OGH 3Ob18/85

OGH3Ob18/8526.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A, Gastwirt, 1190 Wien, Heiligenstädterstraße 115, wider die beklagte Partei Leopold B, Pensionist, 1190 Wien, Heiligenstädterstraße 179, vertreten durch Dr.Manfred Melzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 24.Oktober 1984, GZ 41 R 819/84-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 7.Juni 1984, GZ 5 C 956/83-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

'Das Klagebegehren, der Anspruch des Beklagten aus dem Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 12.10. (richtig: 8!) 1983, 5 C 562/83, zu dessen Durchsetzung das Bezirksgericht Döbling mit Beschluß vom 6.10.1983, 5 C 562/83, die Exekution bewilligt hat, sei erloschen, wird abgewiesen.' Die klagende Partei hat der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 22.163,72 S (darin 340,-- S Barauslagen und 1.983,97 S USt.) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 15.772,50 S (darin 180,-- S Barauslagen 1.417,50 S USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 9.558,80 S (darin 192,-- S Barauslagen und 850,80 S USt.) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der am 18.7.1983 beim Bezirksgericht Döbling zu 5 C 562/83 eingebrachten Räumungs- und Pachtzinsklage begehrte Leopold B als Eigentümer des Hauses Wien 19., Heiligenstädterstraße 179, von Franz A als Pächter des dortigen Gasthauses samt Gastgarten und anderen Räumlichkeiten die übergabe des Bestandobjektes und die Bezahlung von S 33.002,57 (Pachtzins für Juni 1983 von S 25.960,-- und fällige Nebenleistungen von S 7.042,57) samt 4 % Zinsen seit 2.6.1983 sowie 18 % Umsatzsteuer von den Zinsen. Das Räumungsbegehren stützte er auf den zweiten Fall des § 1118 ABGB und den Eintritt im Pachtvertrag genannter wichtiger vorzeitiger Auflösungsgründe. Klage und Ladung zur ersten Tagsatzung am 12.8.1983 wurden für den damaligen Beklagten am 26.7.1983 bei seinem Zustellpostamt hinterlegt.

Zu der am genannten Tag abgehaltenen ersten Tagsatzung erschien nur ein Vertreter des damaligen Klägers, der das Zahlungsbegehren wegen Zahlung von S 7.042,57 am 26.7.1983 auf S 25.960,-- samt 4 % Zinsen aus S 33.002,57 vom 2.6. bis 26.7.1983 und aus S 25.960,-- seit 27.7.1983 einschränkte. Das in dieser Tagsatzung erlassene Versäumungsurteil, in dem die Kosten des Rechtsstreites mit S 10.653,22 bestimmt wurden, wurde dem damaligen Beklagten am 18.8.1983 zugestellt und nach ungenütztem Verstreichen der Rechtsmittelfrist rechtskräftig und vollstreckbar.

Am 6.10.1983 beantragte der seinerzeitige Kläger beim Titelgericht auf Grund des genannten Versäumungsurteiles die Bewilligung der zwangsweisen Räumung sowie zur Hereinbringung der im Versäumungsurteil bestimmten Prozeßkosten und der (mit S 3.503,14 bestimmten) Exekutionsantragskosten die Fahrnisexekution. Beide Exekutionen wurden noch am Antragstag bewilligt.

In der vom Titelgericht zu vollziehenden Räumungsexekution wurde die zwangsweise Räumung für den 14.12.1983 festgesetzt, wovon der Verpflichtete am 28.10.1983 verständigt wurde.

Die vom Exekutionsgericht Wien zu 8 E 12.670/83 vollzogene Fahrnisexekution, bei der am 21.10.1983 in Anwesenheit des Verpflichteten 26 Postzahlen gepfändet und am 5.12.1983 deren Verkauf in der Auktionshalle angeordnet worden war, wurde am 13.2.1984 auf mit Ermächtigung des Vertreters des betreibenden Gläubigers gestellten Antrag des Verpflichteten nach § 39 Z 6 EO eingestellt.

