Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.996,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.185,15 an Umsatzsteuer und S 960,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, einen im einzelnen näher bezeichneten übergabsvertrag in beglaubigter Form zu unterfertigen. Er bringt vor, die Parteien hätten Ende März 1984 bezüglich der übergabe der im Alleineigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft EZ.16 Katastralgemeinde Pieslwang dahingehend Einigung erzielt, daß der Kläger die gesamte Liegenschaft mit Ausnahme der Waldgrundstücke im Ausmaß von etwa 8 Joch erhalte. Als Gegenleistung sei ein übergabspreis von S 400.000,-- vereinbart worden, der erst durch Kündigung seitens der Beklagten fällig werden oder in ihren Nachlaß fallen sollte. Ferner sollte der Kläger der Beklagten eine monatliche Zahlung in der Höhe leisten, daß ihr unter Berücksichtigung ihrer Pension ein monatliches Taschengeld von S 5.500,-- zur Verfügung stehe. Ein Wohnungsrecht im übergabshaus sowie noch näher zu bestimmende Ausgedingsleistungen, insbesondere auch für die Schwester der Beklagten, hätten später noch festgesetzt werden sollen. Die Beklagte weigere sich, den Vertrag zu unterfertigen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und bestreitet das Zustandekommen einer übergabsvereinbarung. Sie wendet ein, daß wesentliche Auszugsrechte, die Rechte für die Schwester der Beklagten, die Einräumung eines Wegzugsrechtes und der Zeitpunkt der übergabe noch nicht erörtert worden seien. Die durchbesprochenen Punkte eines eventuell abzuschließenden Vertrages seien vom Notar nur deshalb in einem Aktenvermerk festgehalten worden, um zu verhindern, daß im Falle weiterer Verhandlungen die bereits geklärten Punkte neuerlich diskutiert würden. Vor Unterfertigung des Aktenvermerkes habe der Notar der Beklagten ausdrücklich zugesichert, daß dies noch keine Vertragsunterfertigung sei und sie sich dadurch nicht binde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen:
Ab etwa Mitte März 1984 bedrängten Franz und Maria A und mit ihnen ihr Sohn, der Kläger, die 73-jährige Beklagte, ihnen die ihr gehörige Liegenschaft, auf der sie mit ihrer 70-jährigen Schwester Theresia C lebt, zu übergeben. Weil die Beklagte erklärt hatte, einen allfälligen Vertrag beim Notar Dr.D abschließen zu wollen, bedrängten die Eltern des Klägers auch diesen Notar, ihnen bei der übergabe behilflich zu sein und auf die Beklagte in diesem Sinn Einfluß zu nehmen. Nach mehreren Vorbesprechungen, bei denen es zu keiner Einigung gekommen war, ließ sich die Beklagte überreden, am Nachmittag des 29.März 1984 mit der Familie A zu dem Notar Dr.D zu fahren und über
die übergabe weiterzuverhandeln. Der Notar, der an jenem Tag nur zwischen 15,30 Uhr und 16 Uhr Zeit hatte, hatte sich über Drängen des Franz A bereiterklärt, in dieser halben Stunde mit den Parteien zu sprechen, mit dem Hinweis, daß am 2.April 1984, wie dies bereits vorgesehen war, weiter verhandelt werden würde. Zu dem eingeschobenen Termin erschienen der Kläger mit seinen Eltern und die Beklagte. Der Notar begann zunächst die Geldleistungen im Fall einer übergabe zu besprechen. Keiner der Erschienenen teilte ihm mit, daß bereits ein verbindlicher übergabsvertrag (mündlich) geschlossen worden wäre. In der zur Verfügung stehenden Zeit einigten sich die Parteien dahin, daß der übergabspreis S 400.000,-- betragen solle und von der Beklagten jederzeit aufgekündigt werden könne oder im Erbweg weitergehe, und daß die Beklagte ein monatliches Taschengeld von S 5.500,-- unter Berücksichtigung ihrer Pension erhalten solle. Alle anderen Fragen des Ausgedinges, wie Wegzugsrecht, Wohnungsrecht, Verpflegsauszug, Betreuung und Pflege, allfällige Rechte für die Schwester der Beklagten, wurden nicht besprochen. Die Beklagte erklärte, daß sie über die noch offenen Fragen mit ihren Verwandten sprechen müsse. Der Notar riet ihr, zum nächsten Verhandlungstermin einen ihrer Verwandten mitzunehmen, denn er hatte den Eindruck, daß sich die Beklagte alles einreden ließ. Um zu verhindern, daß bei den für 2.April 1984 bestimmten weiteren Verhandlungen nicht wieder über die beiden Punkte, über welche