OGH 5Ob71/85

OGH5Ob71/851.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Warta, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Verlassenschaft nach Komm.Rat Friedrich A, zuletzt Wien 1., Stubenring 6, vertreten durch Rudolf Prokop, Immobilientreuhänder, Wien 3., Hintzerstraße 1, wider die Antragsgegner 1.) Elijahu B, 2.) KONTOR-Einrichtungs-Gesellschaft mbH, 3.) Maria C, 4.) Lotto D, 5.) Liane E, 6.) Prof.Dr.Parwis F, 7.) Dr.Rudolf G, 8.) Dr.Guido H, 9.) Dr.Ulrich I, 10.) Sigrid

I, 11.) Dr.Erich J, 12.) Medea K, 13.) Ariane

L, 14.) Jenny (Johanna Rosa) M, 15.) Franziska

N, 16.) Erika O, sämtliche Mieter im Haus Wien 1., Elisabethstraße 24, die 2., 4., 5., 9., 12., 15. und 16. Antragsgegner vertreten durch Dr.Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in Wien, die 14. Antragsgegnerin vertreten durch Alfred Karlowitsch, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 1., Reichsratstraße 15, wegen § 37 Abs 1 Z 10, §§ 18 und 19 MRG infolge Revisionsrekurses der 2., 4., 5., 9., 15. und 16. Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 19.Februar 1985, GZ 41 R 47/85-33, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. September 1984, GZ 48 Msch 10/83-28, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluß fest, daß die Antragstellerin vom 1.10.1984 bis zum 30.9.1994 berechtigt sei, zur Durchführung unmittelbar heranstehender größerer Erhaltungsarbeiten in ihrem Haus Wien 1., Elisabethstraße 24, unter Berücksichtigung der zu erwartenden Geldbeschaffungskosten und eines Hauptmietzinsaktivums per 30.6.1984 von 674.100,67 S die für die einzelnen Bestandobjekte angeführten Erhöhungen des Hauptmietzinses zu begehren, wobei der erhöhte Hauptmietzins für das gesamte Haus monatlich 67.500 S betrage. Ferner trug es der Antragstellerin auf, binnen einem Jahr ab Rechtskraft der Entscheidung die der Entscheidung zugrundeliegenden, in den Entscheidungsgründen näher aufgeschlüsselten Erhaltungsarbeiten vorzunehmen. In der Begründung des Sachbeschlusses stellte das Erstgericht fest, daß Baumeister-, Dachdecker-, Spengler-, Tischler-, Bauschlosser-, Glaserer-, Maler- und Anstreicher- sowie Installateurarbeiten eineschließlich 5 % Bauüberwachungs- und Bauverwaltungskostenpauschale im Gesamtausmaß von 6,383.351,86 S erforderlich seien. Abzüglich einer Hauptmietzinsreserve zum 30.6.1984, von 674.100,67 S und einer Subvention des Bundesdenkmalamtes von 300.000 S ergebe sich ein Deckungsfehlbetrag von 5,409.251,19 S zuzüglich 8 % pauschalierter Geldbeschaffungskosten von 432.740,08 S, woraus sich ein zu deckendes Gesamterfordernis von 5,841.991,27 S errechne. Die 2., 4., 5., 9., 15. und 16. Antragsgegner bekämpften diesen Sachbeschluß insoweit, als im Gesamterfordernis zur Durchführung der Erhaltungsarbeiten auch die vom Bundesdenkmalamt begehrten Mehrarbeiten mit einem Mehraufwand von 1,748.829,10 S enthalten seien.

Das Rekursgericht hob den Sachbeschluß des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus:

Unberechtigt sei der Rekurs, soweit er die Ansicht vertrete, sämtliche Pflichten des Denkmalschutzgesetzes, auch die Instandhaltungspflicht, träfen nur den Hauseigentümer und eine überwälzung der Kosten für denkmalpflegerische Erhaltungsarbeiten auf die Mieter sei unzulässig. Dies erachteten die Rekurswerber damit begründen zu können, daß nach dem Denkmalschutzgesetz nur dem Eigentümer Parteistellung zukomme und die Mieter daher mangels Gehör und Vertretung sich gegen Auflagen des Denkmalamtes nicht zur Wehr setzen könnten. Dem sei entgegenzuhalten, daß es im Wesen des Denkmalschutzes ebenso wie z.B. des Naturschutzes und des Baurechtes liege, daß nach dem Inhalt der ihm zugeordneten Vorschriften die Ausübung sonst gestatteter Rechte beschränkt werde. Der Schutz des Eigentums und aller sonstigen Privatrechte sei nur unter Vorbehalt des Gesetzes verfassungsrechtlich gewährleistet. Die Vorschriften des Denkmalschutzes hätten daher nicht vor Mietrechten Halt zu machen (vgl. VfGH 26.6.1969, B 17/69, Slg.5991, zitiert in Helfgott, Die Rechtsvorschriften für den Denkmalschutz unter IV E 4). Es gehöre zum Wesen der Beschränkungen, die auf Grund des Denkmalschutzgesetzes angeordnet würden, daß sie in die privaten Rechte nicht nur der Eigentümer, sondern auch anderer Personen, z.B. der Mieter eingriffen (VwGH 10.2.1970, Zl.1411/69, zitiert in Helfgott aaO unter IV E 30).

