar
1.1.2.1. in der Zeit von Mitte Februar bis Mitte Juli 1984, ausgenommen den Zeitraum vom 25.April bis 15.Juni 1984, mindestens 17 g Heroin, stammend aus der zu 1.1.1. angeführten Menge, durch den wiederholten Verkauf an Christian B zum Zwecke des Weiterverkaufes und 1.1.2.2. Ende November 1983 bis Ende Juli 1984, ausgenommen den Zeitraum vom 25.April bis 15.Juni 1984, durch den Verkauf einer unbekannten Menge Heroin an zahlreiche unbekannte Suchtgiftabnehmer in Linz;
1.2. durch die zu 1.1. angeführten Taten eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung).
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 3, 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und den Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Unbegründet ist allerdings die auf § 281 Abs 1 Z. 3 StPO gestützte Beschwerde. Der Zeuge, Gruppeninspektor Herbert C, wurde von seiner Amtsverschwiegenheit nur insoferne nicht entbunden, als es sich um jene Person handelt, die vertrauliche Informationen über den vorliegenden Straffall an die Polizei erstattet hat (S. 289, in Verbindung mit der Mitteilung des Zeugen C, S. 305). Entgegen dem Antrag des Verteidigers wurde die Vernehmung dieses Zeugen auf ein bestimmtes Beweisthema und zwar auf die Vorgänge bei der Eröffnung des Banksafes des Angeklagten beschränkt und der Zeuge ausschließlich über dieses Thema vernommen. In diesem Vorgang erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung des § 151 Z. 2 StPO Nach dieser Bestimmung dürfen Staatsbeamte bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage nicht vernommen werden, wenn sie durch ihr Zeugnis das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, sofern sie dieser Verschwiegenheitspflicht nicht durch ihre Vorgesetzten entbunden worden sind. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 3 StPO in Verbindung mit § 151 Z. 2 StPO liegt aber nur dann vor, wenn ein Beamter über Dinge ausgesagt hätte, in Ansehung derer er ein Amtsgeheimnis, ohne hievon entbunden zu sein, verletzen würde. Dieser Fall liegt aber nicht vor, weil der Zeuge hinsichtlich des Themas, zu dem er vernommen wurde, seines Amtsgeheimnisses entbunden wurde (Zeuge C S. 305).
In diesem Zusammenhang rügt der Angeklagte mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 4 StPO, daß der Zeuge C nur über das genannte, beschränkte Beweisthema vernommen worden sei, und das Gericht alle Fragen, die in Richtung der Bekanntgabe der Identität des 'V-Mannes' gestellt wurden, der ihn bei der Bundespolizeidirektion Linz der Einfuhr von 250 g Heroin bezichtigte, nicht zugelassen hat.
Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden jedoch dadurch nicht verletzt. Grundsätzlich ist auch eine teilweise Entbindung vom Amtsgeheimnis zulässig (SSt. 27/20). Eine auf Phasen (Teilausschnitte) ein und desselben Vorgangs beschränkte Entbindung eines Staatsbeamten von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ist jedoch unzulässig, etwa die Aussagegenehmigung betreffend Gespräche mit Gewährsleuten, nicht hingegen über die Namen der Gesprächspartner (SSt. 27/20 und die ausführlich begründete Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 12 Os 177/69 vom 11. Februar 1970 = EvBl 243/70). Das Beweisthema über das der Zeuge vernommen und hinsichtlich dessen er des Amtsgeheimnisses entbunden wurde, bezieht sich aber nicht auf die illegale Einfuhr des Heroins, den Besitz oder die Weiterverbreitung durch den Angeklagten und die vertraulichen Mitteilungen, die die Polizei zu diesem Thema von einem Informanten erhalten hat, sondern lediglich auf die Vorgänge bei der Eröffnung des Banksafes des Angeklagten zur Klärung der Frage, wem der Inhalt dieses Banksafes gehöre. Es liegen somit verschiedene Vorgänge vor und nicht verschiedene Phasen ein und desselben Vorganges. Nur in letzterem Fall wäre aber nach dem Gesagten eine teilweise Entbindung des Amtsgeheimnisses und eine Beschränkung der in diese Richtung zielenden Fragen unzulässig gewesen.
