OGH 10Os93/85

OGH10Os93/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10.Juni 1985, GZ. 23 Vr 712/84-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Lenz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.November 1950 geborene Geschäftsführer Leopold A des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB. schuldig erkannt.

Darnach hat er am 30.September 1981 (in Traun) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, versucht, durch Täuschung über Tatsachen Angestellte der B C D zur Liquidierung eines angeblichen Einbruchsdiebstahlsschadens zu verleiten, wodurch die B C D an ihrem Vermögen um einen 100.000 S übersteigenden Betrag, nämlich von 144.000 S, geschädigt werden sollte, indem er dem Schadensreferenten der B C D,

Landesdirektion für Oberösterreich, Christian E, einen am 27. September 1981 in seinem Unternehmen, der Firma L. A Ges.m.b.H. & Co.KG., Traun, erfolgten Einbruchsdiebstahl, bei dem angeblich (auch) 4.500 Kinder-Sweat-Shirts gestohlen worden waren, unter übergabe einer Schadensaufstellung meldete, obwohl er in Wahrheit diese (zusätzlich) als Diebsbeute angeführten Waren selbst aus dem Lager entnommen und an Karl F verkauft hatte. Von weiteren Anklagevorwürfen in Richtung des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 15 StGB. und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB. wurde Leopold A freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 9 lit. a (der Sache nach auch Z. 9 lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge eine Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit seiner Behauptung vermißt, er habe gewußt, daß die Erlangung einer Zahlung vom Versicherer aus einem Versicherungsvertrag letztlich die Erstattung einer (formellen, detaillierten und von der Gendarmerie bestätigten) Schadensmeldung voraussetzt, ist diese Frage hier ohne Belang, ist doch das Erstgericht - ein solches Wissen ohnedies implizierend - in Würdigung der vorliegenden Verfahrensergebnisse mit durchaus schlüssiger Begründung zum Ergebnis gelangt, daß der Angeklagte nicht freiwillig von diesem letzten Schritt - eben der formellen Schadensmeldung und ausdrücklichen Anspruchsgeltendmachung - Abstand genommen hat, sondern daran bloß durch die Dazwischenkunft eines fremden Hindernisses, nämlich durch seine Verhaftung, gehindert worden ist.

Die Feststellung des Erstgerichtes, wonach der Angeklagte weder bei der Gendarmerie, noch beim Untersuchungsrichter irgend etwas darüber hat verlauten lassen, daß er schon vor seiner Verhaftung den Entschluß gefaßt habe, den geplanten Betrug zum Nachteil der Versicherungsanstalt freiwillig aufzugeben, ist dem Beschwerdevorbringen zuwider keineswegs aktenwidrig. Denn mit den vom Angeklagten in seiner Rechtsmittelausführung zitierten Angaben bei seiner Vernehmung durch die Gendarmerie vom 28.Oktober 1981 (S. 229/I) hat er nicht die Aufgabe eines vorher bestandenen Betrugsplanes behauptet, sondern den Versuch unternommen, seinem anläßlich der (ersten) Vernehmung bei der Gendarmerie am 9. Oktober 1981 (S. 105/I) und vor dem Untersuchungsrichter am 9. Oktober (S. 112/I) und 12.Oktober 1981 (S. 116/I) abgelegten klaren Geständnis zuwider das Vorliegen eines Betrugsplanes überhaupt zu bestreiten.

Schließlich wendet der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund ein, die Argumentation des Erstgerichtes, daß mangels Kenntnis eines gegen ihn gerichteten Tatverdachtes auch kein (gemeint: äußerer) Anlaß für ihn zu einer Abstandnahme von der Tatvollendung ersichtlich wäre, sei unzureichend, zumal für die Erstattung einer formgerechten Schadensmeldung bis zur Verhaftung des Angeklagten genügend Zeit zur Verfügung stand, sodaß man eher annehmen müßte, daß er seine Absicht, die Versicherung zu betrügen, nicht mehr fortsetzen wollte, hätte er ansonsten doch mit Rücksicht auf seine damalige schlechte wirtschaftliche Situation das (zum Zwecke der Schadensmeldung übergebene) Formular sofort ausgefüllt, um rasch zu Geld zu gelangen.

Dabei übergeht der Beschwerdeführer aber - abgesehen von dem Hinweis des Erstgerichtes auf das ohne entsprechenden Vorbehalt abgelegte (später allerdings widerrufene) Geständnis des Angeklagten im Vorverfahren - die weitere Argumentation des Schöffengerichtes, daß er bei seiner ersten Vernehmung durch die Gendarmerie am 9. Oktober 1981 zunächst bei seiner wahrheitswidrigen Behauptung eines Diebstahls (auch) der 4.500 Kinder-Sweat-Shirts geblieben und seiner sicheren Erwartung einer Versicherungsleistung Ausdruck verliehen hat (S. 103/I), welche Aussage das Gericht mit dem (erst in der Hauptverhandlung) behaupteten Rücktritt vom Versuch für unvereinbar hielt. Indem der Beschwerdeführer solcherart nicht von den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit ausgeht und in isolierter Betrachtungsweise aus einzelnen Argumenten des Erstgerichtes die Möglichkeit auch anderer, für ihn günstigerer Schlußfolgerungen abzuleiten sucht, bekämpft er in Wahrheit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung und führt so den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge ist daher unberechtigt.

In der Rechtsrüge vertritt der Angeklagte einerseits die Auffassung, sein vom Erstgericht festgestelltes Verhalten sei bloß als straflose Vorbereitungshandlung zum Verbrechen des schweren Betruges zu beurteilen, andererseits nimmt er - von der rechtlichen Annahme des Vorliegens eines strafbaren Betrugsversuches ausgehend - für sich den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB.) in Anspruch, womit er im ersten Fall den (ziffermäßig angeführten) Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO., letzterenfalls aber der Sache nach jenen der Z. 9 lit. b der genannten Gesetzesstelle releviert. Der Beschwerdeführer irrt jedoch, wenn er vermeint, daß - ausgehend von den schöffengerichtlichen Feststellungen - sein Verhalten mangels Ausführungsnähe noch nicht bis zum Stadium eines strafbaren Betrugsversuches gediehen sei. Eine zeitliche und weitere Zwischenakte ausschließende Nähe zum Ausführungsbeginn ist nur im Fall der Tatausführung unmittelbar vorangehender Handlungen (§ 15 Abs. 2 StGB.) nötig, nicht aber, wenn bereits eigentliche Ausführungshandlungen gesetzt worden sind, d.h. mit der Tatbildverwirklichung selbst begonnen worden ist, somit Versuchshandlungen im Sinne des § 15 Abs. 1 StGB. gesetzt worden sind; einer Ausführungsnähe zur Deliktsvollendung bedarf es nicht (SSt. 48/98; vgl. Foregger-Serini, StGB. 3 , Anm. III zu § 15; Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 15 RN. 6 und 10; Kienapfel, Strafrecht AT Z. 21 RN. 17 sowie Z. 22 RN. 12, 13). Der vorliegend versuchte (schwere) Versicherungsbetrug weicht nun zwar insoweit vom Regelfall ab, als eine solche Tat gewähnlich damit ins strafbare Versuchsstadium tritt, daß der Täter eine unrichtige, mit der formellen Beanspruchung eines bestimmten Schadensbetrages verbundene Schadensmeldung an den Versicherer erstattet. Doch hat der Angeklagte hier - wie das Erstgericht in den Gründen seines Urteiles zutreffend darlegt (US. 15 f.) - auf andere Weise, indem er nämlich dem zuständigen Schadensreferenten des Versicherers, also einem Ausführungsorgan des eine juristische Person darstellenden Opfers, nicht nur den Ort zeigte, wo angeblich (auch) 4.500 Kinder-Sweat-Shirts gestohlen worden sein sollten, sondern ihm insbesondere auch eine Aufstellung über die angeblich gestohlenen Gegenstände übergab, in der - neben tatsächlich gestohlenen anderen Gegenständen - auch die in Rede stehenden

4.500 Kinder-Sweat-Shirts enthalten waren, jenen getäuscht und sohin durch diese - vom Betrugsvorsatz getragene - Täuschung bereits mit der Tatbildverwirklichung selbst begonnen. Hievon ausgehend ändert es nichts an der Strafbarkeit dieses (wiewohl unbeendeten) Versuches, daß die Vollendung der Tat noch weitere Ausführungshandlungen - so die Erstattung einer formellen, durch die Gendarmerie bestätigten Schadensmeldung - vorausgesetzt haben würde. Ohne Rechtsirrtum hat das Erstgericht sohin das Vorliegen eines strafbaren Versuches des Verbrechens des schweren Betruges im Sinne der §§ 15, 146, 147 Abs. 3 StGB. angenommen.

Was aber die Geltendmachung des Strafaufhebungsgrundes des Rücktrittes vom Versuch nach § 16 Abs. 1 StGB. anlangt, so bringt der Angeklagte mit seinen Ausführungen weder den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO., noch einen anderen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er - in diesem Zusammenhang neuerlich die schöffengerichtliche Beweiswürdigung bekämpfend - von der urteilsfremden Prämisse ausgeht, freiwillig die Setzung der zur Deliktsvollendung erforderlichen weiteren Tatausführungshandlungen unterlassen und solcherart die Ausführung der Tat aufgegeben zu haben, nicht aber von der (wie oben dargelegt) mängelfrei begründeten Urteilsfeststellung, wonach eine solche - die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 16 Abs. 1 StGB.

voraussetzende - Freiwilligkeit beim Angeklagten nicht vorgelegen, sondern die Tatvollendung bloß an der Dazwischenkunft eines fremden Hindernisses, nämlich der Verhaftung des bis dahin seinen Plan aufrechterhaltenden und weiterverfolgenden Angeklagten, gescheitert ist.

Da sich demnach auch die Rechtsrüge als verfehlt erweist, war die sohin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 147 Abs. 3 StGB. zu einem Jahr Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB. mit einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei erachtete es keinen Umstand als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist sowie das vor der Gendarmerie und vor dem Untersuchungsrichter abgelegte Geständnis.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Begehren um Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter das gesetzliche Mindestmaß.

Dem Berufungswerber ist als weiterer Milderungsgrund zwar zuzubilligen, daß er die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat sowie daß er nach der vom Obersten Gerichtshof beigeschafften neuen Strafregisterauskunft wieder als unbescholten zu gelten hat. Auch wurde ihm sein Geständnis vor der Gendarmerie und beim Untersuchungsrichter insofern zu Recht als Milderungsgrund zugutegehalten, als er damit wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (zweiter Fall des § 34 Z. 17 StGB.). Allerdings ist nicht zu übersehen, daß der Berufungswerber den von ihm geplanten Versicherungsbetrug reiflich überlegt und sorgfältig vorbereitet hat, sodaß ungeachtet einer ziffernmäßigen Mehrheit von Milderungsgründen, denen keine Erschwerungsgründe gegenüberstehen, von einem beträchtlichen überwiegen der Milderungsgründe nach ihrem Gewicht (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 41 RN. 5) noch nicht gesprochen werden kann. Eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB.) kommt darum nicht in Betracht, weshalb auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

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