OGH 8Ob52/85

OGH8Ob52/8510.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Alois H*****, vertreten durch Dr. Franz J. Rainer, Rechtsanwalt in Schladming, wider die beklagten Parteien 1.) Firma Gottfried B*****, 2.) V*****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Steger, Rechtsanwalt in St. Johann i. P., wegen S 67.600,‑ ‑ s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17. Dezember 1984, GZ 1 R 311/84‑20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. August 1984, GZ 1 Cg 26/84‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00052.850.0710.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

 

Begründung:

Am 3. 12. 1982 ereignete sich gegen 17,10 Uhr auf der Filzmoser Landesstraße bei der Einfahrt zum Güterweg „Geier“ ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines PKWs Marke VW Passat und Anton E***** als Lenker des von der Erstbeklagten gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten LKWs Marke ÖAF mit einem Satteltiefladeanhänger beteiligt waren. Bei diesem Unfall wurden der Kläger schwer verletzt und sein Fahrzeug beschädigt. Anton E***** wurde wegen dieses Verkehrsunfalls von dem Vorwurf des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 (1. Fall) StGB mit Urteil des Bezirksgerichtes Radstadt rechtskräftig freigesprochen.

Der Kläger forderte unter Anrechnung eines eigenen Verschuldens den Ersatz von 1/4 der ihm entstandenen Schäden von insgesamt S 270.000, sohin S 67.000 s.A. Den Lenker des Fahrzeuges der Erstbeklagten treffe am Zustandekommen des Unfalls ein Mitverschulden, weil er im Zuge seines Rückfahrmanövers nach links in den Güterweg Geier die gesamte Fahrbahn blockiert habe. E***** habe die Straßenverhältnisse gekannt. Obwohl er nicht habe wissen können, wie lange er während dieses Rückfahr‑ und Einbiegemanövers die Fahrbahn versperren werde, habe er sich weder von einer anderen Person einweisen lassen noch habe er das Manöver durch eine entsprechende Warneinrichtung angezeigt. Es wäre ein mehrmaliges Reversieren erforderlich gewesen. Der Kläger habe bei seiner Annäherung aus der Gegenrichtung die am LKW eingeschalteten Drehleuchten wahrgenommen, sei jedoch der Meinung gewesen, es handle sich um ein auf der linken Straßenseite fahrendes Schneeräumgerät. Da er infolge einer Sichtbehinderung durch einen Holzstoß den seine Fahrbahnhälfte zur Gänze blockierenden Tieflader zu spät wahrgenommen habe, sei er gegen diesen Anhänger gestoßen. Am Unfallstag habe es stark geregnet und es sei teilweise Schneematsch gelegen. Weiters wäre es dem LKW‑Lenker bei entsprechender Beobachtung des aus Richtung Filzmoos kommenden Verkehrs möglich gewesen, den aus dieser Richtung heranfahrenden Kläger durch Abgabe eines Schallsignals zu warnen. Der LKW‑Lenker hätte von diesem Fahrmanöver überhaupt Abstand nehmen müssen, weil er es nicht ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer habe verwirklichen können. Darüber hinaus hafteten die Beklagten aus dem Titel der Betriebsgefahr.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, den Kläger treffe das alleinige Verschulden, weil er mit dem PKW mit überhöhter Geschwindigkeit und unaufmerksam gegen den auf der Fahrbahn durch den LKW nach rückwärts geschobenen Anhänger gestoßen sei. Für den Kläger habe eine Sicht auf 155 m bestanden, weshalb die Aufstellung eines Warndreieckes nicht erforderlich gewesen sei. Der Fahrer habe lediglich für eine kurze Zeit an einer völlig übersichtlichen Stelle die Fahrbahn teilweise blockiert, es sei kein mehrmaliges Reversieren erforderlich gewesen. Außerdem seien die Rundumleuchten und die Warnblickanlage eingeschaltet gewesen.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Rechtsmittel zuzulassen und die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens dem Grunde nach unter Feststellung der Haftung der Beklagten zu 1/4 abzuändern.

