Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des am 25.Mai 1964 geborenen Heinrich A in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Laut dem von einem einhelligen Wahrspruch der Geschwornen ausgehenden Einweisungserkenntnis hat der Genannte jeweils im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit infolge Schwachsinns
I. am 11.Oktober 1984 in Döbriach
1) die am 21.Juni 1975 geborene Natascha B mit Gewalt, indem er sie an der Hand erfaßte und in den Wald zerrte, zur Unzucht, nämlich zur Duldung des Betastens ihres Geschlechtsteiles, genötigt;
2) durch die zu I 1 geschilderte Tathandlung eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;
II. am 11.Oktober 1981 in Döbriach
1) versucht, die am 17.Mai 1976 geborene Carmen B mit Gewalt, indem er sie an der Hand erfaßte und in den Wald zerrte, zur Unzucht, nämlich zur Duldung des Betastens ihres Geschlechtsteiles, zu nötigen;
2) durch die zu II 1 geschilderte Tathandlung versucht, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen;
III. am 17.September 1982 in Dellach
1) versucht, die am 23.Dezember 1973 geborene Michaela C teils mit Gewalt gegen ihre Person, teils durch gegen sie gerichteten Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben widerstandsunfähig zu machen und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, indem er sie mit vorgehaltenem Taschenmesser und durch die wiederholte öußerung, er werde sie stechen, zwang, mit ihm in den Wald zu gehen und sich zu entkleiden, sie zu Boden riß und ihr mit dem Taschenmesser drei Stiche in den Oberbauch und drei Stiche in den Hals versetzte, wobei die Tat neben Kratzwunden an der Vorder- und Rückseite des Körpers sowie im Bereich beider Oberschenkel durch die Stichverletzungen im Bereich des Oberbauches und des Halses eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Michaela C zur Folge hatte;
2) durch die zu III 1 geschilderte Tathandlung versucht, mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf zu unternehmen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung der Unmündigen zur Folge hatte.
Das Erstgericht sprach hiezu aus, daß dem Heinrich A im Falle seiner Zurechnungsfähigkeit die Angriffe auf Natascha B (I/ des Urteilssatzes) und Carmen B (II/ des Urteilssatzes) als Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB sowie als Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB - hinsichtlich des letztgenannten Mädchens in der Entwicklungsstufe des Versuches - und die Handlungen gegen Michaela C (III/ des Urteilssatzes) als Verbrechen der versuchten Notzucht nach § 15, 201 Abs 1 und Abs 2 erstem Fall StGB sowie als Verbrechen des versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach § 15, 206 Abs 1 und Abs 2 erstem Fall StGB zuzurechnen gewesen wären.
Rechtliche Beurteilung
Der Betroffene Heinrich A bekämpft die Anordnung seiner Anstaltsunterbringung mit einer auf die Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Darin vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß die Nötigung einer unmündigen Person zur Unzucht nur als Verbrechen nach § 207 StGB und nicht zusätzlich als Vergehen nach § 204 StGB beurteilt werden darf. Ferner sei die Notzucht an einem unmündigen Mädchen nur als Verbrechen nach § 206 StGB und nicht zusätzlich als Verbrechen nach § 201 StGB zu subsumieren. Daraus leitet der Betroffene ab, daß die Fragestellung an die Geschwornen zu Unrecht von der Möglichkeit solcher Idealkonkurrenzen ausgegangen und daher insoweit verfehlt gewesen sei. Ferner ersieht er eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung darin, daß derartige Tateinheiten nicht negiert würden. Zuletzt erblickt er in der Annahme der genannten Konkurrenzen eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Anlaßtaten.
Diesen Einwänden kommt keine Berechtigung zu.
Die neuere, mit dem überwiegenden Teil des Schrifttums übereinstimmende Rechtsprechung sieht in den Strafbestimmungen der § 206 und 207 StGB gegen den geschlechtlichen Mißbrauch Unmündiger keine speziell abschließende, die Normen zum Schutz vor sexuellen Angriffen mit Brechung oder Beugung des widerstrebenden Willens des Opfers verdrängende Regelung (in diesem Sinn Pallin im WK, Rz 2 zu § 203, Rz 5 zu § 206, Rz 14 zu § 207 sowie frühere Judikatur), sondern hält bei Deliktsbegehung durch Gewalt oder gefährliche Drohung eine zusätzliche Subsumtion unter den Tatbestand des Aggressionsdeliktes für geboten, um den Unrechtsgehalt solcher Taten in seinem ganzen kriminellen Spektrum zu erfassen. Dafür ist die überlegung maßgebend, daß die § 206 f StGB allein die ungestörte sexuelle Entwicklung Unmündiger gewährleisten sollen, ohne daß es auf eine allfällige Einwilligung des Kindes zu den verpönten Vorgängen ankommt, weshalb eine in strafgesetzwidriger Weise erfolgende überwindung des Widerstandes eines Unmündigen gegen geschlechtlichen Mißbrauch als hinzutretende Verletzung der freien Selbstbestimmung eine gesonderte Subsumtion auch unter den hiefür in Betracht kommenden Tatbestand erfordert (EvBl 1984/57; RZ 1985/32; Leukauf-Steininger, Komm 2 , RN 29 zu § 201; RN 22 zu § 202, RN 18 zu § 203, RN 14 zu § 204, RN 13 zu § 206, RN 29 zu § 207; Foregger-Serini, StGB 3 , Anm II zu § 201, Anm IV zu § 202, Anm III zu § 203, Anm II zu § 204). Auf Grund der dargelegten Verschiedenartigkeit der betroffenen Rechtsgüter ist demgemäß die rechtliche Möglichkeit echter Idealkonkurrenz von Beischlaf mit Unmündigen (§ 206 StGB) mit Notzucht (§ 201 StGB) sowie von Unzucht mit Unmündigen (§ 207 StGB) mit Nötigung zur Unzucht (§ 204 StGB) zu bejahen. Eine solche Tateinheit liegt vor, wenn ein strafbares Vorgehen die Merkmale mehrerer Tatbestände aufweist und zur richtigen strafrechtlichen Würdigung eine Subsumtion unter alle zusammentreffenden Tatbestände geboten ist. Dabei kommt es aber nicht darauf an, ob die zusammentreffenden Delikte auch im gleichen Zeitpunkt tatbestandsmäßig vollendet werden können, weshalb der Hinweis des Beschwerdeführers auf die abweichende Regelung der Deliktsvollendung bei der Notzucht einerseits und beim Beischlaf mit Unmündigen andererseits nicht zielführend ist. Es bildet daher kein Hindernis für die Annahme einer Idealkonkurrenz, wenn das Gesetz bei mehreren zusammentreffenden strafbaren Handlungen die Tatvollendung jeweils an unterschiedliche Umstände knüpft; vielmehr kann auch ein vollendetes Delikt mit einem Versuch im Verhältnis ungleichartiger Idealkonkurrenz stehen.
