OGH 9Os120/85

OGH9Os120/8511.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.September 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Klaus A und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Melitta B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 11.Jänner 1985, GZ. 35 Vr 220/84-128, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, Melitta B habe das ihr angelastete Finanzvergehen des Schmuggels (Punkt V B des Schuldspruches) gewerbsmäßig begangen (§ 38 Abs. 1 lit. a FinStrG.), sowie demgemäß auch im Strafausspruch nach §§ 35 Abs. 4, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG. aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

2. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Melitta B zurückgewiesen.

3. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte, soweit sie sich gegen die gemäß §§ 35 Abs. 4, 38 Abs. 1 lit a FinStrG. verhängte Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe wendet, auf die zu Punkt 1. getroffene Entschebdung verwiesen.

4. über die verbleibende Berufung der Angeklagten B wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

5. Gemäß § 390 a StPO. fallen der Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderem die am 11.Juni 1958 geborene Melitta B (zu I B) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., (zu IV F) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG., (zu V B) des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG., (zu IX E) des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. und (zu X) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. schuldig erkannt.

Darnach hat sie - in der obigen Reihenfolge - im Jänner 1984 durch den Schmuggel von 20 Gramm Heroin von Holland nach Österreich und Überlassung desselben an Klaus A 'gewerbsmäßig' vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen ausgeführt, eingeführt und in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte; in der Zeit von Dezember 1983 bis Jänner 1984 sowie am 27.April 1984 in Innsbruck bzw. Nassereith zwei Gramm Heroin, 0,2 Gramm Heroin-Kokain-Gemisch, 0,25 Gramm Kokain, 0,57 Gramm Cannabisharz und 0,15 Gramm Cannabiskonzentrat erworben und besessen; durch den eingangs angeführten Schmuggel von 20 Gramm Heroin im Wert von 60.000 S, auf welches Eingangsabgaben in der Höhe von 14.580 S entfielen, gewerbsmäßig und vorsätzlich Sachen ausländischer Herkunft unter Verletzung ihrer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen; vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher andere Personen einen Schmuggel begangen hatten, nämlich die oben (Pkt. IV F) bezeichneten geringen Suchtgiftmengen im Wert von 7.500 S, auf die Eingangsabgaben in der Höhe von 1.704 S entfielen, an sich gebracht und schließlich Mitte Jänner 1984 in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Klaus A durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die vorgetäuschte Zusage, nach Holland zu fahren und für ihn abermals Heroin zu erwerben, zu einer Handlung, nämlich zur Aushändigung des Kaufpreises von 20.000 S, verleitet, wodurch der Genannte an seinem Vermögen einen 5.000 S übersteigenden Schaden erlitt. Die von der Angeklagten aus den Z. 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO. allein gegen die Schuldsprüche wegen des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG., des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels und des Vergehens des schweren Betruges erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise begründet.

Mit Recht weist nämlich die Mängelrüge (Z. 5) darauf hin, daß das Erstgericht die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung in unzureichender Weise begründete. In Ansehung des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG. betrifft dieser Mangel nach der derzeitigen Rechtslage allerdings keine entscheidende Tatsache, weil die Annahme der Gewerbsmäßigkeit hier weder für die Frage der Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung ist. Beim Finanzvergehen des Schmuggels ist letzteres aber sehr wohl der Fall, weil nach § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG. gewerbsmäßiges Vorgehen strenger geahndet wird.

Rechtliche Beurteilung

Da nun das Ersturteil für die Konstatierung, es sei der Beschwerdeführerin (auch) beim Suchtgiftschmuggel darauf angekommen, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (S. 317 und 335), jegliche Begründung vermissen läßt und dieses Gebrechen vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, sodaß insoweit die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich ist, war die bekämpfte Qualifikation inklusive des gesamten Strafausspruches nach dem Finanzstrafgesetz bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zu kassieren und diesbezüglich die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen (§ 285 e StPO.).

In allen übrigen Punkten erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.

Die Verfahrensrüge (Z. 4), in welcher die Beschwerdeführerin die Nichtbeachtung des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo) reklamiert, scheitert schon am Mangel der formellen Voraussetzungen dieses Nichtigkeitsgrundes, weil weder über einen Antrag der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung nicht erkannt noch gegen ihren Antrag oder Widerspruch ein Zwischenerkenntnis gefällt wurde. Im übrigen ist das Gericht nach dem genannten Grundsatz keineswegs gehalten, sich dann, wenn ein Verfahrensresultat mehrere Auslegungen oder Schlußfolgerungen zuläßt, die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen zu machen; vielmehr kann es sich jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO. 2 , ENr. 42 a zu § 258).

Nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist aber auch die Mängelrüge (Z. 5) der Angeklagten.

Die von ihr zum Beweis dafür, daß das Schöffengericht sie trotz Zweifels schuldig erkannte, angeführte Urteilspassage, ('von den 20 Gramm Heroin, die A Anfang Jänner 1984 bei C deponiert hat, ist im Zweifel anzunehmen, daß diese von Melitta B nach Österreich geschmuggelt wurden') bezieht sich, wie aus dem Urteilskontext mit völliger Klarheit ersichtlich ist (vgl. S. 24 d. Urteils), auf den Angeklagten A und diente zur Begründung dessen, daß A der Schmuggel dieser 20 Gramm Heroin (im Zweifel) nicht angelastet wurde (vgl. Punkt I A des Urteilssatzes). Wenn die Tatrichter - übrigens mit durchaus lebensnaher Begründung - bei Iris D vermeinten, die ursprünglichen Angaben dieser (Mit-) Angeklagten seien glaubhafter als ihre späteren Bekundungen, bei Gertrude E aber zu einer konträren überzeugung gelangten, ist dies als Akt der Beweiswürdigung der Anfechtung entzogen und muß darauf nicht weiter eingegangen werden. Die lapidaren Beschwerdebehauptungen hinwieder, die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes mit Bezug auf die Angeklagte B werde, je mehr Argumente angeführt würden, desto widersprüchlicher, eine schlüssige Beweiskette habe sich nicht erstellen lassen und die mit 'ersichtlicher Häme' gegen den Angeklagten A geführte Begründung müsse als unzureichend angesehen werden, entziehen sich mangels jedweder Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung.

Da endlich die tatrichterliche Begründung für den Betrugsvorsatz der Beschwerdeführerin - sie habe die 20.000 S für den Verteidiger ihres Mannes benötigt - schlüssig und lebensnah, mithin - der Beschwerde zuwider - durchaus zureichend ist, war die Beschwerde insoweit gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO. bzw. nach der Z. 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. über die Berufung der Angeklagten B wird - soweit sie nicht durch die Kassierung des finanzstrafgesetzlichen Strafausspruchs gegenstandslos geworden ist - bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung abgesprochen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf der Gesetzesstelle.

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