OGH 8Ob59/85

OGH8Ob59/8512.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. G*****, geb. *****, vertreten durch die Mutter M*****, vertreten durch Dr. Elfriede Kropiunig, RA in Leoben, wider die beklagten Parteien 1) I*****, 2) Dr. H*****, 3) E*****, sämtl vertreten durch Dr. Robert Plaß, RA in Leoben, wegen Schadenersatz und Feststellung (S 111.220,‑ s.A.) infolge ao Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. 9. 1984, GZ 5 R 110/84‑49, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 21. 5. 1984, GZ 3 Cg 297/83‑44, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00059.850.0912.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger neuerlicher Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im ersten Rechtsgang mit S 66.220,‑ s.A. statt. Es traf weiters die Feststellung, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand – die Drittbeklagte bis zur Höhe der Versicherungssumme – der Klägerin für 50 % der Schäden aus dem Unfall vom 24. 1. 1981 hafteten.

Im zweiten Rechtsgang dehnte die Klägerin ihr Begehren um weitere S 25.000,‑ an Schmerzengeld aus, nachdem über ihren Antrag noch ein neurologisch‑psychiatrisches Gutachten über die von der Klägerin beim Unfall erlittenen Verletzungen eingeholt worden war.

Das Erstgericht gab hierauf dem ausgedehnten Klagebegehren von S 91.220,‑ s.A. statt und gelangte im übrigen zum gleichen Feststellungsausspruch wie im ersten Rechtsgang.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, mit welcher diese die Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes dahin beantragte, daß nur S 33.100,‑ s.A. zugesprochen und nur ein Feststellungsbegehren von 25 % für berechtigt erkannt werde, teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Klägerin nur S 66.220,‑ s.A. zuerkannte und das (ausgedehnte) Mehrbegehren von S 25.000,‑ abwies. Den Feststellungsausspruch bestätigte es. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil S 60.000,‑, nicht aber S 300.000,‑ übersteigt und erklärte die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht für zulässig.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht im hier allein relevanten abändernden Teil seiner Entscheidung folgende Auffassung:

Die Klägerin habe im ersten Rechtsgang unter Berücksichtigung eines 50%‑igen Eigenverschuldens die Bezahlung eines Schmerzengeldes von S 75.000,‑ begehrt. Das Erstgericht habe S 65.000,‑ zugesprochen. Das Berufungsgericht habe das Urteil des Erstgerichtes nur zur Prüfung des Unfallsgeschehens aufgehoben, die Schmerzengeldbemessung aber gebilligt. Es sei dem Erstgericht daher verwehrt gewesen, die Frage des Schmerzengeldes noch einmal aufzugreifen. Dies sei ein Verstoß gegen § 496 Abs. 1 Z 2 ZPO gewesen, welcher dazu führe, daß das Urteil des Erstgerichtes im Umfang des unzulässigerweise ausgedehnten Schmerzengeldbegehrens von S 25.000,‑ im nicht stattgebenden Sinn abgeändert werden mußte.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die ao Revision der Klägerin, in welcher sie deren Zulassung beantragt, weil das Berufungsgericht eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von erheblicher Bedeutung unrichtig gelöst habe. Im übrigen wird im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens von S 25.000,‑ inhaltlich unter Heranziehung des Revisionsgrundes des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO, formell auch unter jenem des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO die Abänderung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz oder dessen Aufhebung beantragt.

Der Oberste Gerichtshof ordnete die Freistellung der Revisionsbeantwortung an, in welcher beantragt wird, das Rechtsmittel der Gegenseite zu verwerfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des § 500 Abs. 4 Z 1 ZPO sowohl zulässig als auch berechtigt. Das Berufungsgericht hat gegen einen im folgenden dargestellten Grundsatz des Verfahrensrechtes von erheblicher Bedeutung verstoßen:

Auszugehen ist im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes davon, daß die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung des ersten Rechtsganges nicht eine solche gemäß § 496 Abs. 1 Z 2 ZPO war, sondern vielmehr allein der Z 3 der genannten gesetzlichen Bestimmung zu unterstellen ist. Aus dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes geht klar hervor, daß es für die rechtliche Beurteilung wesentliche Fragen (zeitliche und räumliche Relation der Anfahrt des Erstbeklagten zum Überquerungsweg der Klägerin, Feststellung der Wegstrecke des Erstbeklagten udgl) als noch ungeklärt erachtete, weil das Erstgericht solche erhebliche Tatsachen nicht erörterte. Das Gericht zweiter Instanz hat demnach in Wirklichkeit Feststellungsmängel auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Erstgerichtes wahrgenommen, was eine weitere Befassung des Erstgerichtes mit der Schmerzengeldfrage nicht ausschloß, zumal das Gericht zweiter Instanz letztere Frage nur nebenbei behandelte ( Fasching ZPO, Rdz 1820).

Im übrigen wäre es dem Berufungsgericht verwehrt gewesen, den seiner Ansicht nach gegebenen Verfahrensmangel des Erstgerichtes aufzugreifen, weil es keinen Einwand gegen die Zulässigkeit der Klageausdehnung aus Gründen des § 235 Abs. 2 ZPO bedeutet, wenn nur behauptet wird, daß über das Schmerzengeldbegehren bereits rechtskräftig entschieden wurde und Verjährung vorliege. Das Berufungsgericht sah sich aus den dargestellten verfahrensrechtlich unrichtig gelösten Gründen zur Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung veranlaßt; sein Urteil mußte daher aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz aufgetragen werden, über die Berufung der Beklagten neu zu entscheiden.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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