OGH 7Ob608/85

OGH7Ob608/8511.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr, Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B Allgemeine Versicherungs AG in Wien 1., Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr. Wolfgang Jeannee, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Ladislaus C, und 2.) Friedrich D, beide Kaufleute, und 3.) Robert E OHG, alle in Wien 1.,

Trattnerhof 1 und vertreten durch Dr. Harry Neubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 27.Februar 1985, GZ 41 R 1228/84-22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.Juni 1984, GZ 47 C 548/82-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil in der Hauptsache zur Gänze wieder hergestellt wird, dessen Kostenspruch aber zu lauten hat:

'Die erst- und zweitbeklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei zwei Drittel der Verfahrenskosten, das sind 10.725,86 S (darin 285,33 S Barauslagen und 836,86 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Hingegen ist die klagende Partei schuldig, der drittbeklagten Partei deren mit 3.955,82 S bestimmte Verfahrenskosten (darin 126,67 S Barauslagen und 348,10 S Umsatzsteuer) ebenfalls binnen 14 Tagen zu ersetzen.'

Die erst- und zweitbeklagten Parteien sind weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 7.572,10 S bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin 524 S Barauslagen und 641,14 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die klagende Partei ist schuldig, der drittbeklagten Partei die mit 794,96 S bestimmten Kosten des Kostenrekurses (darin 32 S Barauslagen und 69,36 S Umsatzsteuer) ebenfalls binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die vorliegende Aufkündigung eines Geschäftslokales aus dem Grunde des § 30 Abs 2 Z 7 MRG wurde vom Erstrichter für rechtswirksam erklärt und die erst- und zweitbeklagten Parteien zur Räumung verurteilt. Das Räumungsbegehren gegen die drittbeklagte Partei wurde mangels passiver Klagslegitimation rechtskräftig abgewiesen. Nach den Feststellungen des Erstrichters wurde den beiden noch beklagten Parteien von der Klägerin mit Mietvertrag vom 10. November 1966 das aus den Geschäftslokalen Nr.4 bis 7 des Hauses Wien I., Dorotheergasse 9, bestehende Bestandobjekt zur Benutzung als Geschäftslokal auf unbestimmte Zeit vermietet. Eine Vereinbarung dahin, daß die Beklagten berechtigt wären, das Objekt bloß als Lager zu verwenden, wurde nicht getroffen. Mündliche Nebenvereinbarungen über eine Verwendung als Magazin liegen ebenfalls nicht vor. Bis zum Jahre 1980 haben die Beklagten im Geschäftslokal, das allerdings keinen Eingang von der Straßenseite her hatte, eine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit durch die Ausstellung und den Verkauf von Waren ausgeübt, doch war der Geschäftsgang von Anfang an nicht gut. Seit 1980 wurde das Lokal nur noch als Lager verwendet, es war kein Angestellter mehr dort beschäftigt. Die Beklagten versuchten vielmehr, ein Weitergaberecht für das Objekt zu erlangen, da sie daran keinen Bedarf mehr hatten. Sie hatten zur gleichen Zeit die im Oberstock gemieteten Räumlichkeiten aufgegeben, weil das Möbelgeschäft in der Stadt nicht mehr gut ging. Die Hausverwaltung der klagenden Partei wies von Anfang an darauf hin, daß sie mit dem Zustand der Nichtbenützung nicht einverstanden sei, konnte aber vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes deshalb nicht kündigen. Die Beklagten haben im Mietobjekt nur noch Teppiche, Vasen, Lampen und Handarbeiten zurückgelassen; die Restbestände von Möbeln, die sich vorher dort befunden hatten, wurden teils verkauft und teils in ein anderes Lager gebracht. Auf dem Geschäft gibt es einen Hinweis, daß sich das Büro der Beklagten in Wien 1., Am Trattnerhof befindet. Wenn ein Interessent Dinge, die sich noch im Bestandobjekt befinden, kaufen will, begibt er sich zum Trattnerhof und von dort geht ein Angestellter mit dem Kunden in das Mietobjekt und verkauft ihm die Sachen, die der Kunde wünscht. Die Rechnung wird im Mietobjekt ausgestellt, die Unterlagen aber hiezu vom Trattnerhof mitgenommen. Durchschnittlich kommt etwa einmal im Monat ein solcher Kunde, während der restlichen Zeit wird aus dem Objekt nichts verkauft. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG erfüllt, weil die vermieteten Räumlichkeiten nicht mehr zu einer gleichwertigen wie der im Vertrag bedungenen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden. Der neue Kündigungsgrund sei bewußt entgegen der früheren Rechtsprechung geschaffen worden. Eine Verschweigung des Kündigungsrechtes sei nicht anzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Erst- und Zweitbeklagten Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der gänzlichen Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung, hielt aber die Rechtsrüge für berechtigt. Wohl stelle die Verwendung eines Gassenlokales zu bloßen Magazinszwecken den neuen Kündigungsgrund der ungleichwertigen Verwendung der vermieteten Räumlichkeiten dar, doch liege dieser Fall hier nicht vor, weil die Räume weiterhin, wenn auch weniger intensiv, zu Verkaufszwecken verwendet würden. Von einer bloßen Benützung des Geschäftslokals als Lager könne nicht gesprochen werden, zumal schon der ursprüngliche Verkauf von Möbeln wegen des fehlenden Zuganges von der Straße schlecht verlaufen sei. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil die Entscheidung entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht bloß den Einzelfall betrifft, sondern für alle gleichartigen Fälle der Begriff der gleichwertigen geschäftlichen Betätigung gemäß § 30 Abs 2 Z 7 MRG näher umschrieben werden soll. Die Abgrenzung solcher unbestimmter Rechtsbegriffe ist wegen ihrer Wirkung für künftige Fälle eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (Petrasch, Die ZV-Nov.1983 in der Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1985, 296 f mwN; vgl. auch Fasching, Zivilprozeßrecht, RZ 1890).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber auch berechtigt.