Dem Rekurs komme aber insoweit Berechtigung zu, als das Erstgericht die vom Sachverständigen in seinem Gutachten ermittelten Mehrkosten für die vom Bundesdenkmalamt begehrten zusätzlichen Arbeiten in Höhe von 1,748.829,10 S mit der Begründung in voller Höhe in das Gesamterfordernis aufgenomme habe, daß die Zweifärbelung der Außenfassade eine Erhaltung im ortsüblichen Standard (§ 3 Abs 1 MRG) darstelle. Hiezu sei zunächst darauf verwiesen, daß 'der jeweilige ortsübliche Standard' keinen Maßstab für den Umfang der Erhaltungspflicht des Vermieters bilde, sondern daß sich dieser aus § 3 Abs 2 MRG ergebe (vgl. Würth-Zingher, MRG 2 , Anm.2 zu § 3). Der Mehraufwand enthalte aber nicht nur Kosten für eine Färbelung in zwei verschiedenen Farben, sondern - wie dem Sachverständigengutachten auf den S.9 und 10 in den Positionen 39 bis 44 sowie auf S.17 in den Positionen 1 bis 11 zu entnehmen sei - erhebliche Kosten unter anderem für das Abbeizen von Ölanstrich, das Freilegen der Urbestandsgliederung, die Restaurierung der Bildhauer- und Fassadenornamente sowie insbesondere auch die Wiederherstellung der Quadergliederung (Urbestandsgliederung) an den glatt verputzten Portalflächen. Es handle sich dabei also zumindest teilweise offensichtich um die Rekonstruktion ehemals vorhanden gewesener, aber nicht mehr bestehender Bauteile, die keine unmittelbare Funktion für die Brauchbarkeit des Hauses besäßen, sondern ausschließlich das stilistische äußere Erscheinungsbild beträfen. Der Begriff der Erhaltung im Sinne des § 1 DSchG sei nur im Sinne der Aufrechterhaltung eines gegenwärtigen Zustandes zur Verhinderung von Zerstörungs- oder Veränderungsmaßnahmen ohne die gemäß § 5 DSchG vorgesehene Zustimmung des Bundesdenkmalamtes zu verstehen (vgl. VwGH 5.2.1976, Zl.1891/75, zitiert in Helfgott aaO unter IV E 46). Zu ermitteln sei daher lediglich der Bestand des Denkmals (Gebäudes) im Augenblick der Unterschutzstellung (vgl. VwGH 10.5.1973, Zl.39/73 = Slg.8414, zitiert in Helfgott aaO unter IV E 35). Eine Wiederherstellungspflicht sehe das Denkmalschutzgesetz nur gemäß § 14 Abs 6 dann vor, wenn eine widerrechtliche Änderung oder Zerstörung des früheren Zustandes eines bereits unter Schutz gestellten Objektes erfolgt sei. Es werde daher im konkreten Fall noch festzustellen sein, in welchem konkreten Zustand sich die einzelnen Fassadenteile des Gebäudes im Zeitpunkt der Unterschutzstellung nach §§ 1 und 3 DSchG befunden hätten. Soweit die von der Antragstellerin beabsichtigten Erhaltungsarbeiten die Aufrechterhaltung dieses Gebäudezustandes beträfen, fänden die hiefür anfallenden Kosten im Rahmen der Mietzinserhöhung nach § 18 MRG Deckung. Eine Pflicht zur Rekonstruktion des 'Urbestandes' des Hauses, der im Zeitpunkt der Unterschutzstellung nicht mehr bestanden habe, könne hingegen aus § 14 Abs 6 DSchG nicht abgeleitet werden. Es handle sich dann dabei auch nicht um Erhaltungsarbeiten im Sinne des § 3 Abs 2 MRG, sondern um Arbeiten zur Wiederherstellung einer nicht mehr existierenden Bausubstanz. In diesem Umfang wäre eine Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 18 MRG daher unzulässig.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zu eröffnen gewesen, weil die Frage, in welchem Umfang vom Bundesdenkmalamt angeordnete oder begehrte Arbeiten als Erhaltungsarbeiten im Rahmen einer Mietzinserhöhung nach § 18 MRG Berücksichtigung finden könnten, von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Gegen den unter Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der 2., 4., 5., 9., 15. und 16.Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die vom Bundesdenkmalamt geforderten Arbeiten aus dem Erfordernis herausgenommen werden und das Erfordernis entsprechend reduziert wird. Die Antragstellerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG zulässig; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerber führen aus, daß die Fassade des Hauses im Zeitpunkt der Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz nicht in zwei verschiedenen Farben gefärbelt gewesen sei, sodaß auch der Mehraufwand für die Färbelung in zwei verschiedenen Farben dem Erfordernis nicht zugrundezulegen sei. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Gemäß § 3 Abs 1 MRG hat der Vermieter nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen, daß das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten werden. Im übrigen bleibt § 1096 ABGB unberührt. Nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG umfaßt die Erhaltung im Sinne des Abs 1 die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses einschließlich der Hausbesorgerdienstwohnung erforderlich sind.

