European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00606.840.0906.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig,
a) den durch Rechtsanwalt Dr. Reinhold Moosbrugger vertretenen Beklagten (ds Klara G*****, Reinelde A*****, Irma M*****, Anna B***** und Hans Ö*****) 32.154,75 S (einschließlich 5.400 S Barauslagen und 2.432,25 S USt) und
b) den durch Rechtsanwalt Dr. Otto Schumeister vertretenen Beklagten (ds Hedwig F***** und Magdalena F*****) 32.186,93 S (einschließlich 5.400 S Barauslagen und 2.435,18 S USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Nach dem im Jahre 1981 erfolgen Tod der durch eine fideikommissarische Substitution auf den Überrest beschränkte Vorerbin Gertrud G***** wurden im fortgesetzten Verlassenschaftsverfahren nach dem im Jahre 1937 verstorbenen Ziegeleieigentümer Adolf G***** die Kläger und zwei weitere – in diesem Rechtsstreit nicht beteiligte – Personen als Nacherben des durch das Substitutionsband betroffenen Vermögens eingeantwortet; in das freivererbliche Vermögen der verstorbenen Gertrud G***** sind die Beklagten eingeantwortet worden.
Die Kläger begehrten die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe im Einzelnen näher bezeichneter Bankguthaben und Wertpapiere im Gesamtstreitwert von 2.131.117,15 S. Sie behaupten, diese Vermögenswerte seien von der Vorerbin aus Mitteln des Substitutionsgutes angeschafft worden und gehörten zum Substitutionsnachlass.
Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Sie wendeten ein, dass Gertrud G***** die von der Klage erfassten Vermögenswerte aus Mitteln angeschafft habe, die ihr ohne Beschränkung durch das Substitutionsband zur Verfügung gestanden seien: sie habe nämlich durch Jahre hindurch zum Zwecke der Aufrechterhaltung des vom Substitutionsband betroffenen Ziegeleiunternehmens mit der Firma „F. G*****“ ihr zustehende Gewinne dem Unternehmen als Darlehen – verzinst und wertgesichert – überlassen und schließlich zuletzt eine Forderung von mehr als 3 Mio S gegen die Substitutionsmasse besessen.
Die Kläger bestritten die Richtigkeit der Einwendung der Beklagten. Sie behaupteten, die Ziegeleiunternehmung F. G***** sei seit Jahrzehnten ertraglos gewesen; wenn aber die Belassung eines Gewinnes im Vermögen des Unternehmens notwendig gewesen sein sollte, um dessen Liquidation zu vermeiden, dann könne es sich in Wahrheit nicht um Gewinn gehandelt haben. Gertrud G***** habe die Wertpapiere und Bankguthaben aus den Erlösen gebildet, die sie aus dem Verkauf von Grundstücken des Substitutionsgutes und aus dem Austritt aus dem Vorarlberger Zieglerverband erzielt hätte. Gemäß dem Surrogationsprinzip gehörten diese Vermögenswerte in den Substitutionsnachlass. Dies habe auch dem Wissen und Willen der Vorerbin Gertrud G***** entsprochen, denn sie habe in ihrem Testament den Bestand ihres frei vererblichen Nachlasses ausdrücklich bezeichnet und in einer dem Testament beigehefteten Liste im Einzelnen angeführt: die prozessverfangenen Wertpapiere und Bankguthaben seien dort aber nicht genannt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Beide Vorinstanzen nahmen übereinstimmend im Wesentlichen folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Gertrud G***** führte die Ziegeleiunternehmung F. G***** als Alleininhaberin bis 30. 6. 