Einigung erzielt worden war, gestritten und diskutiert werde, verfaßte Dr.D einen für seinen persönlichen Gebrauch gedachten und bestimmten Aktenvermerk, in dem unter anderem auch von einem noch näher zu bestimmenden Wohnungsrecht im übergabshaus, Verpflegsauszug, Betreuung und Pflege und allfälligen Rechten für die Schwester der übergeberin gesprochen wird. Der Notar las diesen Aktenvermerk den Anwesenden vor und ließ ihn von ihnen unterschreiben. Ehe die Beklagte unterschrieb, fragte sie den Notar ausdrücklich, ob dies einen Vertrag oder Vorvertrag darstelle und sie damit gebunden sei. Der Notar erwiderte ihr, daß durch ihre Unterschrift keine Verbindlichkeit entstehe.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß die Parteien in Vertragsverhandlungen gestanden seien, daß es aber zu einem Vertragsabschluß nicht gekommen sei. Gemäß § 861 ABGB entstehe kein Vertrag, solange die Unterhandlungen dauerten. Die Einigung über einige Punkte oder über den Preis allein bringe noch keinen Vertrag zustande, wenn alle übrigen Vertragsbestimmungen oder auch nur einzelne wesentliche oder unwesentliche Fragen noch offen seien. Wollte man auch den 'Aktenvermerk' als Teilvertrag ansehen, sei dieser doch im Hinblick auf die noch offenen notwendigen und wesentlichen Punkte eines übergabs- und Ausgedingevertrages viel zu unbestimmt und unklar. Dazu komme, daß sich die Beklagte von dem Notar ausdrücklich habe versichern lassen, daß der Aktenvermerk noch keinen Vertrag darstelle. Es habe der Beklagten daher bis zuletzt an einem ernstlichen, bestimmt und frei abgegebenen Abschlußwillen gefehlt. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Ein Vertrag sei im Zweifel nicht geschlossen, solange noch irgendein, sei es auch nebensächlicher, Punkt offen sei, über den eine Partei während der Verhandlungen Einigung zu wünschen erklärt habe. Die Beklagte habe gewünscht, noch über eine Reihe von offenen Fragen weiterzuverhandeln. Ein Bindungswille der Beklagten habe erkennbar (noch) nicht bestanden.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Kläger macht in der Revision geltend, er habe zwar gesehen, daß die Beklagte den Aktenvermerk unterfertigt habe, habe aber den Wortwechsel zwischen der Beklagten und dem Notar nicht gehört bzw. nicht verstanden. Er sei deshalb der Meinung gewesen, daß sich die Beklagte binden wolle. Der Vertrag sei daher nach dem Vertrauensgrundsatz als zustandegekommen anzusehen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Ansicht nicht an. Für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlußwillens erforderlich. Eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht. Solange einzelne Vertragsbestimmungen - wesentliche oder unwesentliche - Fragen noch offen sind, ist der Vertrag nicht zustandegekommen (JBl 1973, 617). Zum Zustandekommen eines Kaufvertrages genügt zwar grundsätzlich die Einigung über Kaufgegenstand und Kaufpreis (§ 1054 ABGB). Daß Nebenpunkte nicht besprochen wurden, steht der Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrages nicht entgegen: Die fehlenden Punkte sind vielmehr aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen. Voraussetzung für die Annahme eines Kaufvertrages ist es dann aber, daß die Nebenpunkte gar nicht erörtert, also nicht zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht wurden. War hingegen eine Vereinbarung über offen gebliebene Punkte - auch unwesentliche - vorbehalten, dann gilt der Vertrag noch nicht als geschlossen und kommt erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben. Es ist dann nämlich davon auszugehen, daß die Parteien einen Vertrag ohne Einigung über die Nebenpunkte nicht schließen wollten (EvBl 1978/139). Der Parteiwille ist darin frei, die Perfektion des Kaufvertrages von der Einigung über weitere Themen abhängig zu machen; diese mögen aus objektiver Sicht so unwesentlich sein wie auch immer, sie werden durch den Parteiwillen wesentlich (Mayer-Maly in Klang 2 IV/2, 218; NotZ 1980, 73). Wurde über irgendeinen Vertragspunkt verhandelt, ohne Einigung zu erzielen, so ist der Kaufvertrag auch dann nicht abgeschlossen, wenn man sich über Objekt und Preis längst einig ist (EvBl 1978/139, SZ 54/112).
