Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 9455,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 960,- Barauslagen und S 772,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 5.2.1982 ereignete sich unterhalb des Gampen-Restaurants in St. Anton am Arlberg zwischen den Streitteilen ein Schiunfall bei dem beide Verletzungen erlitten. Wegen dieses Unfalles wurde der Beklagte vom Bezirksgericht Landeck zu U 2412/82 rechtskräftig nach § 88 Abs 4 StGB schuldig erkannt, während die Klägerin freigesprochen wurde.
Der Beklagte fuhr von der Bergstation der Sesselbahn Gampen auf der Piste Nr. 41 talwärts. Am Ende dieses Hanges wird die bis dahin ca. 100 m breite und mäßig steile Piste von der Piste Nr. 44 gekreuzt. Im Kreuzungsbereich sind beide Pisten durch Hinweistafeln angezeigt. In diesem Bereich kam es zum Zusammenstoß. Die Klägerin benützte die Piste Nr. 44 derart, daß sie die Piste Nr. 41 von der Fahrtrichtung des Beklagten aus gesehen von links nach rechts queren mußte. Die Piste Nr. 44 führt zuerst unter einem Schrägaufzug durch und mündet dann in die Piste Nr. 41 ein. Die Klägerin blieb vor der Kreuzung der beiden Pisten stehen und schaute zu der Piste Nr. 41 hinauf. Da sie auf diesem Hang keinen Schiläufer sah, fuhr sie in die Piste Nr. 41 ein. Ihre Wegstrecke von ihrem ursprünglichen Standort bis zur Kollissionsstelle ist ca. 40 bis 50 m lang und weist ein leichtes Gefälle auf. Nach ihrer Einfahrt in die Piste Nr. 41 beobachtete die nunmehr in Schrägfahrt befindliche Klägerin das vor ihr liegende Gelände, weshalb sie nicht mehr nach oben schaute.
Der Beklagte fuhr von der Klägerin aus rechts gesehen, auf der Piste Nr. 41 talwärts. Er war gerade dabei, einen langgezogenen Rechtsschwung zu machen, als von oben ein anderer Schiläufer in der Fallinie in Schußfahrt herunterkam. Der Beklagte erschrak wegen dieses Schiläufers und machte einen Linksschwung durch den er nahezu frontal mit der Klägerin zusammenstieß. Er hatte die Klägerin erst im letzten Moment gesehen, weshalb er keine unfallsverhütenden Maßnahmen mehr setzen konnte. Für die Klägerin spielte sich das Geschehen so rasch ab, daß sie den auf sie zukommenden Beklagten vor der Kollision nicht wahrnahm.
Das Erstgericht stellte darüberhinaus die durch den Unfall bedingten Verletzungen der Klägerin sowie die ihr hiedurch erwachsenden Kosten fest.
Die Vorinstanzen haben der Klägerin unter Berücksichtigung eines bereits mit einem Teilanerkenntnisurteil zugesprochenen Betrages von S 63.491,30 und eines im Strafverfahren zuerkannten Betrages von S 5.000,- (an Schmerzengeld) weitere S 218.015,42 zuerkannt und ausgesprochen, daß der Beklagte gegenüber der Klägerin für sämtliche weiteren Unfallsfolgen haftet. Rechtlich vertraten sie den Standpunkt, den Beklagten treffe das alleinige Verschulden an dem Unfall. Das Berufungsgericht führte hiezu im wesentlichen folgendes aus:
Der vom Österreichischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahren erarbeiteten Pistenordnungsentwurf oder die FIS-Regeln stellen zwar keine gültigen Rechtsnormen dar, doch komme ihnen als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisportes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, erhebliche Bedeutung zu. Die Frage des 'Vorrangs' beim Zusammentreffen zweier Schipisten werde bei den bisher entwickelten Verhaltensregeln ausdrücklich offen gelassen. Eine sinngemäße Anwendung der Straßenverkehrsregeln werde in der Lehre abgelehnt. Zwar liege beim Einfahren eines Schifahrers von einer Piste untergeordneter Bedeutung in eine Piste von überwiegender Bedeutung eine dem § 19 Abs 6 StVO vergleichbare Situation vor, weshalb von dem Benützer der untergeordneten Schipiste ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit zu fordern sei, doch könne ein solches besonderes Maß an Aufmerksamkeit nur dann verlangt werden, wenn eine stark unterschiedliche Verkehrsbedeutung klar erkennbar sei. Im Zweifel sei von der Gleichrangigkeit sich kreuzender Pisten auszugehen. Im vorliegenden Fall sei kein Anhaltspunkt für das Verhältnis der beiden Pisten zueinander im Sinne von übergeordnet und untergeordnet gegeben. Demnach könne von einem Vorrang des Beklagten nicht gesprochen werden. Allerdings sei die Klägerin zur Beobachtung der von ihr gekreuzten Piste verpflichtet gewesen, ohne daß ihr eine dem § 19 Abs 6 StVO entsprechende Verpflichtung aufzuerlegen gewesen wäre. Selbst wenn man aber so weit gehe, daß man der Klägerin die Verpflichtung zu einer genaueren Beobachtung des Geschehens auf der von ihr gequerten Piste auferlegen würde, läge ein kausales Mitverschulden ihrerseits nicht vor, weil der Unfall nicht auf mangelnde Beobachtung der Piste Nr. 41 durch die Klägerin sondern darauf zurückzuführen sei, daß der Beklagte durch ein unerwartetes Ausweichmanöver auf die Klägerin zugefahren sei. Auch wenn die Klägerin die Piste Nr. 41 genauer beobachtet hätte, hätte sie mit dem Ausweichmanöver des Beklagten nicht rechnen können. Vielmehr hätte ihr die bisherige Fahrweise des Beklagten ein ungehindertes Fortsetzen ihrer Fahrt ermöglicht. Sohin sei vom Alleinverschulden des Beklagten und demnach von seiner Haftung für sämtliche Schäden der Klägerin auszugehen.
Bezüglich der Ausführungen der Vorinstanzen zu der Höhe des Klagsanspruches kann auf deren Entscheidungen verwiesen werden Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,- nicht jedoch S 300.000,- übersteigt und die Revision für zulässig erklärt.
Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat eingehend die Lehre und Judikatur betreffend das bei Ausübung des alpinen Schisportes zu beobachtende Verhalten dargestellt. In diesem Umfang schließt sich der Oberste Gerichtshof den Ausführungen des Berufungsgerichtes voll-inhaltlich an. Grundsätzlich muß sich beim Schilauf jeder so verhalten, daß er keinen anderen gefährdet, doch darf, soll das Schifahren nicht unmöglich gemacht werden, diese Forderung nicht überspitzt werde (JBl. 1983, 258, SZ 44/178 ua). Richtig ist, daß wer in eine präparierte und markierte Schipiste neu einfährt, sie quert oder in sie wiederum zurückfährt den Vorrang der sie benützenden Schifahrer wahren muß (JBl. 1983, 258 ua). Eine Schipiste quert jedoch nur derjenige, der in flacher Hangschrägspur mit geringem Höhenverlust über die ganze oder einen größeren Teil der Piste fährt (JBl. 1984, 673 ua).