1967 nach kaufmännischen Grundsätzen fort. Sie war darauf bedacht, das Substitutionsgut den Nacherben zu erhalten, und beließ deshalb die ihr anfallenden Gewinne aus dem Betrieb der Ziegeleiunternehmung im Betriebsvermögen, um möglichst wenig oder gar kein Fremdkapital aufnehmen zu müssen. Da sie aber das Substitutionsgut auch nicht um die ihr zustehenden Gewinne vermehren wollte, erwirkte sie beim Bezirksgericht Feldkirch im Jahre 1953 die Bestellung eines Kollisionskurators zur Vertretung des Unternehmens (als Substitutionsgut) bei der Unterfertigung einer Schuldurkunde, mit welcher klargestellt werden sollte, dass die ihr zustehenden Gewinne nicht zum Substitutionsgut gehörten. In einer zum Jahresabschluss 1953 vom Steuerberater angefertigten Beilage wurden für die Jahre 1938 bis 1952 nicht entnommene Gewinne von 579.166 S ausgewiesen. Diese Tatsache wurde vom Kollisionskurator namens der Firma F. G***** in der Schuldurkunde vom 14. 8. 1953 mit der Erklärung bestätigt, dass die Ziegeleiunternehmung „diesen, aus nicht behobenen Gewinnen zusammengesetzten Betrag an Frau Trude G***** geborene F***** persönlich bei sofortiger Fälligkeit ... (und) ... außerdem ... die ihr ab 1. 1. 1952 (richtig: 1. 1. 1953) weiter anfallenden Gewinne des Unternehmens, deren ziffernmäßige Feststellung in den bezüglichen Bilanzen noch zu erfolgen hat, schuldet, wobei die Fälligkeit mit dem Tage der jeweiligen Genehmigung dieser Bilanzen durch das Finanzamt Feldkirch einvernehmlich festgelegt wird ... Frau Trude G***** geborene F***** überlässt den ... ausgewiesenen Betrag von 579.166 S sowie die weiter anerlaufenden, ihr persönlich zustehenden Gewinne ab 1. 1. 1952 (richtig: 1. 1. 1953) in der vom Finanzamt Feldkirch genehmigten ziffernmäßigen Höhe der Firma F. G***** auf unbestimmte Zeit als Darlehen. Die Firma F. G***** erklärt hiemit die Vertragsannahme und verpflichtet sich:
1) die Darlehenssumme mit 5 % zu verzinsen und diese Zinsen ohne allen Abzug, halbjährig im Nachhinein, von nicht pünktlich bezahlten Zinsen 5 % Verzugszinsen zu bezahlen;
2) die Darlehenssumme auf jeweiliges Verlangen der Darlehensgeberin, welche an keine Kündigungsfrist gebunden ist, zur Gänze und im Umfang ihrer Fälligkeit bar zurückzuerstatten;
3) alle Auslagen zu bestreiten, die aus Anlass der Gewährung dieses Darlehens, der Aufnahme dieser Urkunde, aus dem Grunde der Kündigung, Quittierung, Zedierung und klagsweisen Geltendmachung des Kapitals und Zinsen am jeweiligen Wohnort der Gläubigerin erwachsen können. ...
Zur Erhaltung der Wertbeständigkeit dieser Darlehensforderung wird dem Betrag von 579.166 S der am Tage der Unterfertigung dieser Schuldurkunde in Vorarlberg geltende Baumeisterpreis für je 1.000 Stück Mauerziegel, Normalformat, zugrunde gelegt. ... Den erst künftig fällig werdenden Gewinnanteilen der Frau Trude G***** geborene F***** wird die gleiche Wertrelation zugrunde gelegt, und zwar nach dem Stichtage der Genehmigung der Bilanzen durch das Finanzamt Feldkirch.“
Diese Schuldurkunde wurde am 14. 8. 1953 von Gertrud G***** und vom Kollisionskurator Dkfm. Dr. Erich H***** unterfertigt. Vom Steuerberater wurden in der Folge an nicht behobenen Gewinnen ausgewiesen: Für 1953 104.515,01 S, für 1954 55.394,22 S und für 1955 178.290 S. Im Jahre 1956 ergab sich kein unbehobener Gewinn. Per 31. 12. 1956 betrug der Bestand an nicht behobenen Gewinnen 917.365,89 S netto dh ohne Wertsicherung und ohne Verzinsung.
