Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.997,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 600 Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte von der beklagten Partei, seiner ehemaligen Arbeitgeberin, die Zahlung eines Betrages von S 63.375,80 samt Anhang mit der Begründung, ihm sei von Seiten der beklagten Partei am 9.9.1980 mitgeteilt worden, sie habe für ihn keinen Bedarf mehr, mit seiner Berufstätigkeit für die beklagte Partei 'sei Schluß'. Der Kläger habe diese Erklärung als Kündigung aufgefaßt, habe aber die Abrechnung vom 9.9.1980 erhalten. Die beklagte Partei habe dann den unrichtigen Standpunkt eingenommen, sie habe ihn entlassen. Eine etwaige Entlassung wäre ungerechtfertigt erfolgt. Der Kläger begehrte die Zahlung der Kündigungsentschädigung für die Zeit bis 31.12.1980 in der Höhe von S 58.067,40 sowie der Urlaubsabfindung von S 5.308,40, jeweils samt Anhang.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Kläger sei in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise entlassen worden, weil er nur an ein bis zwei Tagen in der Woche statt an fünf Tagen gearbeitet habe und weil er eine Leistungsprämie in Form einer B-Decke im Wert von S 4.990,-- dadurch zum Nachteil der beklagten Partei erschwindelt habe, daß er drei Aufträge seines Arbeitskollegen C als seine eigenen ausgegeben habe. Die beklagte Partei habe von dem letztangeführten Sachverhalt erst am 9.10.1980, sohin nach der Entlassung, erfahren.
Der Kläger bestritt das Vorliegen eines Entlassungsgrundes. Da er einige Kunden nicht angetroffen habe, habe er die betreffenden Kundenkarten seinem Kollegen C übergeben. Dieser habe mit drei dieser Kunden abgeschlossen und diese Abschlüsse vereinbarungsgemäß dem Kläger gutschreiben lassen. Die beklagte Partei habe dadurch keinen Schaden erlitten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang der Kündigungsentschädigung von S 58.067,40 samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von S 5.308,40 (Urlaubsabfindung) ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger habe keine mangelhafte Arbeitsleistung erbracht; er sei zwar infolge Austausches von Adressen mit den übrigen Mitarbeitern der beklagten Partei in den Genuß einer 'Prämiendecke' gelangt, doch sei dies im Betrieb der beklagten Partei nicht verboten gewesen. Die Entlassung sei daher ungerechtfertigt.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung, deren abweislicher Teil unangefochten geblieben war, dahin ab, daß es auch den auf Zahlung der Kündigungsentschädigung von S 58.067,40 sA gerichtete Teil des Klagebegehrens abwies. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Die beklagte Partei handelte mit B-Decken. Der Kläger arbeitete als Vertreter der beklagten Partei in Wien. Er erhielt für jede (zum Preis von S 4.990,--) verkaufte Decke eine Provision von S 700,--, ferner Tagesdiäten sowie Nächtigungs- und Kilometergeld. Es kann nicht festgestellt werden, daß die beklagte Partei mit dem Kläger eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden oder ein Mindestmaß von 50 Aufträgen pro Monat vereinbart habe.
Jeder Vertreter erhielt von der beklagten Partei unentgeltlich eine B-Decke im Wert von S 4.990,-- als Leistungsprämie, wenn er mindestens fünfzig Aufträge im Monat (ohne Stornierungen) erzielte. Im Juli 1980 erreichte der Kläger 47 Aufträge. Er erhielt von seinem Kollegen C drei von diesem abgeschlossene Aufträge, um selbst in den Genuß der Leistungsprämie zu gelangen. Der Kläger schrieb zu diesem Zweck den Bestellschein neu und setzte darauf den Namenszug des Bestellers. Später gab er seinem Arbeitskollegen drei Aufträge zurück, wobei nunmehr dieser die Bestellscheine neu schrieb und die Unterschrift der Besteller nachahmte. Auf Grund dieses Austausches erhielt der Kläger unter Berufung auf nunmehr fünfzig Aufträge von der beklagten Partei unentgeltlich eine Decke im Wert von S 4.990,--, die er in der Folge verkaufte. Der Gebietsleiter D war bei diesem Austausch von Aufträgen nicht zugegen. Der Kläger und Helmut C
verheimlichten diesen Austausch.