Das Revisionsgericht hat den Beklagten gemäß § 508 a Abs. 2 ZPO die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, die außerordentliche Revision zu verwerfen, allenfalls dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nur die Frage der Haftung der Beklagten strittig. Diesbezüglich hat das Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Zur Unfallszeit war die für einen aus Richtung Filzmoos kommenden Kfz‑Lenker bestehende Sicht auf die Unfallskreuzung durch einen rechts der Fahrbahn gelagerten Holzstoß leicht beeinträchtigt; die erstmögliche Sicht auf die Unfallstelle eröffnet sich aus einer Entfernung von 155 m. Die Sicht für einen aus Richtung Eben im Pongau kommenden Kraftfahrer beträgt auf die Unfallskreuzung 250 bis 300 m. Im Bereich der Unfallstelle ist die Fahrbahn der Landesstraße 5,60 m breit. Links der Fahrbahn ‑ in Fahrtrichtung des Klägers gesehen ‑ befindet sich dort außerhalb der weißen Begrenzungslinie ein asphaltiertes Bankett mit einer Breite von 60 bis 70 cm, im Anschluß daran ein leicht ansteigendes befahrbares Schotter‑Grasbankett in einer Breite von ca. 50 cm. Dann steigt linksseitig der Landesstraße die Böschung steil an. Rechtsseitig schließt an die Fahrbahn der Landesstraße ebenfalls ein Bankett an, welches ca. 80 bis 100 m vor der Unfallstelle 2 bis 4 m breit und unmittelbar vor der Unfallstelle, also dort, wo sich der Holzstoß befunden hat, 8 bis 9 m breit ist. Der Güterweg „Geier“ zweigt annähernd rechtwinkelig von der Landesstraße ab. An der Fluchtlinie mit der Fahrbahn ist der Einmündungstrichter dieses Güterweges 14,5 m breit. In weiterer Folge verengt sich der Einmündungstrichter bis zum Beginn der 10,1 m innerhalb des Einmündungstrichters gelegenen Brücke auf 4,2 m. Der Güterweg selbst verläuft insgesamt ausgehend von der Fluchtlinie über eine Strecke von 15,6 m geradlinig. Die Brücke ist 5,5 m lang. Im Anschluß an die Brücke verläuft der Güterweg in einer starken Linkskurve und steigt mit rund 10 % an. Im Anschluß an die Linkskurve verläuft der Güterweg parallel zur Filzmooser Landesstraße. Für einen in den Güterweg einfahrenden LKW‑Zug steht ein geradliniges Wegstück von 23 m zur Verfügung. Die Landesstraße fällt im Bereich der Unfallstelle, sowie längere Strecken vorher und nachher mit geringem Gefälle ab. Im Zeitpunkt des Unfalles war die Fahrbahn durch Schnee nicht behindert.

Anton E***** fuhr mit dem LKW‑Zug aus Richtung Eben im Pongau kommend in Richtung Filzmoos. Er hatte den Auftrag, den auf dem Tiefladeanhänger mitgeführten Bagger am Beginn des Güterweges „Geier“ abzuladen. E***** hatte die beiden, am Dach des Führerhauses des von ihm gelenkten LKWs angebrachten gelben Drehblinkleuchten eingeschaltet. Außerdem war am LKW das Abblendlicht in Funktion. Oberhalb der Rückleuchten der Zugmaschine waren Rückscheinwerfer montiert. E***** fuhr zuerst auf seiner rechten Fahrbahnseite ein Stück über die Einmündung des Güterweges hinaus und hielt dann den LKW in einer Weise an, daß die linke Seite des LKW‑Zuges etwa mit der Fahrbahnmitte abschloß oder geringfügig über die Fahrbahnmitte hinaus ragte. Ob er im Zuge seines Rückfahrmanövers die Warnblickanlage des LKW‑Zuges einschaltete, war nicht mehr feststellbar. Er begann sodann den LKW‑Zug nach rückwärts in den Güterweg hineinzulenken. Dieses Manöver unterbrach er auch nicht bis zur Kollision mit dem PKW des Klägers.

