OGH 8Ob602/85

OGH8Ob602/8510.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Maximilian P*, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Othmar H*, vertreten durch Dr. Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Mai 1985, GZ. 41 R 360/85‑12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. Dezember 1984, GZ. 41 C 366/84‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00602.85.1010.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.932,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 120,‑‑ und die USt. von S 164,80) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses W*; der Beklagte ist Mieter der in diesem Haus gelegenen Wohnung *. Der Kläger begehrte vom Beklagten die Räumung dieser Wohnung gemäß § 1118 ABGB, weil dieser mit der Mietzinszahlung bis Juni 1982 im Rückstand sei und dem Beklagten daran ein grobes Verschulden zur Last falle.

Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Er sei infolge Arbeitslosigkeit im Jahr 1982 in finanziellen Schwierigkeiten gewesen.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es traf – zusammengefaßt dargestellt – nachstehende Feststellungen:

Seit Juli 1982 leistete der Beklagte nur sporadisch Mietzinszahlungen, sodaß am 27. 11. 1984 (Schluß der mündlichen Streitverhandlung) ein Mietzinsrückstand von insgesamt S 10.736,85 aushaftete. Die Zahlungen, die der Beklagte am 27. 11. 1984 leistete, konnten in dieser Berechnung noch keine Berücksichtigung finden. Der Beklagte war von der Gebäudeverwaltung mit den Schreiben vom 23. 6. 1983 und 27. 2. 1984 gemahnt und anläßlich eines Telefonates kurze Zeit vor Einbringung der Klage darauf hingewiesen worden, daß der Rückstand umgehend zu bezahlen sei.

Der Beklagte hatte von 1979 bis Herbst 1981 gemeinsam mit einem Partner ein Realitätenbüro. Ohne sein Verschulden mußte er seine Beteiligung an diesem Betrieb aufgeben. Die daraus resultierenden Schulden deckte er unter Aufnahme von Krediten ab. Gemeinsam mit seiner Ehegattin nahm der Beklagte bei der R* G* einen Kredit von S 250.000,‑‑ auf, wovon er S 150.000,‑‑ zur Abdeckung der Schulden in dem Realitätenbüro, die restlichen S 100.000,‑‑ für den Rohbau eines Hauses in H* verwendete. Am 27. 11. 1984 lief dieser Kredit noch mit monatlichen Rückzahlungsraten von S 3.957,20. Außerdem hatte die Ehegattin des Beklagten bei der L* im Jahre 1977 einen Kredit von S 179.200,‑‑ aufgenommen. Dieser Kredit mit monatlichen Rückzahlungsraten von S 2.985,‑‑ war im Herbst 1983 abgedeckt worden.

Von Herbst 1981 bis August 1982 war der Beklagte ohne Einkommen und Beschäftigung. Seit September 1982 ist er bei der Firma D* tätig. Er verdiente dort anfänglich rund S 6.000,‑‑, nach einem Jahr monatlich rund S 6.600,‑‑ und nach zwei Jahren monatlich ca. S 7.000,‑‑. Die Ehegattin des Beklagten war seit der Geburt des Kindes im Jänner 1979 im Haushalt tätig und hatte kein Einkommen. Seit Juli 1983 arbeitet sie als Krankenschwester im Allgemeinen Krankenhaus und verdient monatlich rund S 9.000,‑‑.

Im Jahr 1977 hatte der Beklagte gemeinsam mit seiner Ehegattin ein Grundstück in H* gekauft. Der Kaufpreis betrug S 250.000,‑‑. Zur teilweisen Finanzierung hatte die Ehegattin des Beklagten einen Kredit von S 179.200,‑‑ bei der L* aufgenommen. In den Jahren 1978/1979 begann der Beklagte mit dem Bau des Hauses, er wurde jedoch nicht in einem Zuge, sondern mit Unterbrechungen durchgeführt.

Der Beklagte gab seine Beteiligung an dem Realitätenbüro erst im Sommer 1984 auf, war aber aktiv dort nicht mehr tätig, sondern hatte nur noch Zahlungen geleistet, um das Realitätenbüro zu retten. Er kam für Telefonrechnungen auf, weiters für Abgaben an die Gemeinde, hat Zahlungen an die gewerberechtliche Geschäftsführerin geleistet und auch Rückstände beim Finanzamt getilgt. Im Februar 1984 mußte er auch auf Grund seiner Tätigkeit in dem Realitätenbüro an die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft an Beiträgen rund S 10.000,‑‑ bezahlen. Die finanziellen Rettungsversuche für das Realitätenbüro und die Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kreditinstituten haben dazu geführt, daß der Beklagte mit der Bezahlung des Mietzinses in Verzug kam.

