OGH 9Os91/85

OGH9Os91/8510.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Juli 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Angelika A und eine andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 130 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Angelika A und Christine B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 16.April 1985, GZ 23 Vr 467/85-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und ihres Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (u.a.) die am 8.Februar 1967 geborene beschäftigungslose Angelika A und die am 1. August 1966 geborene, gleichfalls beschäftigungslose Christine B des - bei Angelika A teils vollendeten, teils

versuchten - Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 130 (A auch nach § 15) StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie nachstehende fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit

Bereicherungsvorsatz

A) weggenommen, und zwar:

I) Angelika A und (der bereits rechtskräftig abgeurteilte) Josef C in Gesellschaft als Beteiligte am 4. Juni 1984 in Zellbergeben der Anneliese D mindestens 6.500 S Bargeld;

II) Angelika A allein am 30.September 1984 in Innsbruck dem Franz E mindestens 5.300 S Bargeld;

III) Angelika A und Christine B in Gesellschaft als Beteiligte in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, somit gewerbsmäßig:

1. am 13.September 1984 in Mayrhofen der Anna F

Kleidungsstücke im Wert von 15.100 S;

2. Anfang Dezember 1984 in Mayrhofen dem Heinz G zwei Pullover im Wert von 1.200 S;

3. Anfang Dezember 1984 in Mayrhofen in mehreren Angriffen der Maria H drei Pullover im Wert von 1.800 S;

4. Mitte Dezember 1984 in Innsbruck Verfügungsberechtigten des Kaufhauses I zwei Paar Handschuhe im Wert von 600 S;

5. am 18.Jänner 1985 in Mayrhofen dem Mike J einen Anorak im Wert von 3.500 S;

6. am 26.Jänner 1985 in Mayrhofen der Andrea K eine Handtasche mit einem Sparbuch (Guthaben: 50 S) im Wert von 200 S;

7. am 26.Jänner 1985 in Mayrhofen der Brunhilde L, dem Wolfgang M, der Sabine N, der Elisabeth O und der Alice P Schuhe und Bekleidungsstücke im Gesamtwert von

6.500 S;

B) wegzunehmen versucht, und zwar Angelika A allein am 24. August 1984 in Mayrhofen Verfügungsberechtigten des Q ein Deodorant und eine Schachtel Tampons 'OB' im Gesamtwert von 82,40 S.

Rechtliche Beurteilung

Ausdrücklich nur gegen die Annahme der gewerbsmäßigen Begehung der von Punkt A/III des Urteilssatzes erfaßten diebischen Angriffe wenden sich die beiden Angeklagten mit ihren gemeinsam ausgeführten, auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden; die Beschwerden sind nicht berechtigt. Entgegen der in der Rechtsrüge (Z 10) vertretenen Ansicht stehen die nach Meinung der Beschwerdeführerinnen 'zum Teil ziemlich langen Zeiträume' zwischen den in Rede stehenden Tathandlungen der Annahme einer Gewerbsmäßigkeit keineswegs entgegen. Denn abgesehen davon, daß von sieben Angriffen allein sechs innerhalb eines Zeitraumes von weniger als zwei Monaten erfolgten, kommt es nicht darauf an, ob sich der Täter durch die ihm angelasteten Diebstähle tatsächlich eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen vermag, sondern lediglich auf seine mit der Tatverübung verbundene dahingehende Absicht; liegt diese vor, dann kann für die in Rede stehende Qualifikation auch schon eine einzige Tat genügen (vgl SSt 46/16 u. a.). Ebensowenig ist von Belang, zu welchem Zweck ein Täter die Beute zu verwenden beabsichtigt (oder tatsächlich verwendet); es genügt vielmehr, wenn er bei der Tat (jeweils) die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung, also durch die wiederholte Verwirklichung desselben Tatbestands, eine fortlaufende 'Einnahme' in der Bedeutung eines (zwar nicht unbedingt ständigen oder regelmäßigen, aber doch immerhin) während eines längeren Zeitraums vor sich gehenden Zuflusses solche Mittel zu verschaffen, die einen Vermögenswert repräsentieren (vgl 10 Os 172/84).

Für die Beschwerdeansicht hinwieder, daß die Annahme einer Gewerbsmäßigkeit ein 'planmäßiges' Vorgehen des Täters verlange, bietet das Gesetz (§ 70, 130 StGB) keinerlei Anhaltspunkt. Dem Beschwerdevorbringen zuwider hindert daher eine besonders verlockende Gelegenheit zur Tat die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung ebensowenig wie die (behauptete) Begehung der 'meisten Diebstähle unter der Einwirkung von Tabletten', zumal die beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung ausdrücklich erklärten (vgl S 106), sie hätten trotz der eingenommenen Tabletten stets gewußt, was sie taten (vgl zu alledem Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 130 RN 3 und die dort zit. Judikatur). Der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) erhobene - sachlich einen Feststellungsmangel (Z 10) relevierende - Einwand, das Ersturteil lasse Konstatierungen darüber vermissen, seit wann die Angeklagten ohne Beschäftigung und geregeltes Einkommen waren, geht, abgesehen davon, daß er dabei die - auf der Verantwortung (S 106) der beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach A seit zwei Jahren (also seit April 1983) und B seit September 1984 nicht mehr arbeiteten, beruhenden - erstgerichtlichen Feststellungen unberücksichtigt läßt, schon deshalb ins Leere, weil die Annahme einer Gewerbsmäßigkeit keinesfalls die Einkommenslosigkeit des Täters voraussetzt.