Zur gleichen Zeit näherte sich der Kläger mit seinem PKW aus Richtung Filzmoos kommend. Er hielt dabei eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h ein und hatte das Abblendlicht eingeschaltet. Er bemerkte zwar die abgeblendeten Frontscheinwerfer des LKWs und sah auch die gelben Drehblinkleuchten auf dem Dach des Führerhauses, schloß jedoch daraus, daß ihm ein Salzstreuwagen der Straßenverwaltung auf dem Gegenfahrstreifen entgegenkomme. Er setzte deshalb seine Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fort. In der Folge prallte der PKW mit der Vorderseite an die linke vordere Breitseite des Tiefladeanhängers, welcher sich schon zu etwa 2/3 bis 3/4 seiner Länge außerhalb der Fahrbahn der Landesstraße befand. Im Moment des Zusammenstoßes und auch kurz zuvor hatte der Tiefladeanhänger einen Winkel von rund 45 Grad zur Längsachse der Filzmooser Landesstraße erreicht. Der LKW befand sich in leichter Schrägstellung etwa in der Mitte der Fahrbahn der Landesstraße. Der Tiefladeanhänger des LKW‑Zuges wies ein Länge von 7,7 bis 7,8 m ohne Deichsel auf und hatte eine Breite von 2,5 m. Links und rechts der Frontseite des Tiefladeanhängers waren weiße Katzenaugen angebracht, die infolge der zur Unfallszeit salznassen Fahrbahn durch Spritzwasser verschmutzt waren. Beim LKW selbst waren an beiden Breitseiten gelb‑rote Katzenaugen montiert, welche nicht auffallend verschmutzt waren. Der gesamte LKW‑Zug war etwa 16 m lang. Durch die Kollision wurde die gesamte Frontseite des PKWs stark beschädigt, der Tieflader wurde im Bereich der linken Vorderräder beschädigt. Der Kläger erlitt durch den Unfall eine schwere Gehirnerschütterung, eine Rißquetschwunde an der Unterlippe, eine Hüftgelenksluxation links und einen Bruch des rechten Vorderfußes.