Wie beide Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist der Gesetzgeber des Mietrechtsgesetzes bei der Schaffung des neuen Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 insoweit von der bisherigen Rechtslage bewußt abgegangen, als nun auch die Verwendung der vermieteten Geschäftsräumlichkeiten zu einer Betätigung, die der im Vertrag bedungenen nicht gleichwertig ist oder nicht regelmäßig erfolgt, einen Kündigungsgrund bildet. Die Verwendung eines Gassenlokales zu bloßen Magazinszwecken erfüllt den neuen Kündigungsgrund (Würth-Zingher, Anm.10 zu § 30 MRG, Würth in Rummel, ABGB II, Rz 34 zu § 30 MRG; vgl auch die Gegenüberstellung von Geschäftsräumen und Magazinen in § 1 Abs 1 MRG). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes steht dem aber durchaus gleich, wenn ein Verkaufslokal nur noch als Lager verwendet wird, in das durchschnittlich nur einmal im Monat noch ein Kunde kommt, um Ware zu besichtigen und zu kaufen. Für eine solche, im Warenhandel äußerst seltene Verkaufstätigkeit würde auch ein bloßes Magazin ausreichen. Diese seltene Verwendung des als Geschäftslokal gemieteten Bestandgegenstandes, also die Ausnützung zum Verkauf nur noch in seltenen Ausnahmsfällen und ohne die sonst für ein Verkaufsgeschäft bestimmte Organisation durch Beschäftigung eines Verkäufers, kann entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes keineswegs als gleichwertig angesehen werden. Daran ändert es auch nichts, daß das Bestandobjekt keinen direkten Zugang von der Straße hat, sondern nur durch den Hausflur. Auch ein solches Geschäftslokal kann erfahrungsgemäß für eine dauernde Verkaufstätigkeit genutzt werden. Das aufgekündigte Lokal wurde auch zu diesem Zweck bis 1980 benützt. Entgegen der Ansicht der Revisionsgegnerin handelt es sich im vorliegenden Fall nicht darum, daß der ordentliche Geschäftsgang bloß mit geringerer Intensität stattfinde. In Wahrheit ist ein Kundenbesuch einmal im Monat für die Benützung als Geschäftslokal zu vernachlässigen, weil es sich dabei nicht mehr um eine regelmäßige Verkaufstätigkeit handelt. Der Fall liegt, wie bereits eingangs dargestellt, jenem einer Umwandlung eines Verkaufslokales in ein bloßes Lager durchaus gleich. Der Hinweis der Revisionsgegnerin, das Bestandobjekt sei überhaupt nicht als Verkaufslokal, sondern bloß als Geschäft gemietet worden, geht dabei schon deshalb ins Leere, weil unter einem Geschäftslokal mindestens im Bereich der Wiener City regelmäßig ein Verkaufsgeschäft verstanden wird und der aufgekündigte Bestandgegenstand auch tatsächlich jahrelang als solches verwendet wurde.

Eine Verschweigung des Kündigungsrechtes hat der Erstrichter mit Recht verneint, weil die Bestandgeberin der geänderten Verwendung widersprochen und bald nach dem Inkrafttreten des MRG die Aufkündigung eingebracht hat. Vorher konnte sie aus dem geltend gemachten Grund nicht kündigen, so daß selbst ein verzögerter Widerspruch keinen Rechtsverlust bewirken konnte.

In Ansehung der Revisionsgegner war demnach das Ersturteil wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenrekurs der drittbeklagten Partei im Sinne eines Zuspruches von einem Drittel der Verfahrenskosten erster Instanz ist gemäß § 528 Abs 1 Z 2 ZPO auch nicht mit außerordentlichem Rechtsmittel anfechtbar. Infolge der Wiederherstellung des Ersturteiles haben andererseits die erst- und zweitbeklagten Parteien der klagenden Partei zwei Drittel deren Verfahrenskosten zu ersetzen. Im Berufungs- und Revisionsverfahren hat ebenfalls die klagende Partei gegen die erst- und zweitbeklagten Parteien obsiegt, mit ihrem Kostenrekurs hingegen die drittbeklagte Partei gegen die klagende Partei. Der Höhe nach war die Kostenentscheidung erster Instanz unbekämpft geblieben. Für das Berufungs- und Revisionsverfahren ist Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Z 2 lit a RAT der Betrag von 24.000 S, weil die klagende Partei eine andere Bemessungsgrundlage nicht schon in der Aufkündigung ziffernmäßig geltend gemacht hat; die bloße Vorlage des Mietvertrages reichte nach der angeführten Bestimmung nicht aus.

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