Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Hannes A ist schuldig, er hat am 22.Oktober 1984 in Wien als Sicherheitswachebeamter durch die tatsachenwidrige Bekundung einer bereits stattgefundenen Beanstandung und Anzeigeerstattung wegen gesetzwidrigen Parkens in einem auf dem amtlichen Vordruck (Lager Nr. 127) ausgefertigten, mit eigenhändiger Unterschrift und Dienstnummer versehenen Verständigungszettel, somit in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fällt, eine Tatsache mit dem Vorsatz falsch beurkundet, daß diese Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweise dieser Tatsache gebraucht werde. Er hat hiedurch das Vergehen der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach dem § 311 StGB begangen und wird nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 (einhundertachtzig) Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens verurteilt.
Der Tagessatz wird mit 150 (einhundertfünfzig) S bestimmt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Februar 1957 geborene, bei der Alarmabteilung der Bundespolizeidirektion Wien als Sicherheitswachebeamter Dienst versehende Hannes A des Verbrechens des versuchten Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den §§ 15, 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach versuchte er am 22. Oktober 1984 in Wien mit dem Vorsatz, den Staat in seinem konkreten Recht auf Verfolgung und verwaltungsbehördliche Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch zu mißbrauchen, daß er einen Verständigungszettel über die Erstattung der Anzeige auf dem amtlichen Vordruck (Lager Nr. 127) ausstellte, mit seiner Unterschrift und Dienstnummer versah und ihn an seinem im Halteverbot abgestellten PKW anbrachte.
Nach den diesem Schuldspruch zugrundeliegenden, in der Beschwerde unbekämpft gebliebenen Feststellungen ging der Angeklagte am Abend des 22.Oktober 1984 in einem Lokal im 4.Wiener Gemeindebezirk einer Nebenbeschäftigung als Koch nach. Da er keinen freien Parkplatz finden konnte, stellte er seinen Personenkraftwagen an einem mit dem Vorschriftszeichen 'Halten und Parken verboten' (§ 52 Z 13 b StVO) gekennzeichneten Fahrbahnrand ab. Er wußte um dieses Halte- und Parkverbot, weil er bereits zweimal von einem Polizeibeamten wegen verbotswidrigen Parkens in diesem Bereich abgemahnt worden war. Um einer Anzeige wegen des verbotswidrigen Parkens zu entgehen, stellte der Angeklagte die im Akt erliegende (S 11) Verständigung des Inhalts aus, daß wegen verbotswidrigen Parkens 'um 19,15 Uhr in 2. Spur (Halteverbot)' Anzeige erstattet werden müsse, unterfertigte diesen auf dem amtlichen Vordruck ausgefertigten, mit der Stampiglie der Alarmabteilung der Bundespelizeidirektion Wien versehenen Verständigungszettel mit seinem Namen unter Hinzufügung seiner Dienstnummer und befestigte ihn an der Windschutzscheibe seines Fahrzeuges. Schon um 19,06 Uhr entdeckte der Rayonsdienst versehende Sicherheitswachebeamte (der den Angeklagten auch schon früher beanstandet hatte) die Malversation.
Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer nur auf den § 281 Abs. 1 Z 9 lit a (in eventu 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.