Zur Unfallszeit war es bereits dunkel. Vor dem PKW‑Lenker war die Umgebung noch in schwachen Konturen erkennbar. Durch das am Fahrzeug des Klägers eingeschaltete Abblendlicht hätte der Kläger ein vor ihm auf der Fahrbahn befindliches Hindernis aus einer Entfernung von 52 m erkennen können. Bei der von ihm eingehaltenen Ausgangsgeschwindigkeit von 70 km/h hätte er über eine Strecke von 52 m anhalten können. Hätte er bei Ansichtigwerden der gelben Drehblinkleuchten des LKW‑Zuges kurzzeitig das Fernlicht eingeschaltet, wäre das auf der Fahrbahn befindliche Hindernis in einer noch größeren Entfernung erkennbar gewesen. Die am LKW‑Zug befindlichen Katzenaugen waren für ihn in Annäherung an die Unfallstelle nicht erkennbar. Erkennbar für ihn waren jedoch die schattenhaften Umrisse des Tiefladers und der auf diesem abgezeichneten Widerschein des Rückscheinwerfers der Zugmaschine. Hätte er bei Annäherung an die Unfallstelle die Fahrgeschwindigkeit geringfügig von 70 auf 60 km/h reduziert, hätte er noch aus einer Entfernung von 40 m vor dem Tieflader seinen PKW vor diesem zum Stillstand bringen können. Dem Lenker des LKWs wäre es möglich gewesen, diesen in das geradlinige Wegstück des Güterweges „Geier“ von 23 m vollständig in einem Zug hineinzufahren. Um den Tieflader auch teilweise in die Linkskurve des Güterweges „Geier“ hineinzulenken, wäre ein abermaliges Vorfahren und anschließendes Reversieren notwendig gewesen. Um die Fahrbahn der Landesstraße in einem Rückfahrvorgang vollständig zu räumen, hätte der Lenker des LKW‑Zuges rund 20 bis 25 Sekunden benötigt.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht den Standpunkt, dem Lenker des LKW‑Zuges könne kein Verschulden angelastet werden. Da anderer Verkehrsteilnehmer aus dem hinter dem LKW‑Zug befindlichen Fahrbahnbereich ebensowenig involviert gewesen seien wie Verkehrsteilnehmer, die allenfalls vom Güterweg „Geier“ hätten kommen können, sei die Frage, ob sich E***** eines Einweisers im Sinne des § 14 Abs. 3 StVO hätte bedienen müssen, ohne Bedeutung. Aus Richtung Filzmoos sei eine Sicht von 155 m gegeben gewesen, sodaß bezüglich der Verkehrslage vor dem LKW‑Zug keine Verpflichtung bestanden habe, einen Einweiser aufzustellen. Vielmehr habe sich E***** mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 3 StVO darauf verlassen können, daß ein aus Richtung Filzmoos kommendes Fahrzeug das von ihm durchgeführte Rückfahrmanöver rechtzeitig bemerken und anhalten würde. Dies insbesondere, weil am LKW‑Zug das Abblendlicht, die Rückstrahlscheinwerfer (während des Zurückfahrens) und die Drehblinkleuchten am Dach des Führerhauses eingeschaltet gewesen seien. Da E***** sofort nachdem er den LKW‑Zug auf den rechten Fahrstreifen kurz zum Stillstand gebracht habe, mit dem Rückfahrmanöver begonnen habe, habe für ihn auch keine Verpflichtung bestanden, ein Warndreieck aufzustellen. Daß er im Zuge des Rückfahrmanövers nicht den linken Blinker eingeschaltet habe, könne ihm nicht zum Vorwurf gemachten werden, weil sich die Gefahr eines Verkehrsunfalls auf Grund der Unaufmerksamkeit eines entgegenkommenden Fahrzeuglenkers dadurch noch erhöht hätte. Ein entgegenkommender Fahrzeuglenker hätte annehmen müssen, daß das links blinkende Kraftfahrzeug nach links abbiegen würde, jedoch noch seine Vorbeifahrt abwarten werde. Schließlich könne E***** auch nicht als Verschulden angelastet werden, daß er sein volles Augenmerk auf das fahrtechnisch schwierige Zurückstoßen gelenkt und seinen Blick nicht mehr in Richtung Filzmoos gerichtet habe. Der Unfall sei einzig auf die unaufmerksame Fahrweise des Klägers und dessen verspätete Reaktion zurückzuführen. Damit scheide auch ein Ausgleich nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EKHG aus.