Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 19.029,89 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 2.720,-- S Barauslagen und 1.401,39 S USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist von einem mit dem Beklagten im Oktober 1982 geschlossenen Werkvertrag über die Errichtung eines Wohnschwimmbades bei ihrem Haus am 22.12.1982 unter Setzung einer Nachfrist zum 22.1.1983 zurückgetreten. Der Beklagte hat diese Nachfrist nicht genützt. Von den hierauf erhobenen Klagsansprüchen ist im Revisionsverfahren nur noch die begehrte Vertragsstrafe für 23 Werktage innerhalb der Nachfrist strittig.
Der Erstrichter gab diesem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen sollte das Hallenbad am 22.12.1982 betriebsfertig und uneingeschränkt benützbar sein. Für den Fall der Nichteinhaltung des Termins wurde ein Pönale von einem halben Prozent der Nettogesamtauftragssumme pro Werktag (950.000,-- S), also täglich 4.750,-- S vereinbart. Mit Schreiben vom 22.12.1982 setzte die Klägerin dem Beklagten eine Nachfrist bis 22.1.1983, innerhalb welcher die vertragsmäßige Ausführung vorzunehmen sei, und erklärte den Rücktritt vom Vertrag für den Fall der nicht fristgemäßen Nachholung. Sie verwies in diesem Schreiben auf das vereinbarte Pönale und weitere Schadenersatzansprüche, die sie aus der Beauftragung anderer Professionisten haben werde. In der Folge wurde das Schwimmbad nach neuen Plänen errichtet. Durch die Teilleistungen des Beklagten hat sich die Klägerin nichts erspart. Der Erstrichter hielt das Begehren auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe für berechtigt.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung dieses Klagebegehrens teilweise ab. Es übernahm zwar die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens, vertrat aber im Sinne der Entscheidung HS 6331 die Rechtsansicht, daß eine wegen Verspätung der Erfüllung bedungene Vertragsstrafe nach dem rückwirkenden Rücktritt vom Vertrag nicht mehr gefordert werden könne. Die zweite Instanz erklärte die Revision für zulässig, weil eine andere oberstgerichtliche Entscheidung (5 Ob 641/82) in einem gleichartigen Fall das Pönale zugesprochen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt. Nach der zutreffenden Darstellung des Berufungsgerichtes hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung HS 6331 (und sodann in den weiteren, nicht veröffentlichten Entscheidungen 4 Ob 524/78 und 6 Ob 517/82) die Rechtsansicht vertreten, daß nach einem Rücktritt vom Vertrag gemäß § 921 ABGB der bloß für den Fall der Nichteinhaltung der Erfüllungszeit vereinbarte Vergütungsbetrag, der nur das Interesse an der Rechtzeitigkeit der Erfüllung decke, nicht gefordert werden könne. Als abhängige Verpflichtung setze die Vertragsstrafe eine gültige Hauptverbindlichkeit voraus. Dies gelte zwar nach Ehrenzweig 2 II/1, 192 nicht für den Fall des Rücktrittes von einem gegenseitigen Vertrag, weil dieser den Schadenersatzanspruch gemäß § 921 ABGB unberührt lasse und also auch dessen vertragsmäßige Festsetzung, eben die Vertragsstrafe, nicht aufhebe. Der Schadenersatzansruch wegen verschuldeter Nichterfüllung im Sinn des § 921 ABGB betreffe jedoch nur den sogenannten Differenzanspruch, nämlich den Unterschied zwischen dem Wert der vom Kläger infolge des Rücktrittes ersparten Leistung und dem Wert der vom Beklagten vertragsmäßig zu erbringenden Leistung. Wenn dieser Schaden aber nicht Gegenstand der Vertragsstrafe gewesen sei, weil diese die Vergütung des durch die Verzögerung der Herstellung des Bauwerkes entstandenen Vermögensschadens betraf, könne diese Vertragsstrafe nach dem Rücktritt vom Vertrag nicht mehr gefordert werden, weil in diesem Fall ein Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nicht bestehe und auch die Vertragsstrafe von einer gültigen Hauptverbindlichkeit abhängig sei.
In der ebenfalls vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung 5 Ob 641/82 hat der Oberste Gerichtshof allerdings in einem gleichartigen Fall die für den Fall der Verzögerung der Leistung vereinbarte Vertragsstrafe trotz des Rücktrittes vom Vertrag zugesprochen; dabei wurde die Problematik der Abhängigkeit des Anspruches auf Ersatz eines Verzögerungsschadens vom Aufrechtbleiben des Vertrages nicht erörtert, sondern bloß (zutreffend) ausgeführt, daß durch die Nachfristsetzung keine Verlängerung vereinbarter Fertigstellungsfristen eintrete, die die Pönaleverpflichtung gegenstandslos mache. In ähnlicher Weise hatte auch die Entscheidung RZ 1976/90 ohne weiteres eine für den Fall des Verzuges vereinbarte Konventionalstrafe in einem Fall zugesprochen, in dem der Werkbesteller den säumigen Schuldner schließlich aus der Leistungspflicht 'entlassen' hatte.