Die Rechtsrüge begnügt sich mit dem Hinweis, daß die Tat das Verbrechen des versuchten Amtsmißbrauchs nicht darstellen könne, weil sich der Beschwerdeführer lediglich des 'Strafzetteltricks' bedient hätte, was aber nach der Judikatur zum Vergehen der Täuschung nach dem § 108 Abs. 1 StGB nicht strafbar sei. Damit kommt zum Ausdruck, daß das vom Erstgericht als geschädigt festgestellte konkrete Recht des Staates auf Verfolgung und verwaltungsbehördliche Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung bei der gegebenen Fallkonstellation nicht bestanden habe.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der (von der Beschwerde zitierten) Entscheidung vom 2.Februar 1977, 12 Os 203/77 ( = RZ 1978/36 = ZVR 1978/124), und auch mit Urteil vom 3.Mai 1978, 10 Os 70,71/78, aussprach, kommt eine Bestrafung (nach dem § 108 Abs. 1 StGB) dann nicht in Frage, wenn das Vortäuschen einer bereits stattgefundenen Beanstandung wegen verbotswidrigen Parkens des Fahrzeuges lediglich den Zweck verfolgte, die Ausübung der staatlichen (Verwaltungs-)Strafgewalt wegen einer bereits begangenen Verwaltungsübertretung zu verhindern. Durch eine derartige Tat wird ein über das staatliche ius puniendi hinausgehendes Recht nicht beeinträchtigt. Durch die Anbringung eines die schon eingetretene Beanstandung (und Anzeigeerstattung) signalisierenden Verständigungszettels an der Windschutzscheibe eines vorschriftswidrig geparkten Personenkraftwagens wollte sich der Beschwerdeführer aber - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - nicht 'von vornherein die Möglichkeit eröffnen, sanktionslos die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zu übertreten', vielmehr wollte er, wie im Ersturteil ausdrücklich festgestellt, nur der Anzeigeerstattung wegen des Parkens im Halte- und Parkverbot in diesem Einzelfall entgehen. Die Argumentation der Generalprokuratur geht daher an dem chronologischen Tatablauf vorbei. Der Angeklagte mußte im Hinblick auf die vorhergegangenen zweimaligen Abmahnungen nunmehr mit einer Anzeigeerstattung und Bestrafung rechnen, weshalb er die inhaltlich unrichtige Verständigung herstellte, um dieser (bereits verwirkten) Sanktion zu entgehen, was aber nicht zur Folge haben konnte, daß sein vorschriftswidriges Parken deshalb gerechtfertigt und sanktionslos geworden wäre.
Es trifft zwar zu, daß die Strafnorm des § 302 Abs. 1 StGB - bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale - u.a. auch dann eingreift, wenn das Recht des Staates auf Strafverfolgung geschädigt wird. Die Generalprokuratur vermag jedoch kein aus der Rechtsordnung abgeleitetes Argument dafür vorzutragen, weshalb das für den Bereich des § 108 Abs. 1 StGB anerkannte, in den einschlägigen Verfahrensvorschriften normierte Recht eines Verdächtigen (Beschuldigten, Angeklagten), in einem gegen ihn geführten oder ihm drohenden Strafverfahren, sich überhaupt nicht oder nicht wahrheitsgemäß verantworten zu müssen (§§ 202, 203, 245 Abs. 2 StPO, §§ 33 Abs. 2, 41 Abs. 3 VStG), für einen Beamten, der sich (gerichtlich oder verwaltungsbehördlich) strafbar gemacht hat, nicht gelten sollte und bei ihm eine Tatsachenverschleierung zwecks Hintanhaltung der Bestrafung an sich rechtswidrig sein sollte. Daß seine gesetzlichen Pflichten als Beamter auch die Verpflichtung in sich schließen, sich selbst der Strafverfolgung auszuliefern, kann wohl ernstlich nicht behauptet werden. Bestand aber in diesem Fall keine Verpflichtung des Angeklagten, das Strafverfolgungsrecht des Staates gegen sich selbst zu effektuieren, kann ihm auch die Schädigung dieses Rechts nicht vorgeworfen werden, weshalb eine Verurteilung wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB ausscheidet.