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. Es führte aus, zu den Fahrzeugen des Straßendienstes im Sinne des § 27 Abs. 1 StVO zählten auch Fahrzeuge, die unmittelbar den genannten Zwecken dienen, wie z.B. LKWs, die Baumaterial zur Baustelle befördern und dort abladen. Das Fahrzeug der Erstbeklagten sei diesen Fahrzeugen zuzuordnen, zumal es mit zwei gelb‑roten Warnleuchten (§ 17 Abs. 1 lit. a KFG) ausgestattet war und auf dem angehängten Tieflader einen Bagger befördert habe, der im Bereiche der Einmündung des Güterweges „Geier“ abzustellen war. Nach § 27 Abs. 1 StVO dürften die Lenker derartiger Fahrzeuge u.a. auch auf der linken Fahrbahnseite fahren, wenn durch die Ausstattung dieser Fahrzeuge oder durch sonstige Maßnahmen in ausreichender Weise für die Sicherheit anderer Straßenbenützer gesorgt ist. Gemäß § 27 Abs. 2 StVO hätten alle Straßenbenützer den Fahrzeugen des Straßendienstes, wenn sie sich auf Arbeitsfahrt befinden, insoweit Platz zu machen, als dies zur Erreichung des Zweckes der jeweiligen Arbeitsfahrt notwendig ist. Der Kläger, der bereits auf eine Entfernung von 155 m das mit eingeschalteter Drehblinkleuchte gegen die Straßenmitte zu eingeordnete Fahrzeug der Erstbeklagten wahrgenommen habe, hätte somit aus dem Verhalten des Lenkers auf ein jederzeitiges Zufahren des einem Straßendienstfahrzeug gleichzuhaltenden Fahrzeuges der Erstbeklagten zum linken Fahrbahnrand gefaßt sein müssen und zwar unabhängig davon, ob der Lenker in einem Zug rückwärts fahrend in den Güterweg einzubiegen beabsichtigte oder ob er durch mehrmaliges Reversieren die linke Fahrbahnhälfte durch einen längeren Zeitraum versperren hätte müssen. Bei dieser Verkehrssituation hätte der Kläger unter allen Umständen die Geschwindigkeit des PKWs vermindern müssen, umso mehr, als den anderen nicht bevorzugten Straßenbenützern im § 27 Abs. 2 StVO das Verhalten gegenüber derartigen Fahrzeugen vorgeschrieben sei und sie daher gegenüber diesen Fahrzeugen zu besonderer Vorsicht verpflichtet seien. Der Lenker des Fahrzeuges der Erstbeklagten, der sich bereits im Rückwärtsfahren befand und mit der Zugmaschine an der Straßenmitte eingeordnet war, habe nicht damit rechnen müssen, daß der Kläger seinen Tätigkeiten überhaupt keine Aufmerksamkeit schenken werde. Er sei daher zu einer Beobachtung des aus beiden Fahrtrichtungen kommenden Verkehrs unmittelbar vor dem Einbiegen in den Güterweg nicht verpflichtet gewesen, weil er bei dieser Arbeitstätigkeit auf die ausreichende Warnung durch die am Dach des Führerhauses angebrachten Drehblinkleuchten vertrauen durfte. Es könnte daher die Fragen der Aufstellung eines Warndreieckes, der Beiziehung eines Einweisers, der Abgabe eines akustischen Warnzeichens und der Betätigung des linken Blinkers auf sich beruhen, weil durch die eingeschalteten Drehblinkleuchten die anderen Verkehrsteilnehmer im wesentlichen bereits genügend auf eine Arbeitstätigkeit im Bereich des Fahrzeuges aufmerksam gemacht worden seien. Der Kläger habe damit rechnen müssen, daß in jenem Bereich auch seine Fahrbahnhälfte durch ein Gerät versperrt sei, auch wenn die Drehblinkleuchten bloß das Vorhandensein eines Fahrzeuges des Straßendienstes auf der anderen Fahrbahnhälfte kennzeichneten. Nach der Sachlage könne das Nichtbetätigen des linken Blinkers gegenüber dem reaktionslos heranfahrenden Kläger vernachlässigt werden, weil der Lenker auf die ausreichende Warnung durch die eingeschaltete Drehblinkleuchte habe vertrauen dürfen. Auch liege keine außergewöhnliche Betriebsgefahr vor. Vielmehr könne die vom LKW‑Zug beim ganz langsamen Rückwärtsfahren unter Betätigung der Drehblinkleuchten ausgehende Betriebsgefahr, wobei der Lenker das Fahrzeug unter Kontrolle hatte, als gewöhnliche qualifiziert werden. Abgesehen davon sei im weithin reaktionslosen Heranfahren des Klägers an die Unfallstelle mit der festgestellten Geschwindigkeit bei den gegebenen Umständen, insbesondere trotz der deutlich wahrnehmbaren eingeschalteten Drehblinkleuchten, ein doch recht erhebliches Verschulden gelegen, welches das Schadensereignis in der entscheidenden Weise bewirkt habe. Deshalb seien die Beklagten nicht im Sinne des § 11 EKHG zur Mithaftung für die Unfallsfolgen heranzuziehen gewesen.