Gertrud G***** hat im Betrieb der Ziegeleiunternehmung laufend Investitionen vorgenommen: es wurde anstelle einer Raumtrockungsanlage eine Kanaltrockungsanlage gebaut, ein neuer Ofen errichtet und ein Schaufelbagger angeschafft. Während im Jahre 1957 mit 33 Arbeitern 1,4 Mio Einheiten erzeugt wurden, wurden im Jahre 1966 – dem letzten ordentlichen Betriebsjahr – mit 15 Arbeitern 4,7 Mio Einheiten produziert. Die Gewinne des Unternehmens betrugen 1961 169.302 S, 1962 73.239 S, 1963 30.178 S, 1964 72.028 S und – nach einem Verlust von 281.151 S im Jahre 1965 – 1966 19.612 S; das Rumpfwirtschaftsjahr 1967 ergab einen Verlust von 229.176 S. Die vorzeitigen Abschreibungen betrugen 1961 161.039 S, 1962 154.933 S und 1963 20.693 S. Als im Jahre 1964 Dkfm. Dr. G***** die steuerliche Beratung und Betreuung des Unternehmens übernahm, war die Liquiditätslage nicht gut. Die Entnahme der von Gertrud G***** stehengelassenen Gewinne hätte nicht unbedingt Liquiditätsschwierigkeiten verursacht, denn es wäre ohne weiters möglich gewesen, Darlehen aufzunehmen oder Grundstücke zu verkaufen; andernfalls hätten freilich die nicht entnommenen Gewinne zur Vermeidung von Liquiditätsschwierigkeiten im Unternehmensvermögen verbleiben müssen.
Aufgrund des Autobahnbaues war die Zukunft des Ziegeleibetriebs in Gefahr. Es stand nämlich vorher eine 11m tiefe Lehmschicht im Gebiet der heutigen Rheintal‑Autobahn zum Abbau zur Verfügung, die durch den Autobahnbau verloren ging. Um ein anderweitiges abbauwürdiges Lehmvorkommen zu gebrauchen, hätte ein Areal von 7,5 ha angekauft werden müssen. Da dieser Ankauf nicht möglich war, bestand nur die Möglichkeit, den Betrieb durch Umstellung von Ton auf Mergel aufrecht zu erhalten, wozu jedoch eine andere, Millionen‑Investitionen erfordernde Betriebsweise notwendig gewesen wäre. Dazu kam, dass in der Mitte der sechziger Jahre eine Überkapazität der Ziegelwerke bestand; einige Betriebe mussten liquidieren und ein Unternehmen baute derart seine Kapazität aus, dass die künftige Ertragssituation ungünstig war. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Verhältnisse beschloss Gertrud G*****, den Betrieb einzustellen. Wie die nachfolgende Entwicklung der Vorarlberger Ziegeleiunternehmen beweist, war diese Entscheidung maßgebend dafür, dass der Nachlass den Nacherben erhalten werden konnte. Der (Rumpf‑)Jahresabschluss der F. G***** zum 30. 6. 1967 (Zeitpunkt der Einstellung des Betriebs) weist einen Verlust von 229.175,76 S aus. Zu diesem Stichtag bestanden Bank‑ und Darlehensverbindlichkeiten von über 600.000 S. Die Schuld des Unternehmens an Gertrud G***** betrug zu diesem Stichtag 1.717.662,29 S netto (ohne Verzinsung und ohne Wertsicherung); unter Berücksichtigung der Wertsicherung und Verzinsung betrug ihre Forderung aus nicht behobenen Gewinnen weit über drei Millionen Schilling. Gertrud G***** verkaufte 1967 Grundstücke im Ausmaß von 27.573 m 2 zum Preis von 4.675.419 S an die Republik Österreich zum Ausbau der Rheintal‑Autobahn und 1977 weitere Grundstücke zum Preis von 368.960 S an die Gemeinde Götzis zum Straßenausbau; vom Vorarlberger Zieglerverband bekam sie nach Kündigung der Mitgliedschaft ein Abfindungsguthaben von 423.500 S. Mit dem Erlös aus den Grundstücksverkäufen tilgte Gertrud G***** sämtliche Bank‑ und Darlehensverbindlichkeiten und deckte damit auch die in der Jahresrechnung für 1967 ausgewiesenen restlichen Schulden des Unternehmens F. G***** in Höhe von 2.648.832,01 S – einschließlich ihrer eigenen Forderung aus nicht entnommenen Gewinnen in Höhe von 1.717.662,29 S netto – ab. Nach Einholung einer entsprechende Rechtsauskunft bei ihrem Rechtsfreund Rechtsanwalt Dr. Kinz schaffte sie aus den ihr zustehenden stehengelassenen Gewinnen aus dem liquidierten Unternehmen F. G***** die streitverfangenen Wertpapiere an bzw legte sie diese auf die streitverfangenen Sparkonten.
