Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben: 'Dem Antrag der Mutter Gisela B vom 22.5.1984, ON 39, auf Enthebung von ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem am 4.7.1968 geborenen Thomas A wird für die Zeit ab dem 10.6.1984 stattgegeben.
Der Antrag des Vaters Klaus A vom 21.11.1984, ON 53, die Mutter Gisela B ab 1.12.1984 zur Leistung eines erhöhten monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.500 für Thomas A zu verpflichten, wird abgewiesen'.
Text
Begründung
Thomas A, geboren am 4.7.1968, ist ein eheliches Kind von Klaus A und Gisela A, deren Ehe mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.11.1976 geschieden wurde. Er wird im Haushalt seines Vaters betreut (Beschluß des Erstgerichtes vom 2.12.1977, ON 22). Gisela A hat eine zweite Ehe mit Albert B geschlossen. Sie war zuletzt nach dem Beschluß des Erstgerichtes vom 14.12.1982, ON 38, zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.400 für Thomas A verpflichtet.
Am 22.5.1984, ON 39, stellte die Mutter den Antrag, sie von ihrer Unterhaltsverpflichtung zu entheben, da sie wegen der Pflege ihres Kleinkindes aus zweiter Ehe, der am 10.6.1983 geborenen Barbara B, keiner Beschäftigung nachgehen könne und nur noch bis zum 10.6.1984 Karenzgeld beziehe.
Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus und stellte am 21.11.1984, ON 53, seinerseits den Antrag, die Unterhaltsverpflichtung der Mutter ab 1.12.1984 entsprechend den gestiegenen Bedürfnissen des Kindes auf monatlich S 2.500 zu erhöhen.
Die Mutter beantragte die Abweisung dieses Antrages (ON 54). Mit Beschluß vom 27.3.1985 wies das Erstgericht den Antrag der Mutter auf Enthebung von ihrer Unterhaltsverpflichtung ab (Punkt 1) und verpflichtete die Mutter, beginnend mit 1.12.1984 für den Minderjährigen Thomas A zusätzlich zum bisherigen Unterhaltsbeitrag von monatlich S 1.400 einen weiteren monatlichen Betrag von S 300, zusammen daher monatlich S 1.700, zu bezahlen; das Mehrbegehren des Vaters wies es ab (Punkt 2). Das Erstgericht traf folgende Feststellungen:
Thomas A besucht noch die Schule und ist einkommenslos. Die Mutter war bis September 1982 im Steinmetzbetrieb ihres nunmehrigen Ehemannes teilzeitbeschäftigt und bezog in der Zeit vom 8.8.1983 bis 10.6.1984 Karenzurlaubsgeld von monatlich S 3.717. Aus ihrer zweiten Ehe stammen zwei Kinder, die am 10.6.1983 geborene Barbara und die am 22.1.1985 geborene Eva. Die Mutter bezieht derzeit kein Karenzurlaubsgeld und hat auch sonst kein regelmäßiges Einkommen. Sie führt den Haushalt für ihre nunmehrige Familie, wofür ihr von ihrem Mann ein monatliches Wirtschaftsgeld von 5.000 S zur Verfügung gestellt wird. Albert B führt einen eigenen Steinmetzbetrieb; den Reinertrag aus diesem Betrieb beziffert er selbst mit S 30.000 monatlich. Albert B hat auch für seine geschiedene Ehefrau sowie für seine beiden Söhne aus erster Ehe, den 15 Jahre alten Emanuel und den 18 Jahre alten Marcelus, zu sorgen; er besitzt Liegenschaftsvermögen, dessen Wert auf S 11,827.000 geschätzt wurde.
In seiner rechtlichen Beurteilung führt das Erstgericht aus, die Mutter habe zwar kein eigenes Einkommen; sie besitze jedoch einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehegatten. Dieser habe es bei der Eheschließung in Kauf genommen, daß seine Frau mit einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Kind aus erster Ehe belastet sei. Er müsse daher im Rahmen seiner ehelichen Beistandspflicht die Mutter bei der Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind aus der Vorehe unterstützen.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sei zwar richtig, daß der Mutter derzeit die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne, weil sie mit der Haushaltsführung und der Betreuung der beiden Kleinkinder aus zweiter Ehe ausgelastet sei. Es könne daher auch nicht im Sinne der Anspannungstheorie ein fiktives Erwerbseinkommen der Mutter zum Zwecke der Unterhaltsbemessung herangezogen werden. Doch habe der Ehegatte der Mutter dieser bei der Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind aus der Vorehe nach Kräften beizustehen. Albert B sei imstande, der Mutter monatlich zusätzlich einen Betrag von S 1.700 zur Verfügung zu stellen, der sie in die Lage versetze, ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind aus der Vorehe nachzukommen.
Die Mutter bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit außerordentlichem Revisionsrekurs. Sie macht geltend, daß ihren Mann aus zweiter Ehe keine Unterhaltsverpflichtung für ihr Kind aus erster Ehe treffe.