In seiner Revision erblickt der Kläger in der Auffassung des Berufungsgerichtes, beim LKW‑Zug der Erstbeklagten habe es sich um ein Fahrzeug gehandelt, das dem im § 27 Abs. 1 StVO bezeichneten Fahrzeugen des Straßendienstes zuzuordnen sei, eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO, die die zweite Instanz unrichtig gelöst habe. In gleicher Weise stelle auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß das Einschalten des Drehlichtes durch den Lenker des Fahrzeuges der Erstbeklagten genügt habe, um dieser keinerlei weitere Vorkehrungen bei Durchführung seines schwierigen Einbiegemanövers zu treffen hatte, wie insbesondere Betätigung des linken Blinkers, Aufstellen eines Warndreieckes sowie Verwendung eines Einweisers, die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO dar. Dies treffe auch auf die Verneinung einer vom Fahrzeug der Erstbeklagten ausgehenden gegenüber dem PKW des Klägers ungleich höheren Betriebsgefahr durch die zweite Instanz und die Unterlassung der Heranziehung der Beklagten zum Scahdensausgleich im Sinn des § 11 Abs. 1 EKHG zu. Bei Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles sei vielmehr eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers dem Grunde nach gerechtfertigt.

Was zunächst die Zulässigkeit der Revision anlangt, fehlt zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Fahrzeug mit eingeschalteten Drehleuchten gemäß § 17 Abs. 1 lit. a KFG einem Fahrzeug des Straßendienstes im Sinn des § 27 Abs. 1 StVO zuzuordnen ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Der Lösung dieser für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Frage des materiellen Rechtes ist aber zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung beizumessen, sodaß die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zu bejahen war. Die genannte Rechtsfrage wurde aber nach Auffassung des Revisionsgerichtes vom Berufungsgericht unrichtig gelöst (§ 503 Abs. 2 ZPO). Gemäß § 27 Abs. 1 StVO in der zum Unfallszeitpunkt geltenden Fassung sind die Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes, wie Streufahrzeuge, Schneeräumfahrzeuge und ‑geräte, Arbeitsmaschinen und sonstige Fahrzeuge, die für den Straßenbau, die Straßenpflege, die Straßenreinigung oder die Instandhaltung der öffentlichen Beleuchtung oder der Straßenbahnanlagen verwendet werden, bei Arbeitsfahrten an die Bestimmungen über das Verhalten bei Bodenmarkierungen und über das Einordnen sowie an Halte‑ und Parkverbote und an die Verbote bezüglich des Zufahrens zum linken Fahrbahnrand nicht gebunden. Weiters dürfen die Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes auch auf der linken Fahrbahnseite fahren, wenn durch die Ausstattung dieser Fahrzeuge oder durch sonstige Maßnahmen in ausreichender Weise für die Sicherheit anderer Straßenbenützer gesorgt ist.

