Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem zu Punkt II des Urteilssatzes ergangenen Schuldspruch wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach § 208 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Herbert A wird von der Anklage, er habe im Frühjahr 1984 die am 23.November 1975 geborene Christine B dadurch, daß er ihr die überhose und die Strumpfhose auszog und sie aufforderte, ihm den Geschlechtsteil zu zeigen, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht und dadurch das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für die verbleibenden Schuldsprüche wegen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes), des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (Punkt III) und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit b WaffenG (Punkt IV) wird Herbert A nach §§ 28, 207 Abs. 1 StGB zu neun Monaten
Freiheitsstrafe verurteilt.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert A I./ des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB, II./ des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB, III./ des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB und IV./ des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit b WaffenG schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Münster
I./ nachgenannte unmündige Personen auf andere Weise als durch
Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar
1./ im Winter 1983/84 Claudia C, geb. am 3. September 1972, dadurch, daß er sie in der Geschlechtsteilgegend abgriff und sie aufforderte, ihn an seinem Geschlechtsteil abzugreifen, wobei er ihre Hand gegen seinen Geschlechtsteil führte;
2./ im Frühjahr 1984 Daniela D, geb. am 29.Juli 1972, dadurch, daß er sie an ihren Brüsten abgriff;
II./ im Frühjahr 1984 dadurch, daß er Christine B, geb. am 23. November 1975, die Überhose und Strumpfhose auszog und sie aufforderte, ihm ihren Geschlechtsteil zu zeigen, vor einer unmündigen Person eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung unmündiger Personen zu gefährden, vorgenommen, um dadurch sich geschlechtlich zu erregen; III./ in der Zeit von März 1984 bis März 1985 unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Barbara E, geb. am 21.Oktober 1969, diese durch Abgreifen an den Brüsten und am Geschlechtsteil zur Unzucht mißbraucht;
IV./ seit dem Frühjahr 1984, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (§ 11 WaffenG), nämlich ein Springmesser, besessen. Mit einer nominell auf die Gründe der Z 4 (gemeint wohl Z 5, der Sache nach auch Z 9 lit a) und Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte lediglich die zu den Punkten I./ und II./ des Urteilssatzes ergangenen Schuldsprüche wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach § 208 StGB.
In deren Ausführung behauptet er zunächst hinsichtlich der unzüchtigen Betastungen der Claudia C und der Daniela D (Faktum I 1 und 2) der Sache nach einen Feststellungsmangel, weil dem Urteil nicht entnommen werden könne, 'mit welcher Intensität und für welche Dauer' der Angeklagte die Mädchen angegriffen habe. Die in der Hauptverhandlung gemachten Aussagen der beiden Unmündigen selbst deuten nach Meinung des Beschwerdeführers lediglich auf derart flüchtige und oberflächliche Berührungen hin, daß diese (objektiv) noch nicht als Unzucht im Sinne des § 207 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB beurteilt werden könnten. Dies jedoch nicht mit Recht.
Rechtliche Beurteilung
Einzuräumen ist dem Beschwerdeführer, daß Mißbrauch zur Unzucht im Sinne des § 207 Abs. 1 StGB Handlungen sexueller Art und Tendenz von bestimmter Erheblichkeit voraussetzt, sodaß die Verwirklichung des Tatbestandes ein Verhalten erfordert, durch das die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt wird und das schon nach seinem objektiven Charakter zum Geschlechtsleben strafgesetzwidrig in Beziehung steht.