Das Erstgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung an, dass dem Vorerben das uneingeschränkte Eigentumsrecht am Substitutionsgut mit den Rechten und Pflichten eines Fruchtnießers zukomme, und dass dies für den gebundenen Vorerben, umsomehr aber für den befreiten Vorerben gelte; Gertrud G***** habe nicht Nachlassvermögen in ihr Privatvermögen übergeführt, sondern Gewinne des Unternehmens, die ihr als angefallene Früchte gehörten, so dass das Surrogationsprinzip nicht angewendet werden könne. Ihr Testament habe keine Änderung dieser Rechtslage bewirkt. Die Kläger hätten nur die Herausgabe entsprechender Erbquoten verlangen könne, sofern ihnen überhaupt etwas zugestanden wäre.
Das Berufungsgericht verwarf die Beweiswürdigungs‑ und Verfahrensmängelrüge und führte zur rechtlichen Beurteilung der Sache im Wesentlichen an:
Solange eine fideikommissarische Substitution bestehe, behalte der Nachlass seine Eigenständigkeit; der Vorerbe sei Subjekt zweier unterschiedlicher Rechtssphären, nämlich der eigenen und der des Substitutionsnachlasses. Es müsse deshalb bei jeder während der Vorerbschaft eintretenden Veränderung der Rechte und Verbindlichkeiten unterschieden werden, ob sie die Sphäre des Nachlassvermögens oder jene des frei vererblichen Vermögens betreffe. Gegenseitige Rechte und Verbindlichkeiten zwischen Substitutionsvermögen und Eigenvermögen des Erben könnten durch Vereinigung nicht erlöschen und auch während der Vorerbschaft nicht entstehen. Der Vorerbe könne Nutzungen absondern und Geld und andere verbrauchbare Sachen ins frei vererbliche Vermögen überführen. Er dürfe auch seine Forderungen gegen den Substitutionsnachlass befriedigen. Andere Rechtsgeschäfte zwischen den beiden Vermögenssphären dürfe er aber nicht als Insichgeschäfte abschließen, doch könne ein Substitutionskurator für den Nachlass bestellt werden, mit dem er das Rechtsgeschäft mit gerichtlicher Genehmigung schließe ( Ehrenzweig ‑ Kralik , Erbrecht 192 f). Diese Grundsätze seien für die gebundene Vorerbschaft zu beachten und umsomehr dürfe sich der befreite Vorerbe darauf berufen. Er brauche dort, wo der gebundene Vorerbe nur mit Zustimmung eines Substitutionskurators handeln könne, keinen derartigen Vertreter (EvBl 1970/375). Die zwei bestehenden Vermögensmassen, das Substitutionsgut und das freie Vermögen des Vorerben, stünden einander ähnlich wie zwei verschiedene Personen gegenüber, es bestehe aber das Verbot von Insichgeschäften nicht in vollem Umfang. Die Vorerbin Gertrud G***** habe deshalb den Gewinn aus dem Ziegeleiunternehmen F. G***** ohne Beachtung besonderer Formalitäten absondern dürfen. Der Bestellung eines Kollisionskurators hiefür habe es gar nicht bedurft, doch schade seine Bestellung und die Unterfertigung der Schuldurkunde vom 14. 8. 1953 durch ihn auch nicht. Im Übrigen habe er, wenn er das Unternehmen vertrat, ohnedies die Aufgabe zur Vertretung eines bestimmten Teils des Substitutionsgutes, von dem die Absonderung vorgenommen worden sei, innegehabt. Die Absonderung der Gewinne und ihre Überführung ins freie Vermögen der Vorerbin Gertrud G***** sei durch die Errichtung der Schuldurkunde vom 14. 8. 1953 erfolgt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass diese Gewinne dem Unternehmen weiterhin als Darlehen zur Verfügung gestellt wurden. Dies gelte auch für die in den weiteren Jahren angefallenen Gewinne, deren Absonderung bereits in der genannten Schuldurkunde vorgesehen gewesen sei. Ihre tatsächliche Absonderung ergebe sich insbesondere aus der Jahresrechnung für das (Rumpf‑)Geschäftsjahr 1967 und aus der Veräußerungsbilanz 1967, in der sie mit dem Nettobetrag von 1.717.662,29 S als Schuld an Gertrud G***** ausgewiesen seien.