Der erkennende Senat vermag der Ansicht der eingangs zitierten Vorentscheidungen nicht beizutreten. Wohl gibt § 918 Abs 1 ABGB dem vertragstreuen Teil gegenüber dem in Verzug geratenen Vertragspartner das Wahlrecht auf Erfüllung oder Rücktritt vom Vertrag, wobei im Falle des verschuldeten Verzuges ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Verspätung bzw. gemäß § 921 ABGB wegen Nichterfüllung hinzutritt. Beide Schadenersatzansprüche können nach § 1336 Abs 1 ABGB im Wege der Festsetzung einer Konventionalstrafe pauschaliert werden. Die Vertragsstrafe kann also für den Fall des gar nicht oder des nicht auf gehörige Art oder zu spät erfüllten Versprechens vereinbart werden. Damit liegen zwei verschiedene Fälle vor, nämlich jener der Nichterfüllung und der der verspäteten Erfüllung mindestens dort, wo diese noch als Erfüllung angesehen werden kann, also beim Nichtfixgeschäft (Wolff in Klang 2 IV 184, Reischauer in Rummel, ABGB, II Rz 1 und 8 zu § 1336). Die für den Fall der nicht gehörigen Erfüllung vereinbarte Konventionalstrafe kann neben der Erfüllung begehrt werden, die wegen endgültiger Nichterfüllung geschuldete Konventionalstrafe hingegen nur anstelle der Erfüllung (Reischauer aaO mwN). Dennoch vertreten Wolff aaO und Reischauer (in Rummel, ABGB I, Rz 8 zu § 921) den Standpunkt, daß mittels eines Schlusses vom kleineren auf das größere auch ein für den Fall verspäteter Erfüllung bestimmter Vergütungsbetrag ebenso im Falle der Nichterfüllung gefordert werden könne.
Nach Ansicht des erkennenden Senates gebührt dem vertragstreuen Teil die für den Fall der Verspätung der Leistung vereinbarte Konventionalstrafe ungeachtet ihres (berechtigten) Rücktrittes vom Vertrag wenigstens für den Zeitraum zwischen dem Eintritt des Verzuges des Schuldners bis zum Ablauf einer ihm gesetzten angemessenen Nachfrist. Das Argument der Vorentscheidungen, durch den Rücktritt vom Vertrag sei dieser rückwirkend aufgehoben und damit der nur für den Fall der Verspätung der Leistung vereinbarten Konventionalstrafe der Boden entzogen worden, ist nicht zwingend. Schon Ehrenzweig (System 2 II/1, 192) hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Abhängigkeit der Vertragsstrafe-Verpflichtung von einer gültigen Hauptverbindlichkeit den Schadenersatzanspruch für den Fall des Rücktritts vom gegenseitigen Vertrag unberührt läßt, weil damit die vertragsmäßige Festsetzung des Schadenspauschales nicht aufgehoben wird. Ehrenzweig macht an dieser Stelle keinen Unterschied zwischen den für den Fall der Nichterfüllung und der nicht gehörigen Erfüllung vereinbarten Konventionalstrafen. Durch die endgültige Nichterfüllung des Vertrages wird der schon vorher eingetretene Verzug nicht aus der Welt geschafft. Ein Nacheinander von Verspätungsschaden und Nichterfüllungsschaden sind gerade dann denkbar, wenn der Gläubiger zunächst auf der Erfüllung besteht und der Schuldner erst später die Leistung endgültig verweigert. Nach der zutreffenden Ansicht der Revisionswerberin ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde der Schuldner, der innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht erfüllt, in Ansehung der verwirkten Konventionalstrafe bessergestellt werden sollte als jener Schuldner, der am letzten Tag der Nachfrist erfüllt und die Konventionalstrafe für den ganzen Verspätungszeitraum bezahlen muß. Die Abhängigkeit der Nebenabrede über die Vertragsstrafe von einem gültig geschlossenen und also nicht später ex tunc beseitigten Vertrag schadet daher dem Gläubiger im Fall des Rücktrittes nach einem Zeitraum des schuldhaften Verzuges des Schuldners nicht, weil die Konventionalstrafe in der Zwischenzeit des Verzuges bereits verfallen ist und die Vereinbarung der Vertragsstrafe auch nicht nach redlicher Verkehrsübung so verstanden werden kann, daß der Verzug und die Verzugsfolge durch einen späteren berechtigten Rücktritt des Gläubigers beseitigt würden. Auch die gesetzliche ex tunc-Wirkung des Rücktritts vom Vertrag nach § 918 ABGB wird nach herrschender Ansicht nur relativiert schuldrechtlich verstanden (Koziol-Welser, Grundriß 7 I 222, Reischauer