Rechtliche Beurteilung
Zu prüfen ist vorerst die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Nach § 14 Abs.2 AußStrG sind (unter anderem) Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Zur Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes gehört die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, sowie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Ein Bemessungsproblem liegt daher vor, wenn ein Streit über das Ausmaß der Unterhaltsbemessung, nicht aber darüber herrscht, ob eine Unterhaltsverpflichtung - dem Grunde nach - überhaupt besteht (SZ 45/87, JBl.1982, 267). Keine Frage der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen stellt es dar, wenn zu prüfen ist, ob einem vermögenslosen und nicht berufstätigen Elternteil eine Verpflichtung zur Leistung eines Unterhaltsbetrages aufzuerlegen ist, weil sein nunmehriger Ehegatte seine finanziellen Verhältnisse so zu gestalten habe, daß er seinem für ein Kind aus erster Ehe unterhaltspflichtigen Ehegatten die für die Unterhaltsleistung erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen kann (EFSlg.44.607). Nur die Beurteilung, inwieweit vom tatsächlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen oder von einem fiktiven, bei Anspannung seiner Kräfte zu erzielenden höheren Einkommen auszugehen ist, gehört zur Bemessung des Unterhalts (1 Ob 720/83).
Es geht im vorliegenden Verfahren nicht um die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Mutter imstande ist, aus eigenen Mitteln, insbesondere aus eigenem Erwerb zum Unterhalt ihres Kindes aus erster Ehe einen Beitrag zu leisten. Es ist nämlich unbestritten, daß die Mutter keine Einkünfte hat und daß ihr eine eigene Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sodaß zum Zwecke der Unterhaltsbemessung auch ein fiktives Einkommen nicht herangezogen werden kann. Zu beurteilen ist vielmehr, ob der nunmehrige Ehegatte der Mutter dieser die Mittel für den ihrem Kind aus erster Ehe zu leistenden Unterhalt zur Verfügung zu stellen hat. Dies aber ist keine Frage der Unterhaltsbemessung. Der Revisionsrekurs der Mutter ist daher nicht nach § 14 Abs.2 AußStrG unzulässig. Aber auch § 16 Abs.1 AußStrG, wonach ein im Verfahren außer Streitsachen bestätigender Beschluß der zweiten Instanz nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität angefochten werden kann, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Ehegatte der Mutter habe dieser auch die Mittel für den ihrem Kind aus erster Ehe zu leistenden Unterhalt zur Verfügung zu stellen, sodaß letztlich diesen auch wirtschaftlich die Unterhaltsverpflichtung trifft, ist offenbar gesetzwidrig. Das Rekursgericht ging davon aus, daß der Mutter eine eigene Berufstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Eigenes, aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit erzielbares Einkommen bildete nicht die Grundlage der Unterhaltsbemessung. Nicht zu den vom unterhaltspflichtigen Ehegatten zu deckenden Bedürfnissen gehört aber, soweit nicht die Voraussetzungen des § 5 USchG gegeben sind - was hier nicht der Fall ist - , dem anderen Ehegatten (zusätzliche) Mittel zu verschaffen, die ihn in die Lage versetzen, seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht Dritten gegenüber nachzukommen. Eine mittelbare Verpflichtung des Ehepartners, den Unterhalt jener Personen zu decken, für die nur sein Ehegatte gesetzlich unterhaltspflichtig ist, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Durch solche Pflichten werden vielmehr die vom Gatten zu deckenden Bedürfnisse nicht erhöht (EFSlg.44.652). Daraus folgt aber, daß vom Ehegatten der Mutter nicht verlangt werden kann, er habe zum Unterhalt ihres Kindes aus erster Ehe durch Erhöhung seiner Unterhaltsleistungen an die Mutter beizutragen.
Gewiß muß ein Ehegatte es hinnehmen, daß der andere Ehegatte Unterhaltspflichtigen gegenüber Dritten hat, wodurch dessen Kräfte, mit denen er zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse beizutragen hat (§ 94 Abs.1 ABGB), herabgesetzt werden (ÖAmtsVmd 1983, 58). Dies bedeutet aber nur, daß dieser Ehegatte sich damit abfinden muß, daß der andere nicht mit dem vollen Betrag seiner Einkünfte seinen Beitrag im Sinne des § 94 Abs.1 ABGB zu leisten vermag, sondern nur mit dem durch die Erfüllung dieser Unterhaltspflichten verminderten. Es bedeutet dagegen nicht, daß im Falle des Mangels eigener Einkünfte des anderen Teils diese Unterhaltspflichten auf ihn übergehen. Der Ehemann der Mutter ist daher entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Ansicht nicht verpflichtet, der Mutter einen entsprechenden Betrag zur Erfüllung ihrer Unterhaltspflichten gegenüber ihrem Kind aus erster Ehe zur Verfügung zu stellen. Der Revisionsrekurs erweist sich damit nicht nur als zulässig, sondern auch als berechtigt, weil die Rekurswerberin ab 10.6.1984 mangels eines Einkommens nicht in der Lage ist, für ihren Sohn aus erster Ehe einen Unterhaltsbeitrag zu leisten.
Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.
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