Eines Aufrechnungsgegners bedürfe es im Hinblick auf das Vorliegen zweier getrennter Vermögensmassen, die gegenseitige Rechte und Pflichten haben könnten, ebensowenig wie einer Aufrechnungserklärung formeller Art, weil der Vorerbe seine Forderungen gegen den Substitutionsnachlass ohne das Verbot des Insichgeschäfts befriedigen dürfe. Es stehe fest, dass die Vorerbin Gertrud G***** nach Auflösung des Unternehmens aus dem Bestand des Substitutionsgutes eine Forderung gegenüber diesem gehabt habe, die selbst ohne Berücksichtigung der vereinbarten Wertsicherung und Verzinsung mehr ausmachte, als die streitverfangenen Wertpapiere und Bankguthaben. Die Vorerbin Gertrud G***** habe diese Werte aus dem Erlös von Liegenschaftsverkäufen aus dem Substitutionsgut für sich, dh für ihr freies Vermögen, angeschafft und dadurch die Verbindlichkeiten des Substitutionsgutes ihr gegenüber abgedeckt. Hiezu sei sie berechtigt gewesen, ohne besondere Formvorschriften beachten zu müssen.
An sich gelte auch bei der befreiten Vorerbschaft im Zweifel das Surrogationsprinzip: veräußere also der Vorerbe eine Nachlasssache, so bleibe das Entgelt Nachlassvermögen ( Ehrenzweig ‑ Kralig aaO 196). Für den vorliegenden Fall sei allerdings zu beachten, dass die Vorerbin Gertrud G***** aus ihrem freien Vermögen eine Forderung gegen das Substitutionsgut gehabt habe; die Entnahme eines Teils des Erlöses aus dem Verkauf von Grundstücken des Substitutionsgutes zur Anschaffung von Wertpapieren und Bankguthaben für ihr freies Vermögen sei dadurch gedeckt gewesen, dass sie damit die ihrem freien Vermögen zuzuordnende Forderung gegen das Substitutionsgut befriedigte.
Der befreite Vorerbe sei den Nacherben für Verfügungen, durch die das Nachlassvermögen verringert oder verschlechtert wurde, nicht verantwortlich. Ihn treffe keine Sorgfaltspflicht. Er sei nur von der Schadenersatzpflicht gemäß § 1295 Abs 2 ABGB nicht befreit, wenn die Ausübung seiner Rechte offenbar nur den Zweck gehabt habe, die Nacherben zu schädigen ( Ehrenzweig ‑ Kralik aaO 195 f mwN). Auch arglistiges Handeln wäre ihm untersagt (EvBl 1968/319), doch werde ein derartiger Vorwurf gegen die Vorerbin Gertud G***** hier gar nicht erhoben. Auf die betriebswirtschaftliche Rechtfertigung der Gewinnentnahme komme es deshalb genau so wenig an wie auf die Frage, ob Gertrud G***** das Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen führte. Die Ansicht der Kläger, dass die Vorerbin nur den betriebswirtschaftlichen, nicht aber den bilanzierten Gewinn habe absondern dürfen, sei deshalb unbeachtlich.
