OGH 4Ob519/85

OGH4Ob519/859.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr. Kuderna, Dr. Vogel und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef A sen., Hotelier in Kitzbühel, Reitherstraße, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Rosa B, Hausfrau in Wien 8., Breitenfeldergasse 2, vertreten durch Dr.Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,-) infolge ao. Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15.Jänner 1985, GZ. 3 a R 561/84-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 19.Juli 1984, GZ. 2 C 1052/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 4.468,60 (darin S 370,-- Barauslagen und S 372,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.699,65 (darin S 240,-Barauslagen und S 223,65 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks 3227 in EZ 119 I KG Kitzbühel-Land, deren südlicher Randstreifen in der Natur ein Weg ist. Die Beklagte ist Eigentümerin der daran angrenzenden Grundparzelle 3220/22 in EZ 1455 II KG Kitzbühel-Land; mit dem Eigentum an diesem Grundstück ist das Recht des Gehens und Fahrens über das Grundstück 3227 verbunden.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte Ende August, Anfang September 1982 etwa 14 Tage lang widerrechtlich Dachplatten auf dem erwähnten Weg abgelagert und dadurch in sein Eigentum eingegriffen habe, begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, das Ablagern von Gegenständen auf seinem Grundstück zu unterlassen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe niemals Dachplatten auf dem Nachbargrundstück abgelagert und sich auch nie berühmt, dazu berechtigt zu sein. Auf ihrem Grundstück befinde sich ein Superädifikat, dessen Eigentümer Reparaturarbeiten bei einem Baumeister in Auftrag gegeben habe; letzterer habe - ohne Wissen und Willen des Superädifikatseigentümers und der Beklagten - die beanstandeten Ablagerungen vorgenommen. Da es sich um einen einmaligen, von der Beklagten nicht je vertretenden Vorfall handle, fehle es auch an der Wiederholungsgefahr.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Auf dem Grundstück 3220/22 hat der Sohn der Beklagten, Dr.Hans B, ein Superädifikat errichtet, in welchem er einen konzessionierten Pensionsbetrieb führt.

Nachdem im Winter 1981/82 Schwierigkeiten mit dem Dach der Pension aufgetreten waren, beauftragte Dr. B im Sommer 1982 den Baumeister C mit der Sanierung des Daches. Im Zuge der zur Auftragserteilung führenden Gespräche hatte C dem Sohn der Beklagten die ordnungsgemäße Durchführung der Dachreparatur bzw. Dacherneuerung zugesichert.

In der Folge erwies es sich als notwendig, Dachplatten auszutauschen, weil das Dach neu eingedeckt werden mußte. Im Zuge dieser Arbeiten wurden für die Dauer von etwa 14 Tagen vom Baumeister C Dachplatten auf dem Grundstück des Klägers abgelagert. C informierte davon weder die Beklagte noch deren Sohn. Während der Bauarbeiten hielten sich weder Dr. B noch seine Mutter in Kitzbühel auf.

Daß die Beklagte von den nunmehr beanstandeten Ablagerungen schon zur Zeit ihrer Vornahme Kenntnis gehabt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Sie hat vielmehr von diesem Eigentumseingriff erstmals durch ein Schreiben des Klagevertreters vom 6.10.1982 erfahren, in welchem sie zum Unterlassen weiterer Ablagerungen sowie dazu aufgefordert wurde, dies dem Klagevertreter bis zum 20.10.1982 schriftlich zu bestätigen. Die Beklagte hat keine derartige Bestätigung ausgestellt.

Die in Rede stehende Ablagerung war ein einmaliger Eingriff in das Eigentum des Klägers. Daß weitere Verstöße dieser Art von der Beklagten oder von Dr. Gaber - oder mit deren Zustimmung von anderen Personen - begangen worden wären, konnte nicht festgestellt werden. Rechtlich meinte das Erstgericht, daß die Eigentumsfreiheitsklage des Klägers schon mangels Wiederholungsgefahr abzuweisen sei, weil es sich um einen einmaligen Eingriff gehandelt habe, der weder eine dauernde Störung verursacht habe noch eine Wiederholung besorgen lasse.

Das Berufungsgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz erweise sich die Rechtsrüge des Klägers als begründet: Daß eine Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens durch das Ablagern von Baumaterial auf dem Servitutsweg unzulässig erweitert werde, bedürfe keiner Begründung.

