OGH 1Ob643/85

OGH1Ob643/859.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Schobel, Dr. Hofmann und Dr. Riedler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria A, Pensionistin, Stadl-Paura, Kloster Nazareth, vertreten durch Dr. Heimo Fürlinger, Dr. Alfred Thewanger, Dr. Helmut Lenz, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei dem B C incorporierte römisch-katholische Pfarrkirche

Schlierbach, vertreten durch Dr. Rudolf Just und Dr. Hubert Just, Rechtsanwälte in Kirchdorf/Krems, wegen Rechnungslegung (Streitwert S 31.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Mai 1985, GZ 3 a R 60/85-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 22.Februar 1985, GZ 4 Cg 165/84-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.467,60 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 471,60 Umsatzsteuer und S 1.280,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14.4.1983 suchte der Vikar der beklagten Partei Mag.Rudolf D den am 19.12.1893 geborenen Ing.Josef A im Krankenhaus Kirchdorf an der Krems auf. Ing. Josef A erklärte, er wolle seine Sparbücher und ein Grundstück der beklagten Partei vermachen. Er fragte, wie er dabei vorzugehen habe. Mag.Rudolf D riet ihm, daß er in diesem Falle ein Testament

errichten müsse. Er erwähnte in diesem Zusammenhang, daß die beklagte Partei die Errichtung einer Orgel plane und hiezu das Geld gebrauchen könne. Schließlich verfaßte Mag.Rudolf D eine schriftliche Vollmacht folgenden Inhaltes: 'Vollmacht über die Sparbücher bei der Raika Schlierbach. Herr Schulrat Ing.Josef A überträgt die Vollmacht über die Sparbücher bei der Raika Schlierbach an das römisch-katholische Pfarramt Schlierbach zu Handen Herrn Mag.Rudolf (Pater Raphael) D, derzeit

Pfarrvikar. Begräbnis, Friedhof, Grab soll über das Pfarramt durchgeführt werden. Kirchdorf an der Krems: 14.April 1983.' Josef A unterfertigte diese Vollmacht sodann eigenhändig. Mit dieser Vollmacht behob Mag.Rudolf D bei der Raiffeisenkasse Schlierbach drei deponierte Sparbücher des Ing.Josef A und am 19.4.1983 die erliegenden Einlagen; er eröffnete ein neues Sparbuch für Begräbniskosten und Graberhaltung für Ing.Josef A, den Rest übertrug er als Guthaben dem Orgelfonds der beklagten Partei. Ing. Josef A verstarb am 15.6.1983. Der Klägerin, einer Schwester des Verstorbenen, wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems vom 22.11.1983, A 177/83-15, der Nachlaß des Ing.Josef A rechtskräftig zur Gänze eingeantwortet. Die Klägerin begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, über die ihr von Ing.Josef A zur Verwahrung und Verwaltung übergebenen drei Sparbücher Rechnung zu legen.

Die beklagte Partei wendete ein, Ing.Josef A habe der beklagten Partei die Forderungen aus den Sparbüchern gegen die Raiffeisenkasse Schlierbach am 14.4.1983 unter der Auflage geschenkt, daß daraus die mit seinem Ableben entstehenden Auslagen bestritten werden. Die Klägerin habe daher kein Recht auf Rechnungslegung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sei von einer Schenkung, wie sie in der Klagebeantwortung behauptet werde, nicht überzeugt, hiefür fehlten verläßliche Anhaltspunkte. Hätte Ing.Josef A eine Schenkung beabsichtigt, dann hätte dies Mag.Rudolf D als absolvierter Theologe bereits im Titel angeführt und auch formulieren können. Ing.Josef A habe, so wie es in der schriftlichen Vollmacht formuliert sei, nur die Vollmacht über die Sparbücher übertragen wollen und übertragen. Dafür spreche auch, daß Ing.Josef A nicht, wie ihm geraten worden sei, ein Testament errichtet, sondern nur eine Vollmacht unterfertigt habe. Zwischen Ing.Josef A und der beklagten Partei sei daher ein Bevollmächtigungsvertrag abgeschlossen worden. Für die Annahme einer Schenkung auf den Todesfall oder eines Vermächtnisses fehle es an den gesetzlich vorgeschriebenen Formerfordernissen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige; die Revision erklärte es für zulässig. Der Berufungswerberin könne zwar nicht gefolgt werden, daß eine Schenkung unter Lebenden vorliege. Eine Schenkung auf den Todesfall nach § 956 ABGB könne ebenfalls nicht angenommen werden, weil weder die für ein Vermächtnis erforderliche Form noch die Vorschrift des § 956 zweiter Satz ABGB (ausdrücklicher Verzicht auf den Widerruf, Notariatsakt gemäß § 1 Abs 1 lit d NotZwG) eingehalten worden sei. Es sei aber eine sogenannte übergabe auf den Todesfall gegeben. Nach dem aus ihren Erklärungen hervorgehenden übereinstimmenden Willen des Ing.Josef A und des Mag.Rudolf D als Vertreter der beklagten Partei hätten beide

gewollt, daß die genannten Sparbücher nach dem Tod des Ing.Josef A ins Eigentum der beklagten Partei fielen. Zu diesem Zweck sei die sogenannte Vollmacht von Ing.Josef A unterzeichnet worden. Es handle sich bei der Ausstellung um eine wirkliche übergabe. Daran ändere nichts, daß Ing.Josef A diese Vollmacht bis zu seinem Tod jederzeit hätte widerrufen können. Damit falle jedoch die Rechnungslegungspflicht der beklagten Partei fort. Die Voraussetzungen für eine Klagsführung nach Art.E EGZPO seien nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Die beklagte Partei behauptete sowohl in erster als auch in zweiter Instanz nur, Ing.Josef A habe ihr die drei Sparbücher unter Lebenden geschenkt. Feststellungen, die zu dieser rechtlichen Beurteilung führen könnten, trafen die Tatsacheninstanzen nicht. Eine Behauptung, Ing.Josef A habe der beklagten Partei die drei Sparbücher auf den Todesfall übergeben, stellte sie nicht auf. Das Erstgericht traf auch keine (überschießende) Feststellung, Ing.Josef A habe der beklagten Partei die drei Sparbücher mit der Erklärung übergeben, die beklagte Partei könne sich die Sparbücher nach seinem Tod behalten. Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 56/79 mit ausführlicher Begründung unter Ablehnung von Vorjudikatur ausgesprochen, daß die übergabe einer Sache mit der widerruflichen Abrede, der Empfänger solle beim Tod des übergebers Eigentümer der Sache werden (übergabe auf den Todesfall), ohne Einhaltung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen unwirksam ist. Der erkennende Senat hält an dieser Entscheidung, gegen deren Richtigkeit von der beklagten Partei nichts vorgebracht wird, fest.

Der Revision ist Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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