D sprach am 9.9.1980 die Entlassung des Klägers wegen 'Nichteinhaltung der Wochenarbeitszeit' aus. Von dem 'Austausch' der Aufträge erfuhr D erst einige Tage nach der Entlassung des Klägers. Nachdem er C darüber befragt hatte, verständigte er davon den Geschäftsführer der beklagten Partei, der mit Schreiben vom 9.10.1980 dem Kläger mitteilte, daß ihm erst jetzt der Vorfall mit der Leistungsprämie bekannt geworden sei.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung des Klägers sei zwar nicht wegen Nichteinhaltung einer vereinbarten Arbeitszeit - eine solche Vereinbarung sei nicht erfolgt -, wohl aber wegen der 'erschwindelten Prämiendecke' gerechtfertigt. Infolge dieses Betruges habe der Kläger das Vertrauen seines Arbeitgebers derart erschüttert, daß diesem eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zugemutet werden könne. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzielenden Abänderungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision einen Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Schwergewicht der Revisionsausführungen liegt in dem Versuch des Klägers, sein Verhalten deshalb als verständlich und entschuldbar erscheinen zu lassen, weil die beklagte Partei in ihrem geschäftlichen Verkehr angeblich laufend Wettbewerbsverstöße begehe. Wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer dazu anhalte, 'Tricks und Kniffs im Verkehr mit dem Kunden anzuwenden', dürfe er nicht darüber empört sein, wenn die Arbeitnehmer 'Tricks und Kniffs' auch gegen ihren Arbeitgeber anwenden.
Der Revisionswerber übersieht, daß Gegenstand dieses Prozesses nicht das Verhalten der beklagten Partei im Wettbewerb mit ihren Konkurrenten ist, sondern die Frage der Rechtfertigung seiner Entlassung. Für die Beantwortung dieser Frage sind allein die vom Berufungsgericht getroffenen, für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen maßgebend. Danach hat der Kläger im Zusammenwirken mit einem Arbeitskollegen Urkunden, nämlich Bestellscheine, durch Nachahmung der Unterschrift der Besteller gefälscht und diese von ihm in Wahrheit nicht erzielten Aufträge der beklagten Partei als eigene Aufträge ausgegeben, um auf diese Weise die Leistungsprämie zu erhalten. Dieser Betrug des Klägers ist eine vorsätzliche, gegen die Interessen der beklagten Partei gerichtete Handlung, welche ihn des Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen läßt. Auf einen Schadenseintritt kommt es bei diesem Tatbestand nicht an. Die Entlassung des Klägers ist daher aus dem Grunde des § 27 Z 1, erster Tatbestand, AngG gerechtfertigt (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht, 85 ff).
Der Hinweis des Revisionswerbers auf die Weiterbeschäftigung des Helmut C und auf die darin angeblich zum Ausdruck kommende Auffassung der beklagten Partei, diesen Vorfall nicht als so schwerwiegend anzusehen, daß ihr eine Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers und damit auch des Klägers nicht unzumutbar sei, geht schon deshalb fehl, weil dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO verstößt.
Schließlich kann auch der Auffassung des Revisionswerbers nicht zugestimmt werden, die Entlassung sei infolge verspäteter Geltendmachung des Entlassungsgrundes nicht gerechtfertigt. Der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Entlassung besagt, daß der Arbeitgeber die Entlassung ohne Verzug, das heißt sofort nachdem ihm der Entlassungsgrund bekannt geworden ist, aussprechen muß. Der Arbeitgeber darf aber im Prozeß weitere Entlassungsgründe geltend machen ('nachschieben'). Der Grundsatz der Unverzüglichkeit gilt für den Ausspruch der Entlassung, nicht aber für die Geltendmachung der hiefür maßgebenden Gründe. Für diese genügt es, daß sie vom Arbeitgeber im Prozeß nachgewiesen werden. Eine unrichtige Angabe von Entlassungsgründen bei der Entlassung schadet dann nicht, wenn im Prozeß ein tatbestandsmäßiger Entlassungsgrund nachgewiesen worden ist (Kuderna aaO, 12). Diese Voraussetzung wurde hier erfüllt. Da die Entlassung des Klägers gerechtfertigt ist, fehlt dem auf die Zahlung der Kündigungsentschädigung (§ 29 AngG) gerichteten Begehren die Grundlage.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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