Am 9.12.1983 überreichte der Verpflichtete beim Bezirksgericht Döbling zu 5 C 956/83 eine gegen den betreibenden Gläubiger gerichtete Klage wegen 'Unzulässigkeit einer Räumungsexekution'. Darin erwähnte er zunächst die beiden gegen ihn bewilligten Exekutionen. Gegen 'diesen Exekutionsanspruch' erhob er im wesentlichen folgende Einwendungen: Es sei richtig, daß er im Sommer 1983 wegen finanzieller Schwierigkeiten mit der Zahlung des Pachtschillings in Rückstand geraten sei. Nach Zustellung der Räumungsklage habe er einem Sachbearbeiter der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr.C telefonisch seine Bereitschaft zur Zahlung des Rückstandes samt Kosten erklärt. Seine Frage, ob er in diesem Fall zur ersten Tagsatzung gehen müsse, sei verneint worden. Als er nach Zustellung des Versäumungsurteils der Kanzlei Dr.C telefonisch mitgeteilt habe, daß er den Rückstand bereits abgedeckt habe, sei er auf einige noch offene Posten, wie Kosten hingewiesen und ihm erklärt worden, daß das Versäumungsurteil gegenstandslos sei, wenn er alle Zahlungen leiste. Daraufhin habe er eine Berufung unterlassen. Nach dem Exekutionsantrag habe er dem betreibenden Gläubiger am 2.12.1983 die Vorauszahlung des Pachtschillings für das nächste halbe Jahr angeboten. Dieser sei damit einverstanden gewesen und habe ihm die Einstellung des Räumungsverfahrens zugesagt. Die Parteien hätten vereinbart, einander am 5.12.1983 um 10.00 Uhr bei der Länderbankfiliale des Verpflichteten zu treffen, wo dieser den Pachtschilling für ein halbes Jahr sofort auf das Konto des betreibenden Gläubigers übertragen lassen wollte. Eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Termin habe der betreibende Gläubiger im Pachtlokal der Kellnerin des Verpflichteten mitgeteilt, daß er den Termin wegen plötzlicher Frostschäden an Fässern nicht einhalten könne. Später sei der betreibende Gläubiger nicht mehr bereit gewesen, das Räumungsverfahren einzustellen. Der Verpflichtete habe wegen der Zusicherungen des betreibenden Gläubigers alle Zahlungsrückstände beglichen und sei bereit, den Pachtschilling für das nächste halbe Jahr vorauszuzahlen. Wegen der erwähnten Vereinbarung und der Zahlungen sei der betriebene 'Anspruch' .... aus dem Versäumungsurteil erloschen. Neben einem diesbezüglichen Urteilsantrag stellte der Verpflichtete auch einen Aufschiebungsantrag, der hinsichtlich der Räumungsexekution am 9.12.1983 gegen Erlag einer Sicherheit von S 179.760,-- bewilligt wurde.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt das Vorbringen des Klägers und wendete ein, diesem sei stets mitgeteilt worden, daß der zu zahlende Pachtzins nur mehr als Benützungsentgelt angenommen werde.

Außer Streit gestellt wurde, daß die im Versäumungsurteil bestimmten

Kosten erst am 22.12.1983 gezahlt wurden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Neben dem schon wiedergegebenen Verfahrensablauf stellte es im

wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger geriet wiederholt mit Pachtzinszahlungen in Rückstand. Gegen ihn wurden von Dritten Exekutionen geführt. Nach Zustellung der Klage 5 C 562/83 des Bezirksgerichtes Döbling bot der Kläger Dr.Erich D aus der Kanzlei Dr.Cs die Zahlung aller Rückstände an. Dr.D erklärte ihm, wenn er vor der ersten Tagsatzung alle Rückstände einschließlich Zinsen und Kosten der Klage zahle, werde von der Fortführung der Räumungsklage Abstand genommen werden. Daraufhin zahlte der Kläger noch im Juli 1983

S 7.042,57 (Nebenleistungen) und am 3.8.1983 die Junipacht von S 25.960,--. Von letzterer Zahlung wurde der Vertreter des Verpächters vor der ersten Tagsatzung nicht informiert. Die Prozeß- und Exekutionskosten gingen erst 'am 12.12.1983' ein, die Zinsen wurden am 22.12.1983 gezahlt. Anfang Dezember 1983 fragte der Verpflichtete den betreibenden Gläubiger, ob gegen die Delogierung noch etwas zu machen sei und erbot sich, eine Pachtvorauszahlung für sechs Monate zu leisten, damit der Verpächter künftig gedeckt sei. Dieser erklärte sich mit dem Absehen von der Räumung einverstanden, wenn ihm die Pachtzinsvorauszahlung übergeben werde. Die Geldübergabe sollte vereinbarungsgemäß am 5.12.1983 in der Bank des betreibenden Gläubigers stattfinden. Kurz vor dem vereinbarten übergabszeitpunkt kam der betreibende Gläubiger in das Pachtlokal, traf dort den Verpflichteten jedoch nicht an. Deshalb sagte er der Kellnerin, er könne den Termin nicht einhalten, weil ihm Fässer aufgefroren seien. Der Verpflichtete hätte das Geld bereit gehabt. Als er mit dem betreibenden Gläubiger einen neuen übergabstermin vereinbaren wollte, sagte ihm dieser, er sei nicht mehr bereit, von der Räumung abzustehen. Die Pachtvorauszahlung wurde weder auf das Konto des betreibenden Gläubigers eingezahlt noch gerichtlich erlegt, sondern erst als (vom Gericht vorgeschriebene) Sicherheitsleistung für den Räumungsaufschub eingezahlt. In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, Dr.D habe auf die Fortsetzung des Räumungsverfahrens und die Erwirkung eines Versäumungsurteiles nur für den nicht eingetretenen Fall der Zahlung aller Forderungen samt Zinsen und Kosten bis zur ersten Tagsatzung verzichtet. Hingegen habe sich Leopold B selbst bereiterklärt, bei übergabe einer Pachtvorauszahlung für sechs Monate von der Räumung abzusehen. Dies stelle einen Verzicht auf die Exekution aus dem Titel dar. Daß die Geldübergabe nicht erfolgt sei, habe Lepold B selbst zu vertreten, der zunächst nicht zum vereinbarten übergabstermin kommen konnte und sich dann geweigert habe, die Exekution gegen Leistung der Vorauszahlung einzustellen. Die widrigen Folgen des Gläubigerverzugs fielen daher auf ihn. Diese könnten nur in der Bindung an seine Erklärung, von der Exekution abzustehen, liegen, wobei ihm auf sein Verlangen die Pachtvorauszahlung auszufolgen wäre. Zur gerichtlichen Hinterlegung derselben sei Franz A nicht verpflichtet gewesen. Von ihm könne auch nicht verlangt werden, daß er die Vorauszahlung auf das Konto seines Gegners einzahle, ohne dessen Erklärung für die Einstellung der Räumungsexekution in der Hand zu haben.

