Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil in Ansehung des Angeklagten Kurt A sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO. auch hinsichtlich der Angeklagten Johanna B (sohin zur Gänze) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte A auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der 41-jährige Kurt A und die 59-jährige Johanna B des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB., letztere als Beteiligte nach § 12 (dritter Fall) StGB., schuldig erkannt. Darnach haben die beiden Angeklagten in der Zeit vom 28. Feber 1979 bis zum 17.September 1982 in Wien, und zwar Kurt A ein ihm in seiner Eigenschaft als inkassoberechtigter Verkaufsfahrer der Firma C & Sohn-Fleischwarenindustrie anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich Verkaufserlöse im Gesamtbetrag von 107.688,20, dadurch, daß er weder deren Verbuchung veranlaßte noch sie an die genannte Firma abführte, sich mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet (Punkt 1. des Urteilssatzes) und Johanna B zur Ausführung der soeben bezeichneten strafbaren Handlung dadurch beigetragen, daß sie in ihrer Eigenschaft als Fakturistin der Fa. C 'in Kenntnis der strafbaren Handlung des Kurt A durch Manipulationen am Computer in bezug auf das Verrechnungskonto des Genannten einen ausgeglichenen Kontostand vortäuschte' (Punkt 2.).
Nur der Angeklagte A bekämpft den ihn betreffenden
Schuldspruch mit einer auf die Z. 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war A von Oktober 1961 bis Anfang des Jahres 1983 bei der Fa. C & Sohn-Fleischwarenindustrie als inkassoberechtigter Fahrverkäufer beschäftigt. In dieser Eigenschaft hatte er diverse Kunden mit Fleisch- und Wurstwaren zu beliefern, wobei er die Waren mit Lieferschein ausgefolgt erhielt und mit deren Wert (nach Menge und Verkaufspreis) kontomäßig belastet wurde. Je nach der mit dem zu beliefernden Kunden vereinbarten Verrechnungsart hatte er bei Barverkäufen die (rechnungsmäßigen) Verkaufserlöse bzw. in anderen Fällen (insbesondere bei Filialbetrieben und Großkunden) die die verkauften Waren mengen- und preismäßig ausweisenden Gegenscheine täglich in der Firma abzugeben und einmal wöchentlich eine Abrechnung (unter Berücksichtigung des Werts der Retourwaren) vorzunehmen. Diese Abrechnungsunterlagen bewirkten eine Be- bzw. Entlastung seines Kontos, welches - wie auch die Konten der übrigen Verkaufsfahrer der Fa. C - von der Zweitangeklagten B mit Hilfe einer Fakturier-Buchungsmaschine der Type Philips P 354 vorgenommen wurde. Während des im Spruch genannten Zeitraums hat der Angeklagte A Erlöse 'welche er kassiert hatte, im Gesamtbetrag von über 100.000 S' einbehalten und für eigene Zwecke verwendet. Die von der Angeklagten B benützte Fakturier-Buchungsmaschine konnte nach Errechnung der Endsumme und vor dem Andrucken dieser Summe auf dem Konto (kurz) abgeschaltet und sodann ein von der errechneten Endsumme unterschiedlicher Betrag auf dem Konto manuell gebucht werden. Johanna B benützte dies dazu, daß sie 'mehr Positionen auf das Formular schrieb, als tatsächlich möglich', dadurch zusätzliche Beträge zur korrekten Endsumme hinzufügte und diese so zugunsten des Erstangeklagten auf Grund dessen privaten Aufzeichnungen veränderte, wobei sie jedoch aus diesen Manipulationen für sich selbst keine materiellen Vorteile gezogen hat.
Rechtliche Beurteilung
Berechtigung kommt schon der Mängelrüge (Z. 5) zu, insofern dem Ersturteil - unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen und offenbar unzureichenden Begründung - vorgeworfen wird, es setze sich nicht mit den von den beiden Angeklagten in ihrer Verantwortung aufgezeigten Möglichkeiten von Fehlerquellen (wie Berücksichtigung günstigerer Verkaufspreise bei Großkunden, Unterbleiben der Berücksichtigung von Gutschriften, Annahme unrichtiger Gewichtsangaben u. dgl.) auseinander, welche die vom Sachverständigen in der Buchhaltung festgestellten Fehler auch anders als durch Malversationen erklären könnten; es lasse aber auch unerörtert, ob die den Gegenscheinen entsprechenden Teilrechnungen, die Gewichtsangaben sowie die Preise kontrolliert wurden, und nehme zur Verantwortung der Angeklagten B nicht in der gebotenen Weise Stellung, wonach sie als bloß angelernte Kraft stets unter Zeitdruck und daher schlampig gearbeitet und die Fakturier-Buchungsmaschine deshalb wiederholt abgestellt habe, um die ihr vom nur unregelmäßig zur Abrechnung erschienenen Angeklagten A übergebenen stichprobenweise auf ihre Richtigkeit überprüften (privaten) Aufzeichnungen, die sie wegen der zahlreichen Unrichtigkeiten in den Firmenaufzeichnungen, insbesondere bei Großkunden (wie Fa. D, einem Heim der Stadt Wien), als Buchungsgrundlagen anerkannt habe, nachzutragen; zudem sei dem Ersturteil in keiner Weise zu entnehmen, aus welchen Gründen Johanna B überhaupt zugunsten des Angeklagten A manipuliert haben sollte.