Insoweit aber die Angeklagten gegen das Ersturteil ins Treffen führen, die Feststellung, wonach sie beginnend Mitte September 1984 gemeinsam eine Reihe von Diebstählen begingen, betreffe lediglich die Diebsgesellschaft (§ 127 Abs 2 Z 1 StGB), könne aber nicht begründen, weshalb gerade mit 'dem Einbruch' - diese Verbrechensqualifikation liegt den Angeklagten im übrigen gar nicht zur Last - vom 13.September 1984 in Mayrhofen zum Nachteil der Anna F (Punkt A III 1) 'der Beginn der gewerbsmäßigen Begehung festgelegt' werde, bringen sie einen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Denn die Beschwerde gibt zum einen die bezüglichen Urteilsannahmen unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen wieder und stellt demzufolge nicht auf den gesamten Urteilsinhalt ab, sondern übergeht dabei, daß das Schöffengericht gestützt auf die Verantwortung der beiden Angeklagten, wonach sie seit längerer Zeit ohne Beschäftigung und ohne geregeltes Einkommen gewesen seien, mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit zum Ausdruck brachte (vgl S 120), daß die Angeklagten deshalb die gemeinsame Begehung von Diebstählen beschlossen, um sich hiedurch eine fortlaufende Einnahme (insbesondere durch Einsparen von Ausgaben für Bekleidung - S 123) zu verschaffen; mit dem Versuch aber darzutun, daß auf Grund der Verfahrensergebnisse auch andere, für sie günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, unternehmen die Angeklagten nur einen unzulässigen und damit unbeachtlichen Angriff gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer Schuldberufung. Wenn die Angeklagte A schließlich eine 'Aktenwidrigkeit' darin erblickt, daß das Schöffengericht in Ansehung des von ihr am 30. September 1984 allein verübten Diebstahls zum Nachteil des Franz E die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nicht angenommen habe, obwohl die Tatbegehung in den vom Erstgericht 'angenommenen Zeitraum der Gewerbsmäßigkeit' falle, bekämpft sie - abgesehen davon, daß das Schöffengericht die Gewerbsmäßigkeit ausdrücklich auf die Begehung gemeinsamer Diebstähle durch die beiden Angeklagten abgestellt hat - in Wahrheit die Nichtannahme der Verbrechensqualifikation nach § 130 StGB (auch) im Diebstahlsfaktum Punkt A/II des Urteilssatzes; solcherart wird aber das Rechtsmittel nicht zum Vorteil der Angeklagten ausgeführt. Soweit die Angeklagte A in diesem Zusammenhang - der Sache nach eine Nichtigkeit nach Z 9 lit a behauptend - einen dem Erstgericht unterlaufenen Rechtsirrtum in Ansehung des zuletzt bezeichneten Schuldspruchs darin erblickt, daß die 'Bestrafung wegen Gewerbsmäßigkeit die Einzeldelikte konsumiere, sodaß bei der Erstangeklagten der ihr unter A/II vorgeworfene Sachverhalt nicht zu einem Schuldspruch führen' könne, verkennt sie, daß zwar im Fall eines sogenannten fortgesetzten Delikts durch die Verurteilung alle Einzelakte des Täters erfaßt und abgegolten sind, sodaß sich eine derartige Verurteilung nicht nur auf die bei der Urteilsfällung bekannten Einzelakte, sondern auch auf zu diesem Zeitpunkt noch nicht hervorgekommene (weitere) Einzelakte bezieht, deren spätere gesonderte Verfolgung daher ausgeschlossen ist (vgl Leukauf-Steininger aaO § 28 RN 41); keinesfalls wird aber hiedurch in ein und demselben Urteil ein Schuldspruch wegen einzelner Tathandlungen ausgeschlossen, bei denen das Gericht - aus welchen Gründen immer - die Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit für nicht gegeben erachtet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB, und zwar Angelika A unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten und Christine B zu viereinhalb Monaten Zusatz-Freiheitsstrafe, wobei es gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom '13.9.1985' (richtig: 13.März 1985), GZ 36 Vr 4644/84-10, Rücksicht nahm, mit dem sie wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Monaten verurteilt worden war.

Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten die mehrfache Qualifikation der Diebstähle, je eine einschlägige Vorstrafe, den raschen Rückfall und die Begehung von Straftaten trotz Kenntnis von einem gegen sie bereits anhängigen Strafverfahren, bei A außerdem noch die Wiederholung von Diebstählen, bei denen eine gewerbsmäßige Begehung nicht angenommen wurde, als erschwerend, hingegen ihr Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung von Diebsgut, bei A außerdem den Umstand, daß ein diebischer Angriff nur bis zum Versuch gedieh und bei B überdies die Tatbegehung nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres als mildernd.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung

der Strafe an.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Insoweit die beiden Angeklagten die Tatbegehung durch eine besonders verlockende Gelegenheit als (weiteren) Milderungsgrund reklamieren, genügt der Hinweis auf die rechtskräftig festgestellte gewerbsmäßige Tatbegehung; Anhaltspunkte für das Vorliegen von die Annahme des in Rede stehenden Milderungsgrundes rechtfertigenden Tatumständen fehlen aber auch bei den der Angeklagten A allein zur Last liegenden Diebstahlsfsakten. Hinsichtlich des Einwands schließlich, der Angeklagten A könne angesichts der angenommenen Gewerbsmäßigkeit die Begehung und Wiederholung weiterer Diebstähle, bei denen eine gewerbsmäßige Tatbegehung nicht angenommen wurde, nicht als erschwerend angelastet werden, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde (Z 9 lit a) verwiesen werden. Bei den sohin vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründen erscheint das bei beiden Angeklagten festgesetzte Strafmaß (sowohl absolut als auch in Relation zueinander) nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus angemessen, weshalb eine Reduzierung der Strafen nicht in Betracht kam.

Auch den Berufungen mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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