Als Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung im Sinne der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer ferner geltend, daß die Rechtsbelehrung zu der auf das Verbrechen der versuchten Notzucht gerichteten Hauptfrage 5: 'Für die Vollendung ist Vollziehung des Beischlafs (Berührung der Geschlechtsteile) erforderlich, bis dahin liegt Versuch vor' unrichtig ist. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß die Vollendung des Verbrechens der Notzucht nach § 201 StGB die Vollziehung des Beischlafs, mithin conjunctio membrorum erfordert (Leukauf-Steininger 2 § 201 StGB RN 13). Die in der Rechtsbelehrung dem allgemein verständlichen Begriff 'Vollziehung des Beischlafs' in Klammer beigefügte Erläuterung: 'Berührung der Geschlechtsteile' ist somit unrichtig. Diese Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung hat jedoch keine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO zur Folge. Denn ebenso wie die Zulässigkeit von Rechtsmitteln überhaupt (in bezug auf deren Zielrichtung) eine Beeinträchtigung der Rechte (Beschwer) desjenigen voraussetzt, zu dessen Gunsten sie ergriffen werden (§ 282 StPO; SSt 31/54, SSt 26/59 u.v.a.), ist jede Nichtigkeitssanktion nach dem Sinn des Gesetzes nur auf die Behebbarkeit solcher Fehler gerichtet, die zu einer Verletzung der vom Beschwerdeführer vertretenen Interessen der Strafverfolgung oder der Verteidigung geführt hatten oder zumindest ihrer Art nach (in abstracto) führen konnten (EvBl 1983/18; vgl auch Mayerhofer-Rieder 2 § 345 Z 8 StPO, E 7, 20, 26). Da eine Frage nach vollendeter Notzucht nicht gestellt wurde, war eine unrichtige Belehrung über den Beginn der Vollendung dieses Verbrechens nicht geeignet, eine Benachteiligung des Beschwerdeführers herbeizuführen. Im übrigen kann die in der Nichtigkeitsbeschwerde der Rechtsbelehrung ferner unterstellte Aussage, daß auch manuelle Berührungen der Gechlechtsteile zur Deliktsvollendung ausreichen, der Rechtsbelehrung nicht entnommen werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB bejaht und Heinrich A nach dieser Gesetzesstelle in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Mit seiner Berufung begehrt der Betroffene von der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher abzusehen, weil das Fakultätsgutachten lediglich ausspreche, daß eine Wiederholung der Unzuchtsdelikte nicht mit Sicherheit auszuschließen sei, die Zukunftsprognose des Geschwornengerichtes somit auf unzureichender Grundlage beruhe.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Ohne daß noch die vom Betroffenen in seiner Berufung begehrte Vernehmung der Eltern und eines Psychologen erforderlich wäre, ergibt sich schon aus dem Fakultätsgutachten im Zusammenhalt mit dem Vorgutachten, den vorliegenden Tathandlungen und dem Vorleben des Berufungswerbers die Befürchtung, daß der Betroffene unter dem Einfluß seiner geistigen Abartigkeit neuerlich Unzuchtsverbrechen, somit mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, begehen werde. Bei seiner Gefühlskälte, Impulsivität und den Anpassungsstörungen auf sexuellem Gebiet (Fakultätsgutachten, Bd I S 429) sowie bei den vom Betroffenen auch in der Vergangenheit wiederholt begangenen Triebhandlungen, mit ähnlicher Vorgangsweise wie bei den vorliegenden schweren Unzuchtsverbrechen, ist das Geschwornengericht zu Recht von einer ungünstigen Zukunftsprognose im Sinne des § 21 StGB für Heinrich A ausgegangen.
Weil auch alle weiteren Voraussetzungen nach § 21 Abs 1 StGB vorliegen, war der Berufung ein Erfolg zu versagen.
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