OGH 4Ob353/85

OGH4Ob353/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf A, Salzburger Gold- und Silberschmuckfabrikation, 5017 Salzburg, Rochusgasse 5, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Dr. Eugen Salpius und Dr. ögidius Horvatits, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Eduard B Gesellschaft mbH & Co KG, 2331 Vösendorf, Shopping City Süd top.Nr.4, vertreten durch Dr. Kurt Heller, Dr. Heinz H.Löber, DDr. Georg Bahn, Dr. Werner Huber und Dr. Günther Horvath, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und einstweiliger Verfügung (Streitwert S 500.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28.März 1985, GZ 3 R 5/85-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19.November 1984, GZ 38 Cg 528/84-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten der Beantwortung des Revisionsrekurses (darin enthalten S 1.443,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, den Vertrieb der auf den einen integrierenden Bestandteil der einstweiligen Verfügung darstellenden Fotos abgebildeten Schmuckstücke zu unterlassen. Er brachte vor, es bestehe eine vollkommene Identität in der Ausgestaltung der von ihm entworfenen und vertriebenen und der von der Beklagten vertriebenen Silberschmuckstücke. Es liege lediglich ein Größenunterschied vor. Ihm sei im Sommer 1984 bekannt geworden, daß die Firma Hermann C Gesellschaft mbH Abgüsse des von ihm hergestellten Originalschmucks vorgenommen habe. Das erkläre auch den vorhandenen Größenunterschied, weil beim Abgießen ein Materialschwund auftrete. Die von der Beklagten vertriebenen Schmuckstücke seien den vom Kläger entworfenen sklavisch nachgebildet. Dem Kläger sei nicht bekannt, ob die Beklagte die beanstandeten Schmuckstücke direkt von der Firma Hermann C Gesellschaft mbH oder von ihrer Muttergesellschaft bezogen habe. Der Beklagten sei bekannt, daß sie die von einem Dritten in sittenwidriger Nachahmung hergestellte Ware in Verkehr bringe, weil er sie mit Schreiben vom 3.8.1984 über den Sachverhalt aufgeklärt und aufgefordert habe, den Vertrieb der Ware zu unterlassen.

Die Beklagte erstattete keine öußerung zum Sicherungsantrag. Das Erstgericht verbot der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung, Silbergrandlschmuck, insbesondere Grandlbroschen, Colliers und Armbänder, die von den Schmuckstücken des Klägers abgegossen wurden und aussehen, wie auf den der einstweiligen Verfügung angeschlossenen Fotografien ersichtlichen Abbildungen, zu vertreiben. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Der Kläger ist in Österreich einer der führenden Hersteller von Trachtenschmuck. Die Beklagte, ein Tochterunternehmen der deutschen Firma Eduard B, vertreibt in Österreich im Einzelhandel u.a. in der Betriebsform des Versandhandels auch Silberschmuck. Im Jahr 1977 entwarf der Kläger eine Schmuckserie unter Verwendung echter 'Grandln' (verkümmerte Stoßzähne des Rotwildes) und der für seine Produkte typisch geformten Eichenblätter. Die vom Kläger erzeugten Schmuckstücke tragen auch eine Herkunftspunze. Die Beklagte kündigte auf der Seite 377 ihres Hauptkatalogs 1984/85 '835er Silberschmuck mit echten Grandln' an. Sie verkaufte solche Schmuckstücke unter anderem am 18.7.1984 und 22.8.1984. Die Schmuckstücke entsprechen den vom Kläger entworfenen und vertriebenen Schmuckstücken beim flüchtigen Betrachten in ihrer Ausgestaltung völlig. Sie sind lediglich etwas kleiner als jene des Klägers und die Verarbeitung des vom Kläger hergestellten Schmucks wirkt massiver, qualitativ besser und daher insgesamt höherstehend. Die von der Beklagten angebotenen Schmuckstücke wurden von der in der Bundesrepublik Deutschland etablierten Firma Hermann C Gesellschaft mbH nach Abgüssen des Originalschmucks des Klägers hergestellt. Auf Auftrag der Firma Rudolf A Gesellschaft mbH & Co erließ das Landgericht Traunstein am 1.8.1984 eine einstweilige Verfügung, mit der es der Hermann C Gesellschaft mbH untersagte, derartige

Schmuckstücke anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Mit Schreiben vom 3.8.1984, Beilage J, forderte der Kläger die Beklagte auf, den Vertrieb der nachgeahmten Ware zu unterlassen. Die Beklagte (richtig die Muttergesellschaft der Beklagten) lehnte dies mit Schreiben vom 13.8.1984, Beilage K ab.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die von der Beklagten angebotenen und vertriebenen Schmuckstücke seien eine sittenwidrige Nachahmung der Erzeugnisse des Klägers, weil sie der Nachahmende von Abgüssen der Originalschmuckstücke des Klägers hergestellt habe. Die Beklagte bringe diese sklavisch nachgeahmten Produkte in den Verkehr. Der Händler eines sklavisch nachgeahmten Produktes handle selbst sittenwidrig, wenn er trotz Kenntnis der wettbewerbswidrigen Handlungsweise des Erzeugers der Ware diese Ware weiter anbiete. Ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten sei somit im Hinblick auf die Schreiben Beilage J und K gegeben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Es stellte ergänzend folgendes fest:

Mit Schreiben vom 3.8.1984 Beilage J, teilte der Kläger der Beklagten mit, die von ihr bezogenen Produkte seien sklavische Nachahmungen seiner Schmuckstücke und forderte sie auf, eine angeschlossene Erklärung (eine Verpflichtung zur Unterlassung des weiteren Verkaufs) zu unterfertigen. Darin brachte er der Beklagten auch in Erinnerung, daß er früher an die Muttergesellschaft der Beklagten derartigen Schmuck geliefert habe. Die Muttergesellschaft der Beklagten antwortete auf dieses Schreiben mit ihrem Schreiben vom 13.8.1984 Beilage K, daß die bemängelten Artikel von der Firma Hermann C Gesellschaft mbH hergestellt werden. Es sei zwar richtig, daß sich diese Artikel sehr ähnlich sehen, sie sei aber nicht in der Lage, zu beurteilen, welches Unternehmen die Nachahmung vornehme.

Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, ein Händler der von einem anderen Waren beziehe und vertreibe, die in sittenwidriger Nachahmung eines fremden Erzeugnisses hergestellt seien, verstoße nur dann gegen die guten Sitten, wenn ihm die verbotene Handlungsweise des Herstellers schon beim Erwerb der Ware bekannt gewesen sei. Die bloße Kenntnis der verwechselbaren öhnlichkeit der beiderseitigen Erzeugnisse reiche nicht aus. Der Einzelhändler dürfe die Waren, die er gutgläubig erworben habe, auch dann weiterverkaufen, wenn er nachträglich erfahren habe, daß diese Waren wettbewerbswidrig hergestellt worden seien. Es sei Sache des Klägers zu behaupten und zu bescheinigen, daß der Beklagte die sklavisch nachgeahmte Ware in Kenntnis der sittenwidrigen Begleitumstände erworben habe. Der Kläger habe aber nicht behauptet, daß der Beklagte die sittenwidrigen Begleitumstände, welche die Herstellung der Ware betreffen, schon beim Erwerb der Ware gekannt habe. Es liege auch kein Bescheinigungsergebnis in dieser Richtung vor.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit den Anträgen, dem Sicherungsantrag stattzugeben, oder die einstweilige Verfügung mit der Abänderung zu erlassen, daß der beklagten Partei aufgetragen werde, vom Zeitpunkt der Zustellung des Antrages auf Erlassung der einstweiligen Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreites den Erwerb und Vertrieb der auf den einen integrierenden Bestandteil der einstweiligen Verfügung darstellenden Fotos abgebildeten Schmuckstücke zu unterlassen.

Die beklagte Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.

Der Kläger bekämpft nicht die Ansicht des Rekursgerichtes, wonach ein Einzelhändler Waren, die er gutgläubig erworben hat, auch dann weiterveräußern darf, wenn er nachträglich erfahren hat, daß diese Waren wettbewerbswidrig hergestellt worden sind. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes und die ständige Judikatur (ÖBl.1961, 46; ÖBl.1981, 98 mit zustimmender Besprechung von Schönherr; ÖBl.1983, 74 u.a.) verwiesen werden. Er meint jedoch, spätestens bei Erhalt des Schreibens vom 3.8.1984 oder der vorliegenden Klage sei die beklagte Partei nicht mehr gutgläubig gewesen, weshalb das Unterlassungsbegehren hinsichtlich aller Schmuckstücke, welche nach diesem Zeitpunkt bezogen und in den Verkehr gebracht worden seien, berechtigt sei.

Dem Kläger ist zuzugeben, daß es nicht seine Sache war, zu behaupten und zu bescheinigen, daß die von der beklagten Partei verkauften Schmuckstücke von dieser nicht gutgläubig erworben wurden. Diesbezüglich war die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs uneinheitlich. In den Entscheidungen ÖBl.1981, 98 (mit zustimmender Besprechung von Schönherr) und ÖBl.1983, 74 wurde ausgesprochen, der Kläger habe zu behaupten und zu bescheinigen, daß der Beklagte die sklavisch nachgeahmten Erzeugnisse trotz Kenntnis der wettbewerbswidrigen Handlungsweise des Erzeugers beziehe und vertreibe. Hingegen verwies die Entscheidung ÖBl.1981, 154 darauf, die Beklagte behaupte gar nicht, daß sie die nachgeahmten Scheren schon vor der Aufforderung zur Unterlassung ihres Vertriebes erworben hätte. In keiner dieser Entscheidungen wurde die Frage der Beweislast näher begründet.