Nach Würth in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 3 MRG enthält § 3 Abs 1 MRG ein Programm als Auslegungsgrundsatz. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Abstellen auf den jeweiligen ortsüblichen Standard zu, wodurch anstelle des konstanten und daher eher primitiven Erhaltungsbegriffes des Mietengesetzes eine elastische, sich den jeweiligen zeitlichen und örtlichen Komfortvorstellungen anpassende Obergrenze der Erhaltung normiert wird. Entgegen der strengen Rechtsprechung zu § 6 MG müßte die Reparatur von Schäden derart, daß gleichzeitig der Standard auf den ortsüblichen angehoben wird, dann noch als Erhaltung anzusehen sein, wenn dies dem sonstigen Erhaltungszustand des Hauses entspricht (vgl. auch Krejci in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 184 f; Call, ebendort 627 f). Krejci (aaO 183 f) lehrt, daß nur Erhaltungsmaßnahmen den Regeln über die Erhaltungspflicht unterfallen, die den geltenden Rechtsvorschriften nicht widersprechen; dies verstehe sich von selbst und bedürfte keiner eigenen Normierung. Erhält der Vermieter für die Durchführung bestimmter, mit den Erhaltungsarbeiten verbundener Tätigkeiten keine baubehördliche Bewilligung, dann darf er sein Vorhaben nicht verwirklichen. Nach Call aaO 627 FN 93 und Krejci aaO 183 FN 30 sind unter den rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten, auf die § 3 Abs 1 MRG verweist, vor allem die verwaltungsrechtlichen Vorschriften des Baurechtes (Bauordnungen, Raumordnungsrecht, Denkmalschutzgesetz usw.) gemeint. Auch die Frage, ob der im Revisionsrekursverfahren strittige Mehraufwand für die Färbelung der Hausfassade in zwei verschiedenen Farben unter die erforderlichen Erhaltungsarbeiten im Sinne des § 3 Abs 2 Z 1 MRG fällt und daher bei Berechnung des Gesamterfordernisses nach §§ 18, 19 MRG zu berücksichtigen ist, hängt demnach davon ab, ob diesbezüglich eine Instandhaltungs- bzw. Wiederherstellungspflicht nach dem Denkmalschutzgesetz (zur Bedeutung des Denkmalschutzgesetzes - insbesondere seiner §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 - für die Rechtmäßigkeit von Renovierungsarbeiten siehe Helfgott, Die Rechtsvorschriften für den Denkmalschutz 57 Anm.2 zu § 4 DSchG), nach der Bauordnung für Wien (vgl. insbesondere deren § 129) oder unter dem Gesichtspunkt des jeweils ortsüblichen Standards besteht. Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren auch noch jene Feststellungen nachzutragen haben, die zur Beantwortung dieser Fragen erforderlich sind. Gegebenenfalls wird zu klären sein, welche denkmalpflegerischen Arbeiten das Bundesdenkmalamt für erforderlich hält, damit die verfahrensgegenständlichen Erhaltungsarbeiten nicht als nach § 5 Abs 1 DSchG nicht zu genehmigende und daher gemäß § 4 Abs 1 DSchG verbotene Veränderung oder gar Zerstörung des Denkmals anzusehen wären. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß Fachbeamte des Bundesdenkmalamtes nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Amtssachverständige sind (siehe die bei Helfgott aaO unter IV E 21, 26, 28 abgedruckten Entscheidungen, aber auch die unter IV E 37, 40 abgedruckten Entscheidungen betreffend die Landeskonservatoren). Da es somit bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu verbleiben hat, war dem Revisionsrekurs im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte