OGH 2Ob618/85

OGH2Ob618/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache des minderjährigen Michael A, geboren am 30. Juli 1982, infolge Revisionsrekurses der Mutter Ingeborg A, Köchin, Rinn, Dorfstraße 5, vertreten durch Dr.Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 9.Juli 1985, GZ.1 b R 104, 105/85-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 4.April 1985, GZ.P 38/84-24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der außereheliche Vater des Minderjährigen Helmut B beantragte die Regelung seines Rechtes auf persönlichen Verkehr mit dem Kind zuletzt in der Weise, daß er berechtigt sei, den Minderjährigen an zwei Tagen im Monat in der Zeit von 9 bis 18 Uhr zu sich zu nehmen (AS 51).

Die Mutter nimmt gegen ein Besuchsrecht des Vaters Stellung, weil dieser sich bisher um das Kind nicht gekümmert habe und Alkoholiker sei und weil wegen der Spannungen zwischen den Eltern die Interessen des Kindes gefährdet seien.

Nach der Entscheidung des Erstgerichtes ist der Vater berechtigt, den Minderjährigen an jedem zweiten und vierten Samstag im Monat von 14 bis 18 Uhr in der Wohnung der Mutter zu besuchen, wobei während der Besuche eine dem Kinde vertraute Person anwesend sein soll. Ein Abholen des Kindes wurde dem Vater untersagt. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes besuchte der Vater bis Ende 1983 öfter die Mutter und das Kind, wobei er bei gemeinsamen Spaziergängen den Kinderwagen schob und das Kind auch ansprach. Seit Dezember 1983 verwehrt die Mutter dem Vater jeden Kontakt zu dem Kind. Ende des Jahres 1983 war der Vater in psychiatrischer Behandlung, wobei allerdings eine Geisteskrankheit nicht festgestellt wurde. Der Vater befand sich damals allerdings in einer Krisensituation, weil ihm Spannungen im Verhältnis zu seiner langjährigen Lebensgefährtin einerseits und gegenüber der Mutter und dem Minderjährigen andererseits zu schaffen machten. In dieser Zeit sprach der Vater auch im besonderen Ausmaß dem Alkohol zu. Ab dem 5. Dezember 1983 war er drei Nächte lang verschwunden, da er verzweifelt war. In einem Brief hatte er angekündigt, sich zu erschießen. Seit dem Jahre 1984 haben sich aber die Verhältnisse des Vaters wieder normalisiert. Das Verhältnis zu seiner Lebensgefährtin hat sich wieder gefestigt. Der Vater zeigt keine depressive Neigungen und trinkt seit Ende Jänner 1984 auch nicht mehr. Das Besuchsrecht durch den Vater kann sowohl in der Wohnung seiner Lebensgefährtin als auch in der Wohnung seiner Eltern ausgeübt werden.

Nach Auffassung des Erstgerichtes lägen keine Gründe vor, dem Vater das Besuchsrecht zu versagen. Das geringe Alter des Kindes und der bisher unzureichende Kontakt zwischen Vater und Kind erforderten jedoch zumindest für eine übergangsphase eine überwachung des Besuches durch einen Dritten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht, dem Rekurs des Vaters nur teilweise Folge und eliminierte die Beschränkung der Ausübung des Besuchsrechtes in der Wohnung der Mutter in Anwesenheit einer Vertrauensperson sowie die Untersagung der Abholung des Kindes durch den Vater. Es regelte die Ausübung des Besuchsrechtes dahin, daß der Vater berechtigt ist, den Minderjährigen zu sich zu nehmen, und trug dem Vater auf, den Minderjährigen nach Beendigung des Besuchsrechtes in die Wohnung der Mutter zurückzubringen. Das Rekursgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes, daß kein Grund vorliege, dem Vater das Besuchsrecht zu verwehren. Die vom Erstgericht angeordnete Beschränkung in der Ausübung des Besuchsrechtes widerspräche jedoch dem Zweck des Besuchsrechtes, einen vertraulichen Kontakt zwischen Vater und Kind herzustellen. Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrages des Vaters. Hilfsweise stellt die Rechtsmittelwerberin einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsmittelwerber ist unbeschadet der Bezeichnung des Minderjährigen im Schriftsatz als Antragsgegner und weil Unmündigen im Verfahren außer Streitsachen kein Antrags- und Rekursrecht (SZ 38/216) zusteht, die Mutter. Ihr Revisionsrekurs ist jedoch unzulässig.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausführte, hat der Gesetzgeber der Zivilverfahrensnovelle 1983 für den Bereich der Zivilprozeßordnung durch die Neufassung der Bestimmungen der §§ 502 Abs 3 und 528 Abs 1 Z.1 ZPO das ausdrücklich erklärte Ziel verfolgt, die Anfechtbarkeit teilweise bestätigender Entscheidungen abweichend von den Rechtssätzen des Jud.56 neu zu regeln. Danach ist gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn der gesamte Wert dieses Teiles S 60.000,-- übersteigt. Ein Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil einer zweitinstanzlichen Rekursentscheidung ist immer unzulässig (Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht in ÖJZ 1983, 175, 203). Die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 neu gefaßten Bestimmungen der §§ 502 Abs 3 und 528 Abs 1 Z.1 ZPO müssen zu einer Änderung der Rechtslage auch überall dort führen, wo das Jud.56 neu bloß auf Grund einer Analogie angewendet wurde. Beseitigte der Gesetzgeber bewußt den Bestand des Jud.56 neu für den Bereich der Zivilprozeßordnung, so kann auch eine Auslegung der Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußstrG, die ausschließlich auf die analoge Anwendung der Rechtssätze dieses Judikates gestützt wurde, keinen weiteren Bestand haben. Nach der Zivilverfahrensnovelle 1983 hat daher auch für den Bereich der §§ 14 und 16 AußStrG bei teilweise bestätigenden und teilweise abändernden Entscheidungen des Rekursgerichtes der Grundsatz zu gelten, daß gegen den bestätigenden Teil nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG erhoben werden kann. Die Grenzlinie ist dort zu ziehen, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (RZ 1984/84; 1 Ob 546/85; 7 Ob 555/85; 1 Ob 671/84; 1 Ob 568/84 u.a.).

Der Revisionsrekurs der Mutter wendet sich ausschließlich dagegen, daß dem Vater überhaupt ein Besuchsrecht eingeräumt wurde. Beide Vorinstanzen entschieden übereinstimmend, daß keine Gründe vorlägen, dem Vater das Besuchsrecht wegen des Kindeswohles überhaupt zu verweigern. In diesem Umfang wurde dem Rekurs der Mutter daher keine Folge gegeben. Soweit der Antrag der Mutter, dem Vater das Besuchsrecht überhaupt zu verweigern, abgewiesen wurde, liegt daher ein bestätigender Beschluß des Rekursgerichtes vor. Die Rekurswerberin ist somit auf die Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG beschränkt.

Von diesen Anfechtungsgründen macht sie den der Aktenwidrigkeit geltend. Eine Aktenwidrigkeit besteht in einem Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und der darauf beruhenden wesentlichen Tatsachenfeststellungen in der Entscheidung, der nicht das Ergebnis eines richterlichen Werturteils ist (Fasching LB Rdz 1771; vgl. auch MGA, Verfahren außer Streitsachen 2 , § 16/125 f.). Einen solchen Widerspruch kann die Rechtsmittelwerberin jedoch nicht aufzeigen. Mit ihren Ausführungen zu diesem Anfechtungsgrund wiederholt sie vielmehr nur ihren Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Demgemäß ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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