Der von den Parteien beabsichtigte 'übergabsvertrag' enthält neben Elementen der Leibrente und der Drittbegünstigung insbesondere solche des Kaufes (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu § 881, und Bydlinski in Klang 2 IV/2, 191) und ist rechtlich überhaupt als Kaufvertrag anzusehen, da die vorgesehenen Leistungen des Klägers nach der Absicht der Parteien das übergebene schlechthin vergelten sollten, die übergabe also nicht nur zum Teil, sondern gänzlich um der Gegenleistung Willen erfolgen sollte (Bydlinski aaO). Die über das Zustandekommen eines Kaufvertrages entwickelte Rechtsprechung ist daher auch für den vorliegenden Fall maßgebend. Geht man von dieser Rechtsprechung aus, kann keine Rede davon sein, daß ein Vertrag zwischen den Parteien zustandegekommen ist. Eine Einigung zwischen den Parteien bestand lediglich über den Gegenstand des 'übergabsvertrages', über den 'übergabspreis' und die der Beklagten zu leistende Leibrente ('Taschengeld'). Alle weiteren Vertragspunkte dagegen, wie sie unter Z.3 des Aktenvermerks des Notars Dr.D vom 29.März 1984 angeführt werden - Wohnungsrecht, Verpflegsauszug, Betreuung und Pflege, Rechte für die Schwester der Beklagten -, waren einer weiteren Verhandlung vor dem Notar vorbehalten. Sie waren der Beklagten so wichtig, daß sie über diese noch mit ihren Verwandten sprechen wollte. Die offen gebliebenen Vertragspunkte sind darüberhinaus auch aus objektiver Sicht gerade bei einem übergabsvertrag keinesfalls unwesentlich, da sie einen Teil des vom übernehmer zu leistenden Entgelts darstellen und in einem erheblichen Ausmaß der wirtschaftlichen Absicherung des übergebers dienen (vgl. Krejci in Rummel, ABGB, Rdz 42 zu §§ 1284 bis 1286). Daß über die in Z.3 des Aktenvermerkes vom 29. März 1984 angeführten Punkte weitere Verhandlungen stattfinden sollten, daß also eine Einigung insoweit noch nicht erzielt worden war, war dem Kläger bekannt, da der Aktenvermerk vom Notar vorgelesen wurde und er dieses Schriftstück unterfertigt hatte. Es ist demgegenüber ohne weitere Bedeutung, ob der Kläger die Frage der Beklagten an den Notar, ob dies ein Vertrag und sie damit gebunden sei, und die verneinende Antwort des Notars gehört hat oder nicht. Eine Feststellung hiezu war deshalb auch entbehrlich. Da ein Vertrag zwischen den Parteien sohin noch nicht zustandegekommen war, haben die Vorinstanzen das Klagebegehren mit Recht abgewiesen. Der Revision mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
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