Das Erstgericht hat den Beschwerdebehauptungen zuwider im angefochtenen Urteil ohnedies entsprechend intensive und sexualbezogene Berührungen festgestellt (vgl S 222 in Verbindung mit S 226), wobei der Frage, ob die konstatierten Betastungen unmittelbar am Geschlechtsteil bzw an den Brüsten oder über der Kleidung erfolgten, keine entscheidende Bedeutung zukommt (vgl Mayerhofer-Rieder, StGB 2 , § 207 E Nr 7). Damit hat der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt, das die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzt hat, das somit schon nach seinem objektiven Charakter zum Geschlechtsleben strafgesetzwidrig in Beziehung steht (vgl Leukauf-Steininger, aaO, § 207, RN 5). Soweit aber der Beschwerdeführer die Zeugenangaben der Claudia C und der Daniela D - anders als das Erstgericht - dahin zu deuten versucht, daß die Genannten nicht zur Unzucht mißbraucht worden, sondern nur von flüchtigen und sexuell indifferenten Handlungen des Angeklagten betroffen gewesen seien, bekämpft er lediglich in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die freie Beweiswürdigung der Tatrichter.
Das die Schuldspruchpunkte I./ 1./ und 2./ des Urteilssatzes betreffende Beschwerdevorbringen ist daher nicht zielführend. Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zu, soweit sie sich gegen den zu Punkt II./ des Urteilssatzes erfolgten Schuldspruch wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB richtet:
Die Bestimmung des § 208 StGB stellt Handlungen unter Strafe, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung unmündiger oder jugendlicher Personen zu gefährden, wenn diese (in der Absicht dadurch den Täter oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen) vor einer unmündigen Person (oder einer der Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht des Täters unterstehenden jugendlichen Person) vorgenommen werden. Der Tatbestand erfaßt somit nur Fälle, an denen das Opfer weder aktiv noch passiv beteiligt ist. Wird die Handlung nicht vor, sondern (am oder) mit dem Schutzobjekt (dh unter dessen unmittelbarer körperlicher Beteiligung) begangen, scheidet § 208 StGB aus (vgl Leukauf-Steininger, aaO, § 208 RN 1 und 7; Pallin im WK, § 208, Rz 5; ÖJZ-LSK 1978/280).
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte den bezüglichen Urteilsfeststellungen zufolge der unmündigen Christine B lediglich die überhose und die Strumpfhose ausgezogen und sie aufgefordert, ihm ihren Geschlechtsteil zu zeigen (welcher Aufforderung das Kind nicht nachkam), um sich dadurch geschlechtlich zu erregen (S 223). Demnach verübte er aber - wie in der Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufgezeigt wird - nicht eine der im § 208 StGB genannten Handlungen vor dem Schutzobjekt, sondern eine Handlung unter dessen Beteiligung. Die festgestellte Tathandlung - der Angeklagte zog dem Mädchen die über- und Unterhose aus und forderte es auf, ihm den Geschlechtsteil zu zeigen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen - ist nach Lage des Falles einer aktiven unzüchtigen Beziehung zwischen Täter und Opfer nicht gleichwertig, sodaß sie auch nicht etwa als (versuchter) Mißbrauch zur Unzucht im Sinne des § 207 Abs. 1 StGB beurteilt werden kann (vgl Leukauf-Steininger 2 , RN 7 zu § 207).
Bei der im Hinblick auf die Teilaufhebung des Urteils erforderlichen Neubemessung der Strafe waren erschwerend die Wiederholung des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen; mildernd hingegen die Unbescholtenheit und das Teilgeständnis des Angeklagten, das in den Fakten III und IV des Urteilssatzes wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.
Bei Würdigung dieser Strafzumessungsgründe und Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht die im Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe der Schuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Taten.
Im Hinblick auf die Wiederholung der Taten und die langen Zeiten, über die sich das deliktische Verhalten des Angeklagten erstreckte, sowie auf die Tatsache, daß drei Kinder Opfer der Unzuchtshandlungen waren, bedarf es im vorliegenden Falle des Vollzuges der Freiheitsstrafe, um den Angeklagten in Hinkunft von gleichen oder ähnlichen Straftaten abzuhalten und ihn dadurch zu resozialisieren. Der Anwendung der bedingten Strafnachsicht des § 43 StGB stehen daher ungeachtet des bisher straflosen Vorlebens des Berufungswerbers im Inland Erwägungen der Spezialprävention entgegen.
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