Die gegen den Widerspruch des Verteidigers in der Hauptverhandlung durchgeführte Verlesung des Urteils des Landesgerichtes Linz vom 27.November 1984, AZ. 29 Vr 3210/84 (ON 52), mit dem Christian B des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 (4.Fall) SuchtgiftG. und § 15 Abs 1 StGB und des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 (3. und 4.Fall) SuchtgiftG. schuldig gesprochen wurde (S. 305), war nicht nur zulässig, vielmehr gemäß § 252 Abs 2 StPO sogar geboten.
Durch die Ablehnung des Antrages des Verteidigers auf Einvernahme des Zeugen Christian B vor Gericht, mit der Begründung, der Zeuge sei unbekannten Aufenthaltes, wurden hingegen Verteidigungsrechte verletzt. Bei der Hauptverhandlung am 16. April 1985 ist der Zeuge B, dem die Ladung unter der Anschrift Linz, Wienerstraße 414 zugestellt wurde, nicht erschienen (S. 257). Laut Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Puchenau vom 3. Mai 1985 ist B laut Auskunft des Meldeamtes Puchenau am 23. April 1985 nach Linz, Wienerstraße 414 verzogen (S. 293). Die Ladung des Zeugen zur Hauptverhandlung am 28.Mai 1985 konnte allerdings unter dieser Anschrift nicht zugestellt werden. Der Zeuge ist bei der Hauptverhandlung nicht erschienen (S. 301). Die Annahme des Erstgerichtes, daß der Zeuge unbekannten Aufenthaltes sei (S. 305), stützt sich lediglich auf den, ohne nähere Begründung erstatteten Bericht des Bezirksinspektors D, demzufolge sich B weder in Puchenau noch in Linz aufhalten soll, obwohl er in Linz gemeldet ist (S. 300). Die Annahme des Erstgerichtes, der Zeuge sei unauffindbar, ist durch den Schriftsatz des Verteidigers vom 3.Juni 1985 (S. 328) und den Strafakt AZ. 29 Vr 2310/84 des Landesgerichtes Linz widerlegt. Denn der Verteidiger konnte bereits wenige Tage nach der Hauptverhandlung die Anschrift des Zeugen in Linz, Kremplstraße (Nr. 1) bekannt geben. Am 29.Juli 1985 hat der unter dieser Anschrift wohnende Zeuge B seine über ihn verhängte Strafe beim Landesgericht Linz angetreten (S. 94 des Aktes 29 Vr 2310/84 des Landesgerichtes Linz). Durch die Abweisung des Antrags des Verteidigers auf neuerliche Ladung und Vernehmung dieses Zeugen, dessen Aufenthalt nicht unbekannt war und durch die Verlesung seiner Aussage im Vorverfahren wurde gegen § 252 Abs 1 Z. 1 StPO verstoßen. Weil sich der Schuldspruch des Angeklagten nach § 12 SuchtgiftG. im wesentlichen auf die Aussage dieses Zeugen stützt, leidet das Urteil unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 4 StPO
Aber auch der geltend gemachte Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO) haftet dem Urteil an, weil das Erstgericht die Aussage der Zeugin Angela E in der Hauptverhandlung (S. 278 f., 300), der Angeklagte habe von seiner Großmutter Anfang 1984 zwischen 70.000 und 100.000 S erhalten, mit Stillschweigen übergeht. Auch diese Aussage berührt einen wesentlichen Punkt, denn das Schöffengericht hat seine Annahme, der beim Angeklagten sichergestellte Geldbetrag stamme aus dem Erlös des Suchtgifthandels, unter anderem damit begründet, daß seiner Verantwortung, er habe von seiner Großmutter (eine größere Menge) Geld bekommen, kein Glauben zu schenken sei.
Es zeigt sich somit schon bei der nichtöffentlichen Beratung, daß eine neue Hauptverhandlung unvermeidlich ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat. Ohne daß es daher des Eingehens auf die weiteren, geltend gemachten Nichtigkeitsgründe bedarf, war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil gemäß § 285 e StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuweisen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird im Falle eines neuerlichen Schuldspruches mit Rücksicht auf die am 1.September 1985 in Kraft getretene Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl. 184, mit welcher u.a. § 12 SuchtgiftG. geändert und § 24 a SuchtgiftG. neu eingeführt wurde, ein Günstigkeitsvergleich nach § 1, 61 StGB vorzunehmen sein.
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