Was das Testament der Vorerbin vom 3. 11. 1979 betreffe, in welchem sie das Substitutionsvermögen von ihrem Privatvermögen abgegrenzt und seinen Umfang im einzelnen festgelegt habe, so sei zu bemerken, dass der Wortlaut dieser letztwilligen Verfügung zwar dafür spreche, dass die streitverfangenen Wertpapiere und Bankguthaben von ihr als zum Substitutionsgut gehörig angesehen worden seien, doch habe tatsächlich die Vorerbin diese Vermögensgegenstände zur Begleichung ihrer Darlehensforderung gegen das Substitutionsgut aus dem Verkaufserlös eines Teils dieses Guts erworben, sodass diese Werte ihrem Privatvermögen zugerechnet werden müssten. Dem Testament lasse sich nicht entnehmen, dass sie eine positive Verfügung getroffen hätte, durch die Teile ihres Privatvermögens ins Substitutionsgut zurückgeführt werden sollten. Ihre allenfalls bestandene irrtümliche Ansicht, die streitverfangenen Wertpapiere und Bankguthaben gehörten zum Substitutionsgut, ersetzten aber die Rückführung dieser Werte aus dem freien Vermögen ins Substitutionsgut nicht. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass die Vorerbin über diese Vermögenswerte in ihrem Testament nicht verfügt habe. Die Frage, ob deshalb diese Vermögenswerte ihren gesetzlichen Erben oder den Testamentserben zufallen, sei hier nicht zu beantworten.
Aus den dargelegten Gründen seien die Nacherben nach Adolf G***** nicht berechtigt, von den Erben nach Gertrud G***** die Herausgabe der in der Klage bezeichneten Wertpapiere und Bankguthaben zu verlangen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschied, 300.000 S übersteige.
Die Kläger bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie stellen den Hauptantrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung ihrem Klagebegehren stattzugeben, und begehren hilfsweise, das Berufungsurteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in eine der beiden Vorinstanzen zurückzuüberweisen.
Die Beklagten beantragen, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, denn das Berufungsgericht hat keinesfalls eine neue Tatsachenfeststellung aufgrund der Aussage des Zeugen H***** vor dem Erstgericht getroffen, sondern lediglich in Abhandlung der Beweiswürdigungsrüge in der Berufungsschrift ausgeführt, dass sich „ein Hinweis auf die tatsächliche Durchführung“ des Vorhabens der Vorerbin, über ihre Gewinnanteile zu verfügen, aus der Aussage dieses Zeugen und aus einem weiteren Umstand (Wertpapiere und Guthaben lauten auf den Namen Gertrud G***** oder auf das Losungwort „Trudi“) ergebe.
Auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens infolge Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes liegt nicht vor, denn es steht dem Berufungsgericht frei, aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts (hier S 104 f der Akten = S 28 f des Urteils) weitere Schlüsse im Tatsachenbereich zu ziehen; im Übrigen sind diese Schlüsse auch nicht für das gewonnene Ergebnis unentbehrlich, sondern nur weitere Unterstützungsargumente.
Die Rechtsrüge ist ebenfalls unbegründet.
Die Vorinstanzen haben zunächst die fideikommissarische Substitution, um die es hier geht, zutreffend als eine solche auf den Überrest (sogenannte „befreite Vorerbschaft“) beurteilt und das Berufungsgericht hat die dabei geltenden Grundsätze in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung auch richtig dargelegt. Eine Wiederholung dieser Grundsätze ist deshalb entbehrlich. Zu ergänzen ist nur, dass der Oberste Gerichtshof in konsequenter Befolgung seiner Rechtsprechung zur schikanösen Rechtsausübung iSd § 1295 Abs 2 ABGB auch für den Vorerben eine Schadenersatzpflicht nur unter der Voraussetzung anerkennt, dass die Schädigungsabsicht den einzigen Grund für die Rechtsausübung abgab (so 5 Ob 25, 26/75 = NZ 1977, 90).