Gemäß § 17 Abs. 1 lit. 1 a KFG müssen Fahrzeuge, die ausschließlich oder vorwiegend zur Verwendung im Bereich des Straßendienstes im Sinne des § 27 Abs. 1 der StVO bestimmt und zur Verrichtung von Streu‑ oder Schneeräumarbeiten besonders gebaut oder ausgerüstet sind, sofern sie nicht ausschließlich oder vorwiegend zur Verwendung auf beleuchteten Straßen bestimmt sind, Warnleuchten mit gelb‑rotem Licht in einer für die Sichtbarkeit des mit ihnen ausgestrahlten Lichtes von allen Seiten erforderlichen Anzahl aufweisen.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes fuhr der von Anton E***** gelenkte LKW‑Zug der Erstbeklagten aus Richtung Eben in Pongau kommend in Richtung Filzmoos. E***** hatte den Auftrag, den auf dem Tiefladeanhänger mitgeführten Bagger am Beginn des Güterweges „Geier“ abzuladen. Der Lenker hatte die beiden am Dach des Führerhauses des LKWs angebrachten gelben Drehblinkleuchten eingeschaltet. Aus diesen Feststellungen ergibt sich zunächst, daß es sich bei dem Fahrzeug der Erstbeklagten weder um ein Streufahrzeug, noch um ein Schneeräumfahrzeug oder ‑gerät, noch um eine Arbeitsmaschine gehandelt hat. Unter „sonstigen Fahrzeugen“ im Sinne des § 27 Abs. 1 StVO, sind solche zu verstehen, die unmittelbar den im § 27 Abs. 1 StVO genannten Zwecken, nämlich der Verwendung für den Straßenbau, die Straßenpflege, die Straßenreinigung, die Instandhaltung der öffentlichen Beleuchtung oder der Straßenbahnanlagen dienen (vgl Dittrich‑Veit‑Schuchlenz , StVO 3 , Anm. 4 zu § 27). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ergeben sich aus den Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß es sich beim LKW‑Zug der Erstbeklagten um ein „sonstiges Fahrzeug“ im Sinn des § 27 Abs. 1 StVO gehandelt hat. Es wurde gar nicht behauptet, geschweige denn festgestellt, daß der LKW‑Zug oder der darauf befindliche Bagger für den Straßenbau oder die Straßenpflege verwendet werden sollte, ebensowenig, daß sich der LKW‑Zug auf einer „Arbeitsfahrt“ befand, was eine weitere Voraussetzung für die Befreiung von der Einhaltung gewisser im § 27 Abs. 1 StVO genannter Bestimmungen der StVO gewesen wäre. Eine solche Arbeitsfahrt läge nämlich etwa bei einer bloßen Fahrt zu einer Arbeitsstelle nicht vor, selbst wenn es sich bei dem betreffenden Fahrzeug etwa um eine beim Straßenbau verwendete Arbeitsmaschine handeln würde (2 Ob 35/81). Aus dem Umstand, daß gemäß § 17 Abs. 1 lit. a KFG Fahrzeuge, die ausschließlich oder vorwiegend zur Verwendung im Bereich des Straßendienstes im Sinn des § 27 Abs. 1 StVO bestimmt und zur Verrichtung von Streu‑ oder Schneeräumarbeiten besonders gebaut oder ausgerüstet sind, Warnleuchten mit gelb‑rotem Licht aufweisen müssen, läßt sich keineswegs schließen, daß alle Fahrzeuge, die mit solchen Warnleuchten ausgerüstet sind, allein schon aus diesem Grunde als Fahrzeuge im Sinn des § 27 Abs. 1 StVO zu beurteilen sind. Handelte es sich aber im vorliegenden Fall beim LKW‑Zug des Erstbeklagten nicht um ein Fahrzeug im Sinn des § 27 Abs. 1 StVO auf Arbeitsfahrt, konnte der Lenker die in dieser Gesetzesstelle festgelegten Begünstigungen nicht für sich in Anspruch nehmen (2 Ob 35/81). Die vom Berufungsgericht aus der Unterstellung des LKW‑Zuges unter die Bestimmung des § 27 StVO abgeleiteten Folgerungen hinsichtlich des Verschuldens des Lenkers treffen daher nicht zu. Insbesondere kann der zweiten Instanz nicht beigepflichtet werden, der Lenker sei zu einer Beobachtung des aus beiden Fahrtrichtungen kommenden Verkehrs unmittelbar vor dem Einbiegen in den Güterweg und während des Einbiegemanövers nicht verpflichtet gewesen, weil er bei dieser „Arbeitstätigkeit“ auf die ausreichende Warnung durch die am Dach des Führerhauses des LKWs angebrachten Drehblinkleuchten vertrauen durfte. Schon in der Unterlassung jeglicher Beobachtung des übrigen Straßenverkehrs trotz Dunkelheit unmittelbar vor und während des Einbiegevorganges mit dem 16 m langen LKW‑Zug in den Güterweg muß daher ein Verschulden des LKW‑Lenkers erblickt werden. Darüber hinaus wäre es ihm nach den Feststellungen möglich gewesen, in einem Zuge in Vorwärtsfahrt in den Güterweg einzubiegen. Es bestand daher keine fahrtechnische Notwendigkeit, das Einbiegen in Rückwärtsfahrt, also mittels eines der allgemeinen Fahrordnung zuwiderlaufenden Fahrmanövers, das die Fahrbahn nach den Feststellungen während eines Zeitraumes von 20 bis 25 Sekunden ganz oder teilweise für andere Fahrzeuge versperrte, vorzunehmen, zumal auch kein Einweiser zur Verfügung stand. Konnte aber der LKW‑Lenker sein Rückwärtsmanöver ohne Behinderung des fließenden Verkehrs, wie sie eine 20 bis 25 Sekunden dauernde teils gänzliche, teils teilweise Blockierung der Fahrbahn ohne Zweifel darstellt, nicht durchführen, hätte er von diesem Vorhaben von vornherein Abstand nehmen müssen (vgl. ZVR 1974/130, ZVR 1980/269, ZVR 1982/175 ua).

Werden aber die dem Kläger nach den Feststellungen zur Last fallenden Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften, die das Berufungsgericht richtig beurteilte, jenen des LKW‑Lenkers gegenübergestellt, so entspricht die vom Kläger angestrebte Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu seinen Lasten nach den Umständen des vorliegenden Falles der Sach‑ und Rechtslage.

Die Fällung eines Zwischenurteiles war nicht möglich, weil hinsichtlich des Verdienstentganges nicht feststeht, ob dieser Anspruch mit einem noch so kleinen Betrag zu Recht besteht ( Fasching , Lehrbuch, Rz 1429, SZ 41/5 ua).

Der Revision war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden, wobei ein Eingehen auf die weiteren Revisionsausführungen entbehrlich war. Im fortgesetzten Verfahren wird daher die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens festzustellen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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