Tatsächlich stützte das Schöffengericht den Schuldspruch im wesentlichen allein auf das Gutachten des Sachverständigen für Datenverarbeitung Dr. E (ON. 9 und S. 435 ff.) mit dem lapidaren Satz, daß der Sachverständige 'die Durchführung der Buchungsvorgänge entsprechend den tatsächlich vorhandenen Buchungs- und Rechnungsunterlagen gewürdigt' habe, 'seinen Ausführungen über die Art der Buchung und der vorgenommenen Buchung unter der Endsumme durch Johanna B nichts hinzuzufügen' sei (S. 456) und die in der von ihm angeführten Form durchgeführten Manipulationen zweifellos auf das Vorgehen der Angeklagten B zurückzuführen seien, der die mangelnde übereinstimmung der Lieferscheine mit den Rechnungssummen auf dem Konto 'hätte auffallen müssen' (S. 457). Angesichts des Umstands, daß der Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten (ON. 9, S. 279) ausführte, der ermittelte - zudem 100.000 S nur geringfügig überschreitende - Betrag entfalle auf Belastungen, Retouren und Filialfakturen, wobei er auch weitere - im Ersturteil vollkommen ungewürdigt wiedergegebene (vgl. S. 455) - mögliche Formen von Fehlbuchungen, wie ein 'übersehen' sowie 'Lese/Schreib-Fehler' unter ausdrücklichem Hinweis auf die 'offensichtlich unzureichenden Kontrollen' bei der Fa. C aufgezeigt hat, wäre das Schöffengericht jedenfalls gehalten gewesen, sich auch mit diesen Ausführungen des Gutachtens im einzelnen auseinanderzusetzen, dies umsomehr, als der Sachverständige in der Hauptverhandlung abermals zum Ausdruck brachte, daß das Buchungs- und Fakturierungssystem der Fa. C während des in Rede stehenden Zeitraums 'doch eher zweifelhaft' war (S. 437), und außerdem einräumen mußte, daß die von Johanna B vorgenommenen Änderungen und zusätzlichen Buchungen (schon optisch) sehr auffällig und demzufolge an sich leicht zu erkennen waren (S. 439).
Solcherart durfte das Schöffengericht die - im Zuge der Wiedergabe des Beschwerdevorbringens bereits angeführte (leugnende) - Verantwortung der beiden Angeklagten nicht global als (reine) Schutzbehauptung abtun (S. 456, 457), ganz abgesehen davon, daß die vom Erstgericht für den Ausschluß einer unabsichtlichen Fehlabrechnung durch den Angeklagten A angeführte Begründung, daß er nämlich 'diese seine Manipulationen durch einen längeren Zeitraum durchgeführt hat' (S. 456), nicht ohneweiteres verständlich ist.
Schließlich wäre das Schöffengericht nach Lage des Falles aber auch verpflichtet gewesen, jene Gründe darzulegen, auf die es die Annahme eines Zusammenspiels der beiden Angeklagten stützt. Da die Angeklagte B den erstgerichtlichen Urteilsannahmen zufolge 'aus der Vorgangsweise des Erstangeklagten keinen materiellen Vorteil erhalten' hat (S. 457), hätte sich das Erstgericht nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen (vgl. S. 458), Johanna B habe 'diese Buchungen aus welchen Motiven immer zugunsten des Kurt A' vorgenommen, dies umsoweniger, als der Zeuge Theodor C seine zunächst aufgestellte Behauptung (S. 392), die beiden Angeklagten hätten sich außerhalb des Betriebes 'getroffen', letztlich nicht aufrecht erhalten konnte (vgl. S. 395).
Schon die aufgezeigten Begründungsmängel machen, ohne daß es noch einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf, hinsichtlich des Angeklagten A eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich (§ 285 e StPO.). Diese Gründe kommen aber auch der Mitangeklagten Johanna B zustatten, die keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen hat (§ 290 Abs. 1 zweiter Fall StPO.).
Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen (zudem unausgeführt gebliebenen) Berufung war der Angeklagte A auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht nach Maßgabe der Ergebnisse des Beweisverfahrens im Interesse verläßlicher (mängelfreier) Sachverhaltsfeststellungen auch das Ausschöpfen der (in der Hauptverhandlung abgelehnten, jedoch) in der Verfahrensrüge (Z. 4) mit Recht relevierten Beweismittel in Erwägung zu ziehen haben, um die Frage zu klären, ob Vorgänge, wie sie von den beiden Angeklagten behauptet wurden, auch von den anderen Verkaufsfahrern der Firma C beobachtet wurden und ob auf deren Kontoblättern eine gleichartige Vorgangsweise praktiziert wurde wie auf jenen des Angeklagten A.
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