Im vorliegenden Fall kann von einem Queren einer Schipiste oder von einer Einfahrt in diese schon deshalb nicht die Rede sein, weil die Klägerin ihrerseits eine markierte Piste benützt hat. Die aufgezeigten Grundsätze betreffen nur die erstmalige Berührung mit einer markierten Schipiste durch einen Schifahrer der seinerseits keine solche Piste benützt hat. Hat dagegen der den Hang querende Schifahrer ebenfalls eine markierte Piste benützt, so handelt es sich um ein Problem des Kreuzens mehrerer markierter Pisten und nicht um ein Problem des Querens einer solchen Piste auf einer nicht markierten Strecke. Richtig hat für einen solchen Fall das Berufungsgericht die oben aufgezeigten Vorrangsregeln als nicht anwendbar bezeichnet. Daß der im Straßenverkehr geltende Rechtsvorrang keine Gültigkeit für die Ausübung des alpinen Schisportes hat, wurde vom Berufungsgericht ebenfalls richtig dargestellt. Demnach kann das Verhalten zweier Schifahrer, die sich kreuzende Pisten benützen, zueinander nur unter dem Gesichtspunkt der oben dargestellten Regel, wonach sich jeder so zu verhalten hat, daß er keinen anderen gefährdet, beurteilt werden. Geht man von diesem Grundsatz aus, der immer nur eine Beurteilung nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zuläßt, so ist ein für den Unfall kausales Mitverschulden der Klägerin nicht erkennbar. Auf die Frage des Vorranges einer übergeordneten Piste gegenüber einer minder bedeutenden muß hier nicht näher eingegangen werden. Zutreffend verweist nämlich das Berufungsgericht darauf, daß die Abgrenzung zwischen 'übergeordnet' und 'untergeordnet' nur schwer möglich ist, weshalb ein Vorrang voraussetzen würde, daß eine stark unterschiedliche Verkehrsbedeutung der beiden Abfahrtsstrecken vorliegt, wobei der Unterschied so groß sein muß, daß er aus den faktischen Gegebenheiten klar erkennbar ist. Im Zweifel muß bei einer Pistenkreuzung von der Gleichrangigkeit ausgegangen werden. Nach den getroffenen Feststellungen bestand zwischen den beiden Pisten kein derart ins Auge springender Unterschied, daß von einem eindeutigen Vorrang der Piste Nr. 41 gegenüber der Piste Nr. 44 ausgegangen werden könnte. Ein diesbezügliches Vorbringen hat der Beklagte im Verfahren erster Instanz auch gar nicht erstattet. Sohin gehen seine auf den Vorrang der Piste Nr. 41 gegründeten Ausführungen an der Sache vorbei.
Richtig ist, daß die Klägerin bei ihrer Annäherung an die Kreuzung auch die von ihr gekreuzte Piste zu beobachten hatte. Dieser Verpflichtung ist sie zumindest bei der Einfahrt in diese Piste nachgekommen. In der Folge konnte man von ihr eine ständige Beobachtung der Piste Nr. 41 nicht mehr erwarten, weil sie auch verpflichtet war, ihr Augenmerk den Geschehnissen auf ihrer eigenen Piste Nr. 44 zu schenken. Möglicherweise hätte man von ihr noch fallweise Blicke nach rechts verlangen können, wobei es sich hiebei keinesfalls um eine ständige intensive Beobachtung handeln konnte. Nach den getroffenen Feststellungen hätte jedoch die Klägerin durch fallweise Blicke nach rechts die Kollision mit dem Beklagten nicht vermeiden können, weil diese nicht auf ein ständiges Beibehalten der von beiden Schifahrern eingehaltenen Fahrtrichtung zurückzuführen war, sondern darauf, daß der Beklagte im Hinblick auf einen anderen Schifahrer seine Fahrtrichtung abrupt änderte und hiedurch mit der Klägerin nahezu frontal zusammenstieß. Durch die Änderung seiner Fahrtrichtung hat der Beklagte praktisch die von der Klägerin befahrene Piste in der Gegenrichtung benützt. Nach den getroffenen Feststellungen ließ die Richtungsänderung durch den Beklagten der Klägerin keine Möglichkeit, ihr Verhalten auf diese Richtungsänderung einzustellen. Somit kommt einem allfälligen Unterlassen einer zusätzlichen Beobachtung der Piste Nr. 41 durch die Klägerin keine unfallskausale Bedeutung zu.
Entgegen den Ausführungen der Revision ist der auch vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt eindeutig den erstgerichtlichen Feststellungen zu entnehmen. Bezüglich des anzuwendenden Rechtes kann auf die nicht bekämpften Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Auf die Ausmessung des Schmerzengeldes durch die Vorinstanzen war nicht einzugehen, weil es sich bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe unter Zugrundelegung getroffener Feststellungen ein Schmerzengeld im Rahmen des gesetzlichen Ermessens zu bemessen ist um keine solche im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO handelt. Ein Ermessensmißbrauch liegt nicht vor.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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