OGH 10Os100/85

OGH10Os100/858.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stupka als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt A wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Juni 1985, GZ 1 c Vr 4398/85-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung teils den Beschluß gefaßt und teils zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt 1. und im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt A der Vergehen (1.) 'der Verletzung der Pflichtwidrigkeit' (gemeint: der Verleitung zu Pflichtwidrigkeiten; richtig: der Geschenke an Beamte und leitende Angestellte) nach § 307 Z (richtig: Abs.) 1 StGB sowie (2.) des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster (richtig: dritter) Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 14.März 1985 in Wien

(zu ergänzen: 1.) dadurch, daß er nach seiner vom Polizeibeamten Oberleutnant Johann B ausgesprochenen Festnahme dem Genannten und dem weiteren Polizeibeamten Inspektor Helmut C (alkoholische) Getränke, Kaffee und Zigaretten anbot, falls von einer Anzeigeerstattung gegen ihn wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und wegen Fahrerflucht Abstand genommen würde, (jeweils) einem Beamten einen Vermögensvorteil angeboten, damit er pflichtwidrig ein Amtsgeschäft unterlasse, sowie

(2.) dadurch, daß er auf den ihn festhaltenden Polizei-Revierinspektor Karl D wiederholt einschlug, eintrat und diesen festhielt, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Festnahme und Eskortierung zum Funkstreifenwagen, zu hindern versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 sowie 9 lit a und b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht zielführend sind seine Einwände gegen den Schuldspruch zum Faktum 2.

Darin, daß seine im Tenor näher umschriebene Gewalttätigkeit in den Entscheidungsgründen zusammenfassend als 'heftige Rauferei' bezeichnet wird, liegt weder eine Undeutlichkeit noch ein innerer Widerspruch des Urteils; bringen doch beide Tatbeschreibungen, die einander logisch und empirisch keineswegs zuwiderlaufen, in ihrem Zusammenhang ganz unmißverständlich zum Ausdruck, welches Verhalten dem Beschwerdeführer als strafbar angelastet wird. Insoweit aber ist es ohne Belang, ob er auf den mit der Amtshandlung befaßten Beamten nicht nur wiederholt einschlug und eintrat, sondern ihn überdies auch noch festhielt, sodaß die darauf bezogene Behauptung eines Begründungsmangels keine entscheidende Tatsache betrifft. Die erörterte Mängelrüge (Z 5) ist daher offenbar unbegründet; die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu diesem Faktum hinwieder läßt eine gesetzmäßige Ausführung vermissen.

Denn mit der Annahme, er habe keinerlei aktiven Widerstand geleistet, sondern sich lediglich dem Zugriff des eingangs bezeichneten Beamten entziehen wollen, setzt sich der Angeklagte über eben jene (soeben relevierten) Feststellungen hinweg, nach denen er im Verlauf einer heftigen Rauferei vor allem wiederholt auf den betreffenden Polizisten einschlug und eintrat, also massive Gewalt ausübte und keineswegs bloß ein 'Verhalten im Bereiche des Bagatellwiderstandes' an den Tag legte. Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können jedoch nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz prozeßordnungsgemäß dargetan werden. In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Der Verfahrensrüge (Z 4) gegen den Schuldspruch zum Faktum 1. dagegen kommt Berechtigung zu.

Die vom Verteidiger beantragte Vernehmung der Zeugen Silvia E und Karl F zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer den beiden hier involvierten Polizeibeamten Kaffee und Zigaretten nicht in der Absicht angeboten habe, sie damit zur Unterlassung einer pflichtgemäßen Amtshandlung zu veranlassen, hat nämlich das Erstgericht mit der augenscheinlich vorgreifenden Beweiswürdigung abgelehnt, dessen Vorsatz sei bereits durch das Beweisverfahren geklärt worden (S 83 iVm US 6): gerade zur Widerlegung der dabei verwerteten Aussagen der Zeugen B und C (vgl S 18, 73, 76 f.), auf deren Angaben über das äußere Verhalten des Angeklagten auch die Konstatierungen über sein damit verbundenes inneres Vorhaben beruhen (vgl US 5 f.), sollte doch die beantragte Beweisaufnahme durch Vernehmung weiterer Tatzeugen dienen ! Insoweit ist demnach eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß gleichfalls nach Anhörung der Generalprokuratur bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf.

Im zweiten Rechtsgang wird auch die - schon am 1.Juli 1982 (!) in Kraft getretene, sowohl von der Anklagebehörde als auch vom Erstgericht übersehene - önderung des § 307 StGB durch das Zweite Antikorruptionsgesetz, BGBl 1982/205, zu beachten sein.

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