Die Ausführungen der Kläger in der Revisionsschrift zur Frage, ob die Vorerbin Gertrud G***** auch noch nach der Liquidierung des zum Substitutionsnachlass gehörigen Unternehmens berechtigt war, die von ihr während des Bestands dieses Unternehmens nicht bezogenen Gewinnen als Forderungen gegen den Substitutionsnachlass geltend zu machen und aus dem Erlös der Veräußerung von Teilen dieses Nachlasses einzuziehen, übersehen Folgendes:
Die Vorerbin Gertrud G***** hat die ihr aus dem Betrieb der zum Substitutionsnachlass gehörigen Ziegeleiunternehmung F. G***** zustehenden Gewinne nicht eingezogen und verbraucht, wozu sie fraglos berechtigt gewesen wäre, sondern unter ausreichender Offenlegung dieser Tatsache durch gehörige Verbücherung in den Geschäftsaufzeichnungen als Darlehen im Betriebsvermögen belassen. Dadurch hat sie in sichtbarer Weise ihre Verfügung über diese Gewinne zu ihren Gunsten zum Ausdruck gebracht. Dieser Vorgang reichte für die wirksame Loslösung der Gewinne aus dem Vermögensbestand des Substitutionsnachlasses und ihre Zueignung durch die Vorerbin vollkommen hin. Es kann doch nicht ernstlich bezweifelt werden, dass die Vorerbin ohne weiteres berechtigt gewesen wäre, diese Gewinne zu beziehen und dann wieder dem Unternehmen zu Betriebszwecken zur Verfügung zu stellen; ein derart überflüssiger Vorgang kann durch die deutlich sichtbare Umwidmung des Gewinnanspruchs in einen solchen auf Zurückzahlung des Darlehens ohne weiteres ersetzt werden. Selbst wenn man dagegen einwendet, für ein solches Rechtsgeschäft, nämlich die Umwandelung des Gewinnanspruchs in eine Darlehensforderung, sei wegen des Verbots von Insichgeschäften (§§ 271 f ABGB; vgl dazu Koziol ‑ Welser , Grundriss I 6 , 142 f) die Vertretung des Substitutionsnachlasses durch einen Kollisionskurator und die Genehmigung dieses Geschäfts durch den Außerstreitrichter notwendig gewesen – ersteres war der Fall, die fehlende gerichtliche Genehmigung der in der Schuldurkunde vom 14. 8. 1953 festgehaltenen Vereinbarung wäre nur für die Wertsicherung und Verzinsung erforderlich gewesen –, so darf doch nicht außer Acht gelassen werden, dass auch im Falle der Nichtigkeit eines Darlehensvertrags das Rückforderungsrecht des Darlehensgebers unzweifelhaft ist. Aus diesen Gründen war die Vorerbin Gertrud G***** jedenfalls berechtigt, nach der Liquidierung des Ziegeleiunternehmens F. G***** ihre Forderung auf Auszahlung jener Beträge, die in den Büchern des Unternehmens nach der Verfügung über die angefallenen Gewinne durch die Vorerbin als Darlehen verzeichnet waren, geltend zu machen und sich aus dem Veräußerungserlös von Gegenständen des Substitutionsnachlasses in Höhe der reinen Darlehensforderung (netto, dh ohne Verzinsung und Wertsicherung) zu befriedigen; dies hat sie auch mit Recht getan.
Die neuerlichen Hinweise der Kläger auf den Inhalt des Testaments der Vorerbin, mit dem sie über ihr freivererbliches Vermögen unter Aufzählung der dazu gehörigen Bestandteile verfügte, ohne die nun streitverfangene Werte zu nennen, bringen keinen neuen Aspekt, der dazu zwänge, die folgerichtigen Überlegungen des Berufungsgerichts in Frage zu stellen. Auf der im Revisionsverfahren unverrückbaren Sachverhaltsebene ist von den Vorinstanzen festgestellt worden, dass die Vorerbin Gertrud G***** die nun streitverfangene Werte aus den ihr zustehenden – als Darlehen im Betriebsvermögen stehengelassenen – Gewinnen aus dem liquidierten Unternehmen F. G*****, die sie aus Veräußerungserträgen realisiert hatte, anschaffte. Diese Werte waren daher auch noch zu Lebzeiten der Vorerbin nicht mehr dem Substitutionsnachlassvermögen zuzurechnen und es liegt keine ausdrückliche oder unzweifelhaft schlüssige nachträgliche Übereignung dieser Werte an die Substitutionsmasse vor.
Aus den dargelegten Erwägungen muss die Revision der Kläger erfolglos bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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