Bei der neuerlichen Prüfung dieser Frage war davon auszugehen, daß nach ständiger Rechtsprechung auch der Händler, der von einem anderen in sittenwidriger sklavischer Nachahmung hergestellte Waren trotz Kenntnis der verbotenen Handlungsweise des Erzeugers weiter bezieht und in seinem Unternehmen absetzt, gegen die guten Sitten verstößt (ÖBl.1981, 115 und 154; ÖBl.1983, 74; 1985, 24). Von dieser Regel besteht allerdings - wie ausgeführt - die Ausnahme, daß der Einzelhändler Waren, die er gutgläubig erworben hat, dann weiterveräußern darf, wenn er erst nachträglich erfahren hat, daß die Waren wettbewerbswidrig hergestellt wurden. Daraus ergibt sich, daß einerseits der Kläger behauptungs- und beweispflichtig dafür ist, daß die vom Beklagten weiterverkauften Waren wettbewerbswidrig hergestellt wurden und zu welchem Zeitpunkt dem Beklagten dieser Umstand mit hinreichender Glaubwürdigkeit zur Kenntnis gelangt ist. Nicht jede Mitteilung an den Beklagten, er verkaufe von einem Dritten wettbewerbswidrig nachgemachte Waren, verpflichtet daher den Beklagten bereits, den Verkauf einzustellen. Es müssen vielmehr für den Händler erkennbar hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sein, daß tatsächlich ein wettbewerbswidriges Verhalten des Erzeugers der Ware vorliegt. Es ist allenfalls Aufgabe des Klägers, dem Beklagten entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Andernfalls wäre es nämlich möglich, daß ein Konkurrent durch die gegenüber Händlern aufgestellte bloße Behauptung, es handle sich bei den betreffenden Waren um wettbewerbswidrig hergestellte, den weiteren Vertrieb der Waren verhindern könnte. Für den Zeitpunkt der Kenntnis des Händlers von der wettbewerbswidrigen Handlungsweise des Erzeugers der Ware, trifft somit als einer anspruchsbegründeten Tatsache den Kläger die Behauptungs- und Beweislast. Hingegen ist es Sache des Beklagten, zu behaupten und zu beweisen, daß er ungeachtet dieser Kenntnis ausnahmsweise berechtigt war, die Eingriffsgegenstände zu verkaufen, weil er sie bereits vor dem Zeitpunkt der Kenntnis von der wettbewerbswidrigen Handlungsweise des Erzeugers erworben hat. Nur eine solche Lösung des Problems der Beweislast, entspricht auch den prakitschen Erfordernissen, ist es doch dem Beklagten möglich, zu beweisen, wann er die Eingriffsgegenstände erworben hat, während dem Kläger in der Regel davon nichts bekannt sein wird. Im vorliegenden Fall ist zwar bescheinigt, daß es sich bei den von der beklagten Partei verkauften Schmuckstücken um von der Firma C Gesellschaft mbH sklavisch nachgemachte Schmuckstücke handelt. Zur Frage, ob und wann der beklagten Partei dieser Umstand bekannt war, hat sich der Kläger in erster Instanz nur auf sein Schreiben vom 3.8.1984 berufen. Dieses Schreiben enthält aber lediglich die Behauptung, es liege eine sklavische Nachahmung vor, ohne daß der beklagten Partei irgendwelche Beweise dafür übermittelt oder angeboten worden wären. Der Hinweis, der Kläger habe früher an die Muttergesellschaft der beklagten Partei derartige Schmuckstücke geliefert, ist ohne weitere Ausführungen nicht geeignet, der beklagten Partei hinreichend darzutun, daß es sich bei dem Schmuck um sklavisch nachgeahmten handelt. Mit Recht verwies daher die Muttergesellschaft der beklagten Partei in ihrem Antwortschreiben darauf, daß sie nicht in der Lage sei, zu beurteilen, welche Gesellschaft die Nachahmung vornehme. Damit ist aber nicht bescheinigt, daß der beklagten Partei im Zeitpunkt der erwiesenen Verkäufe bekannt war, daß es sich um eine sklavische Nachahmung handelte. Da nur einer der als erwiesen angenommenen Verkäufe nach dem Schreiben vom 3.8.1984 nämlich am 22.8.1984 vorgenommen wurde, kann auch im Hinblick auf den Zeitpunkt des Verkaufes nicht gesagt werden, der beklagten Partei sei damals bereits die sklavische Nachahmung bekannt gewesen. Es braucht daher nicht mehr geprüft zu werden, ob es sich beim Verkauf vom 22.8.1984 um eine Ware handelte, die bereits vor dem Schreiben vom 3.8.1984 von der beklagten Partei erworben wurde, wofür an sich die beklagte Partei behauptungs- und beweispflichtig gewesen wäre. Daß die beklagte Partei nunmehr in Kenntnis der sittenwidrigen Handlungsweise des Herstellers der Schmuckstücke ist, vermag das beantragte Verbot für die Zukunft nicht zu rechtfertigen, weil nicht behauptet und bescheinigt ist, daß die beklagte Partei auch nach Kenntnis von der sklavischen Nachahmung Verkäufe durchgeführt hätte.

Das Rekursgericht hat daher mit Recht den Sicherungsantrag abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, 78, 402 Abs 2 EO.

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