aaO, Rz 1 zu § 918). Die im § 921 zweiter Satz ABGB angeordnete Rückabwicklung derart, daß kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht, läßt erkennen, daß der bis dahin entstandene und gegebenenfalls durch eine Vertragsstrafe pauschalierte Verspätungsschaden nicht aus der Welt geschafft wird, sondern bloß in einem Nichterfüllungsschaden nach § 921 ABGB aufgeht (vgl. Reischauer aaO Rz 22 zu § 918, HS 637/9). Nach der zutreffenden Ansicht der oben angeführten österreichischen Lehre entspricht dann aber auch nach dem Größenschluß a minore ad majus der pauschalierte Schadenersatz für verspätete Erfüllung umsomehr dem mindesten Schadenersatz für Nichterfüllung. Im selben Sinn verstehen auch die Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland die gleichartigen Bestimmungen des § 341 BGB ungeachtet der auch dort anerkannten Abhängigkeit der Konventionalstrafe von einem gültigen Vertrag dahin, daß die für den Fall der nicht gehörigen Erfüllung versprochene Strafe auch gebührt, wenn sie durch Nichterfüllung verwirkt wurde, weil dem Gläubiger nicht deshalb geringere Rechte zustehen, weil der Schuldner, der für nicht gehörige Erfüllung eine Strafe versprochen hat, überhaupt nicht erfüllt (Staudinger, BGB 10/11 II 158 f, Münchener Komm. 2 II 1086, BGH NJW 1963, 1197).
Der von der zweiten Instanz angenommene Grund für die Abweisung dieses Klagebegehrens ist demnach nicht gegeben. Den übrigen Einwendungen des Beklagten gegen diesen Klagsanspruch hat hingegen schon das Berufungsgericht bzw. der Erstrichter zutreffend keine Berechtigung zuerkannt. Die dem Rücktritt der Klägerin vorangegangene Rücktrittserklärung des Beklagten war nach den Tatsachenfeststellungen grundlos und daher nicht geeignet, den Vertrag aufzulösen. Auf diese Einwendung kam der Beklagte schon in der Berufung nur noch mit dem Argument zurück, daß die Klägerin wegen seiner Weigerung, den Vertrag zu erfüllen, nicht mehr berechtigt gewesen sei, ihm eine Nachfrist zu setzen. Richtig ist daran nur, daß der Gläubiger bei ernsthafter Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner auch ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten kann (Reischauer in Rummel, ABGB,I, Rz 14 zu § 918). Daraus folgt aber keineswegs, daß der Gläubiger nicht auch nach einer solchen Weigerung eine Nachfrist setzen darf, um den Schuldner doch noch zur Erfüllung zu bewegen. Von einer gänzlichen Unsinnigkeit eines solchen Verhaltens im vorliegenden Fall kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil der Beklagte nach den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes auch noch nach seinem Rücktrittsschreiben nochmals Arbeiter zur Verfügung stellte, die an den Fundamenten arbeiteten. In diesem Zusammenhang geht auch der Vorwurf des Revisionsgegners, es dürfe der Klägerin nicht faktisch freigestanden sein, eine Konventionalstrafe für einen beliebigen Zeitraum zu verlangen, deshalb ins Leere, weil keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, daß die von ihr tatsächlich gesetzte Nachfrist von einem Monat unangemessen lang gewesen wäre. Es kann deshalb wie in der Entscheidung RZ 1976/90 dahingestellt bleiben, wie eine Konventionalstrafverpflichtung im gegenteiligen Fall zeitlich zu begrenzen wäre.
Für die Anwendung des richterlichen Mäßigungsrechtes hätte es, auch wenn der Beklagte Minderkaufmann ist, nach der zutreffenden Ansicht der Erstrichterin eines entsprechenden Tatsachenvorbringens des beweispflichtigen Revisionsgegners bedurft (SZ 42/57, RZ 1976/90 uva.). Hier fehlte es aber an jedem derartigen Tatsachenvorbringen und der Beklagte hat auch nicht etwa in der Berufung einen möglichen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens infolge Nichterörterung der Gründe für die Anwendung des Mäßigungsrechtes (Ind.1975 H 2/931) geltend gemacht. Da die nunmehrigen Revisionsausführungen hiezu demnach als unzulässige Neuerung unbeachtlich sind, hat es bei der Verpflichtung des Beklagten zur Leistung der vollen vereinbarten Vertragsstrafe zu bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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