Mit der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB könne jeder in Anspruch genommen werden, von dem ein Eingriff in das Eigentum des Klägers ausgeht; die Klage stehe gegen jeden Störer zu, gleichgültig, ob dieser im eigenen Interesse oder in Vertretung eines Dritten und in dessen Interesse gehandelt habe. Für die von seinem Grund ausgehenden Störungen sei der Eigentümer auch dann verantwortlich, wenn er die von einem anderen errichteten störenden Anlagen aufrecht erhalte oder nicht nachweise, daß er die Störung im konkreten Fall nicht verhindern konnte. Als Eigentümerin der herrschenden Liegenschaft und dinglich Berechtigte habe also die Beklagte - auch wenn sie in Wien wohne und nur selten nach Kitzbühel komme - jedenfalls dafür Sorge zu tragen, daß die ihr zustehende Dienstbarkeit nicht in unzulässiger Weise erweitert wird; den ihr obliegenden Beweis dafür, daß sie die hier beanstandete Störung nicht verhindern konnte, habe sie aber nicht erbracht, so daß ihre Passivlegitimation bejaht werden müsse. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr sei schon durch das Beharren der Beklagten auf ihrem Rechtsstandpunkt gerechtfertigt. Den Beweis, daß ein gleichartiger Eingriff in das Eigentum des Klägers praktisch ausgeschlossen und daher nicht zu befürchten sei, habe die Beklagte nicht erbracht; sie sei vielmehr ihrer Verpflichtung, jede rechtsverletzende Handlung zu verhindern und von vornherein alle gebotenen Vorkehrungen zur Hintanhaltung einer Störung fremden Eigentums zu treffen, nicht entsprechend nachgekommen. Bei dieser Sachlage erweise sich das Unterlassungsbegehren des Klägers als berechtigt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder sie im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils abzuändern.

In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Entscheidung der zweiten Instanz zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels damit, daß die Frage, ob der Vermieter oder Verpächter einer Liegenschaft gemäß § 523 ABGB für einen Eingriff in fremdes Eigentum verantwortlich ist, den - ohne sein Wissen und seinen Willen - ein vom Mieter oder Pächter beauftragter Handwerker begangen hat, vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht beantwortet worden sei; sie wirft damit eine Frage auf, der eine über den Einzelfall hinausgehende, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO nicht abgesprochen werden kann. Damit verbunden ist die weitere Frage nach der Fassung des Klagebegehrens, wenn, wie hier, der mit der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB in Anspruch genommene Beklagte, ohne selbst tätig geworden zu sein, für die Störungshandlungen eines Dritten einzustehen hat. Da das angefochtene Urteil in diesem Punkt von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, hängt die Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel auch insoweit von der Lösung einer - dem Bereich des materiellen Rechtes angehörenden - Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs.4 Z 1 ZPO) ab. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zulässig; sie ist aber auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, daß die sich aus einer unzulässigen Erweiterung einer Dienstbarkeit durch Dritte ergebende Unterlassungspflicht des Grundeigentümers auch dessen Verpflichtung in sich schließt, auf die unmittelbaren Störer im Sinne der Unterlassung weiterer Eingriffe einzuwirken (MietSlg. 33.048 mit weiteren Nachweisen; MietSlg. 35.055 ua; ebenso Petrasch in Rummel, Kommentar zum ABGB I 484 Rz 11 zu § 523). Das bedeutet aber nicht, daß die Eigentumsfreiheitsklage in diesen Fällen auf Unterlassung durch den Beklagten zu richten wäre: Eine persönliche Unterlassungspflicht trifft nur denjenigen, der an der beanstandeten Störung entweder selbst mitgewirkt oder andere dazu veranlaßt hat. Auf Unterlassung einer Handlung, die von anderen begangen worden ist, kann nicht geklagt werden; hier kann vielmehr nur verlangt werden, das Verhalten des tatsächlichen Störers abzustellen, dh. auf ihn in diesem Sinne einzuwirken (MietSlg 35.055 mit weiteren Nachweisen).Ein solches Begehren ist aber gegenüber dem Begehren, derartige Störungen selbst zu unterlassen, kein minus, sondern ein aliud (MietSlg. 22.135, 35.055).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte weder selbst Dachplatten auf dem Grundstück des Klägers abgelagert noch an einem solchen Eingriff mitgewirkt oder ihn sonst irgendwie veranlaßt; der gegen sie erhobene Vorwurf geht vielmehr dahin, daß sie als Eigentümerin des herrschenden Grundstücks nicht alle erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen habe, um eine solche widerrechtliche Benützung des auf dem Nachbargrundstück verlaufenden Servitutsweges durch dritte Personen zu verhindern. Unter diesen Umständen konnte dem auf (unmittelbare) Unterlassung durch die Beklagte selbst gerichteten Klagebegehren von vornherein kein Erfolg beschieden sein; einen auf das Abstellen des störenden Verhaltens Dritter - durch entsprechende Einwirkung auf diese - gerichteten Urteilsantrag hat jedoch der Kläger nicht gestellt. Schon deshalb war der Revision der Beklagten Folge zu geben und in Abänderung der Berufungsentscheidung das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.

Die Verpflichtung des Klägers zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Kostenentscheidung des Ersturteils ist einer überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen, weil der Kostenrekurs der Beklagten vom Landesgericht Innsbruck rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

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