Der Beklagte bekämpfte dieses Urteil wegen unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragte, es im klageabweisenden Sinn abzuändern oder aufzuheben.

Der Kläger beteiligte sich am Berufungsverfahren nicht. Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen Rechtsansicht, den Berufungswerber habe eine Mitwirkungspflicht bei der vereinbarten Geldübergabe getroffen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das Berufungsurteil im klageabweisenden Sinn abzuändern, allenfalls es aufzuheben.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes erklärte sich der Beklagte mit dem 'Absehen' von der (bereits eingeleiteten) Räumung einverstanden, wenn ihm die vom Kläger angebotene Pachtzinsvorauszahlung für sechs Monate 'übergeben' werde. Der vereinbarte übergabstermin wurde vom Beklagten nicht eingehalten, der dem Kläger später sagte, zu einem Abstehen von der Räumung nicht mehr bereit zu sein. Der Beklagte machte das 'Absehen' von der Räumung daher von einer Bedingung abhängig, wobei auch Ort (Bank des Beklagten), Zeit (5.12.1983) und Art (übergabe) der Pachtzinsvorauszahlung näher vereinbart wurden.

Da Bedingungen nach § 699 ABGB genau erfüllt werden müssen, hatte der Kläger die vereinbarten näheren Umstände der Pachtzinsvorauszahlung genau einzuhalten.

Dies wurde jedoch vom Beklagten dadurch vereitelt, daß dieser den vereinbarten übergabstermin nicht einhielt.

Dadurch wurde der Kläger allerdings nur von der genauen Einhaltung der vereinbarten Zahlungsmodalitäten, nicht aber auch von der zur Bedingung des 'Absehens' von der Räumung gemachten Pachtzinsvorauszahlung selbst befreit.

Der Annahmeverzug des Beklagten (§ 1419 ABGB), der dem Kläger die Zahlung unter den vereinbarten Umständen unmöglich machte, stellte einen anderen wichtigen Grund für die gerichtliche Hinterlegung der nichtangenommenen Zahlung nach § 1425 ABGB dar (Reischauer in Rummel, ABGB RdZ 4 zu § 1425).

Während der Schuldner bei Annahmeverzug des Gläubigers im allgemeinen nur das Recht, nicht aber auch die Pflicht zur gerichtlichen Hinterlegung hat (Reischauer aaO RdZ 12), traf den Kläger eine Hinterlegungspflicht, weil er die zur Bedingung des 'Absehens' von der Räumung gemachte Pachtzinsvorauszahlung nach § 699 ABGB ja 'genau' zu erfüllen hatte, das heißt, soweit ihm das trotz des Annahmeverzuges des Beklagten möglich war. Hätte der Kläger die vereinbarte Pachtzinsvorauszahlung gerichtlich hinterlegt, dann würde diese Bedingung als eingetreten gelten (Welser in Rummel, ABGB RdZ 2 zu § 699).

Da der Kläger die Pachtzinsvorauszahlung jedoch (nicht gezahlt und auch) nicht gerichtlich hinterlegt hat, hat er die Bedingung für das 'Absehen' des Beklagten von der Räumung nicht erfüllt. Das auf eine diesbezügliche Zusage des Beklagten gerichtete Klagebegehren ist daher weder nach § 35 EO noch nach § 36 EO begründet, zumal nach den Feststellungen auch von einem sog. erschlichenen Versäumungsurteil keine Rede sein kann. Hinsichtlich der Fahrnisexekution war das Klagebegehren zum Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz schon deshalb nicht mehr begründet, weil diese Exekution damals nach Befriedigung des betreibenden Gläubigers schon nach § 39 Abs 1 Z 6 EO eingestellt war (Heller-Berger-Stix I 412).

Der berechtigten Revision war daher Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen waren durch Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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