Am 27. 11. 1984 zahlte der Beklagte S 10.503,08 und S 1.856,50 bei der Z* ein. Das Konto des Empfängers befindet sich jedoch bei der R* W*.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß den Beklagten kein grobes Verschulden am Zahlungsverzug treffe; er habe jedoch am Tag der letzten Verhandlung (27. 11. 1984) den Mietzinsrückstand nicht zur Gänze beglichen. Demnach sei die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 2. Fall ABGB zu Recht erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,‑‑ übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß für die Rechtzeitigkeit der Zahlung einer Schickschuld wie der vorliegenden die Aufgabe des Betrages bar unter anderem mittels Bankerlagschein genüge. Die Rechtzeitigkeit hänge dabei nur von der Bedingung ab, daß der Betrag beim Gläubiger (dessen Konto) einlangt. Aus diesen Überlegungen sei aber für den Berufungswerber deswegen nichts zu gewinnen, weil er sich bereits in Verzug befand. Die Verzugsbeendigung auch im Zusammenhang mit der Rechtswohltat des § 33 Abs. 2 Z 3 MRG erfordere das Einlangen des geschuldeten Betrages beim Vermieter vor Schluß der Verhandlung. Dazu genüge zwar die Überweisung auf ein Konto des Gläubigers; in den Verfügungsbereich des Gläubigers gelange der Betrag aber erst durch die Gutschrift bei der kontoführenden Bankstelle. Das Erstgericht habe aus der Einzahlung bei der Z* am 27. 11. 1984 „prima facie“ geschlossen, daß der eingezahlte Betrag nicht schon um 11 Uhr (Schluß der Verhandlung) bei der kontoführenden R* des Klägers eingelangt sein konnte. Daß dies trotz des kurzen Zeitraumes geschehen sei, hätte der Beklagte vorzubringen und zu beweisen gehabt. Daß er diesbezüglich nicht belehrt worden sei, habe der Berufungswerber nicht als Verfahrensmangel geltend gemacht.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Räumungsbegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Beide Instanzen haben das Vorliegen eines groben Verschuldens im Sinne des § 33 Abs. 2 MRG verneint. Der Kläger greift in der Revisionsbeantwortung auf ein angeblich grobes Verschulden des Beklagten auch nicht mehr zurück. Ein solches wäre tatsächlich nur dann gegeben, wenn ein besonderes Maß an Sorglosigkeit vorläge, sodaß der Vorwurf berechtigt erschiene, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (7 Ob 616/77; 1 Ob 704/82 uza). Letzteres ist hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zu ersehen, sodaß mit Recht auf die Frage einzugehen war, ob der Beklagte gemäß § 33 Abs. 2 MRG vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtete.

Richtig erkannte das Berufungsgericht, daß der Beklagte mit der Bezahlung des Mietzinses in Verzug war, dessen Beendigung erst mit dem Einlangen der Leistung beim Gläubiger, dessen Konto bzw. dessen Machthaber beendet ist (Reischauer in Rummel, Rdz 17 zu § 905; SZ 46/6 ua). Die Geldschuld reist auf Gefahr des Schuldners. Soweit ein Geldinstitut als Machthaber des Gläubigers anzusehen ist, geht die Gefahr schon mit dem Einlangen bei diesem Geldinstitut ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Kontrollgutschrift auf den Gläubiger über. Ansonsten bedarf es der Gutschrift bei der kontoführenden Bankstelle, weil der Betrag nicht vorher in den Verfügungsbereich des Gläubigers gelangt (Reischauer in Rummel, Rdz 19 und 23 zu § 905; SZ 46/6 ua).

Beide Vorinstanzen haben den vom Beklagten zu erbringenden Nachweis, daß der überwiesene Betrag zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung auf dem Konto des Klägers eingelangt war, nicht als erbracht angesehen. An diese Feststellung ist das Revisionsgericht gebunden. Das Gericht zweiter Instanz hat aber auch darauf verwiesen, daß der Beklagte eine angeblich mangelhafte Belehrung im Sinne des § 182 ZPO nicht geltend gemacht hat. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, welcher in der Berufung nicht beanstandet wurde, im Revisionsverfahren nicht mehr erfolgreich gerügt werden (8 Ob 146/82; 8 Ob 275/82; 3 Ob 584/84 uza).

Beide Anfechtungspunkte des Beklagten dahin, daß der überwiesene Betrag möglicherweise doch zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung auf dem Konto des Klägers eingelangt war, oder daß der Beklagte zumindest dahin zu belehren gewesen wäre, entsprechende Anträge zu stellen, um die zeitgerechte Zahlung nachzuweisen, erweisen sich demnach aus den angeführten Gründen als nicht stichhältig; der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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