Wenn die Beschwerde aber vermeint, dies müsse zum Freispruch führen, übersieht sie, daß Hannes A seine ihm als Sicherheitswachebeamter abstrakt zukommende Befugnis, derartige Amtshandlungen vorzunehmen, wissentlich mißbrauchte, um sich vor Strafverfolgung zu schützen: Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß er in Vollziehung der der Hoheitsverwaltung zuzurechnenden straßenpolizeilichen Aufgaben des zuständigen Rechtsträgers Gesetzesverstöße (hier: §§ 43 Abs. 1 b 1, 52 Z 13 b, 94 d Z 4, 99 Abs. 3 lit a StVO) unter Heranziehung der Vorschriften des VStG anzuzeigen grundsätzlich berechtigt und (in bezug auf andere) verpflichtet war. Dieser spezielle, aus der Beamteneigenschaft des Täters resultierende Unrechtsgehalt der Tat gebietet die Prüfung, ob der subsidiäre Tatbestand der falschen Beurkundung im Amt nach dem § 311, erster Fall, StGB erfüllt wurde. Auch nach der differenzierten Betrachtungsweise, die nunmehr in das Strafrecht Eingang fand (SSt 50/42), ist ein auf einem amtlichen Vordruck formell einwandfrei von einem hiezu berechtigten Beamten ausgestellter Verständigungszettel als öffentliche Urkunde und nicht etwa nur als schlichte amtliche Urkunde anzusehen, ist doch ein Wirken über die Sicherheitsdienststelle hinaus zum Zweck der Benachrichtigung des Autolenkers von der bevorstehenden Einleitung eines Strafverfahrens durch die Behörde ihre ausschließliche Funktion (vgl. hiezu Kienapfel im WK, Rz 8, 9, 28, 29 und 30 zu § 224 StGB). Gerade diese hinter der Verständigung stehende Rechtsfolge wollte der Angeklagte aber für sich verhindern, weshalb auch unzweifelhaft ist, daß die Urkunde nicht nur im Rechtsverkehr gebraucht werden sollte (was genügt), sondern auch tatsächlich gebraucht wurde. Damit liegen sämtliche Tatbestandserfordernisse des Vergehens nach dem § 311, erster Fall, StGB vor, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde im Sinn des eventualiter geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO Folge zu geben und Hannes A nur wegen des (mit geringerer Strafe bedrohten) Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt schuldig zu erkennen war. Soweit die Beschwerde aber Straflosigkeit der Tat behauptet (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO), war sie als unbegründet zu verwerfen.
Bei der nunmehr nach § 311 StGB vorzunehmenden
Strafneubemessung war nichts erschwerend, mildernd hingegen der bisher unbescholtene Wandel und der Beitrag zur Wahrheitsfindung, zumal sich der Angeklagte nur aus rechtlichen Gründen nicht schuldig bekannt hatte.
Hiebei hatte der Oberste Gerichtshof unabhängig von dem nur auf Herabsetzung der (bedingten achtmonatigen) Freiheitsstrafe gerichteten Berufungsantrag (LSK 1976/20) bei der Abwägung der Strafzumessungsgründe zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldstrafe nach dem § 37 Abs. 1 StGB vorliegen. Dies war zu bejahen, weil eine sechs Monate übersteigende Freiheitsstrafe nicht angebracht wäre und weder spezial- noch generalpräventive Bedenken gegen die Anwendung dieser (milderen) Strafart aufkommen. Trotz der gravierenden Milderungsumstände erfordert der nicht geringe Unrechtsgehalt der Tat doch eine entsprechend spürbare Reaktion, was in der Anzahl der Tagessätze (180) und der sich hieraus ergebenden Ersatzfreiheitsstrafe (§ 19 Abs. 3 StGB) zum Ausdruck kommt. Unter Berücksichtigung des monatlichen Einkommens des Angeklagten als Polizeibeamter (10.500 S) und seines gelegentlichen Nebenverdienstes als Koch und seiner Sorgepflicht für eine nicht berufstätige Gattin und zwei Kleinkinder erscheint ein Einkommensteil von monatlich 4.500 S abschöpfbar (§ 19 Abs. 2 StGB), woraus sich ein Tagessatz von 150 S errechnet. Allerdings fällt bei der nunmehr für die Geldstrafe gesondert vorzunehmenden Beurteilung, ob sie bedingt nachgesehen werden kann (SSt 46/82), zum Nachteil des Angeklagten ins Gewicht, daß er seine ihm als Polizeibeamten gegebenen Möglichkeiten aus eigennützigen Motiven bedenkenlos ausnützte, was die Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB zumindest aus generalpräventiven Rücksichten ausschließt. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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