OGH 9Os68/85

OGH9Os68/8519.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer und Dr.Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schrott als Schriftführer in der Strafsache gegen Charlotte A wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 12.Dezember 1984, GZ 35 Vr 3104/84-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Rzeszut, der Angeklagten, und des Verteidigers Dr.Mayr zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 48-jährige Charlotte A von der Anklage, sie habe vor Gericht bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, und zwar 1. am 2. September 1983 in Kitzbühel unter Eid durch die Aussage, sie wisse nicht mehr, von wem sie erfahren habe, jedenfalls von irgendjemandem, daß Dr. B vorhabe, ein Haus zu bauen; es sei absolut auszuschließen, daß der 'Unbekannte', der ihr die Adresse der gegenständlichen Wohnung bekanntgab, Dr. C gewesen sei;

2. am 28.April 1981 in Waidhofen/Ybbs als Zeugin durch die Aussage, die Adresse der Wohnung habe sie von Dr. B und D erfahren, und durch Verschweigen des Umstandes, daß der Informant Dr. C gewesen sei, und sie habe hiedurch (zu 1) das Verbrechen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 und 2 StGB (richtig: § 288 Abs. 2 StGB - vgl. ÖJZ-LSK 1985/12 zu § 288 StGB) und (zu 2) das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen interessierte sich die Angeklagte Charlotte A (damalige E) im Sommer 1978 für eine zentrumsnahe Eigentumswohnung in Kitzbühel, weshalb sie (unter anderem) auch mit Dr. Johannes C als Geschäftsführer der Firma Immoblien C Kontakt aufnahm, der sie als wohnungssuchend vormerkte. Der Tierarzt Dr.Edgar B erwarb am 31.Dezember 1978 über Vermittlung des Realitätenbüros D vom Voreigentümer Josef F ein in der Nähe der Talstation der Hahnenkammbahn gelegenes Grundstück, auf dem er ein Haus mit drei Wohnungen und einer Tierarztpraxis zu errichten beabsichtigte. Die diesbezüglichen Baupläne wurden im Februar 1979 erstellt, mit den Bauarbeiten wurde Ende Mai 1979 begonnen. Obwohl Dr. B anfänglich eine Veräußerung einer der in dem Haus eingeplanten Wohnungen nicht in Erwägung gezogen und den Realitätenvermittler Dr. C auf dessen Anfrage hin auch dementsprechend informiert hatte, änderte er später sein Vorhaben über Anraten des Immobilienmaklers Ferdinand D, worauf die Angeklagte in dem Ende November 1979 fertiggestellten Haus eine 61,06 m 2 große Wohnung erwarb (Kaufvertrag vom 6.August 1979), welche sie im Dezember 1979 bezog. In der Folge machte Dr. C (ab Jänner 1980) gegenüber Dr. B als Verkäufer und gegenüber der Angeklagten als Käuferin der in Rede stehenden Wohnung Provisionsansprüche wegen von ihm behaupteter Vermittlungstätigkeit geltend, denen sich zunächst beide Vertragsteile im wesentlichen mit der Begründung widersetzten, der Kaufvertrag sei ohne Zutun Dris. C zustandegekommen, Dr. C klagte daraufhin Dr. B zu AZ 2 C 76/80 des Bezirksgerichtes Kitzbühel und die Angeklagte zu AZ 2 C 1058/82

desselben Gerichtes auf Bezahlung der beanspruchten Provisionen. Beide Rechtssachen endeten mit Vergleich, wobei sich Dr. B zur Zahlung von 13.250 S (50 % der Klagsforderung) und die Angeklagte zur Zahlung von 8.000 S verpflichteten.

Im Zuge des erstangeführten Zivilprozesses wurde die Angeklagte am 28. April 1981 im Rechtshilfeweg vor dem Bezirksgericht Waidhofen/Ybbs förmlich als Zeugin vernommen und legte dabei die zu Punkt 2 des Anklagesatzes inkriminierte Aussage ab (vgl. S 24 der Aktenkopie ON 5 in Band II des rekonstruierten Strafaktes). Im Verfahren zu AZ 2 C 1058/82 des Bezirksgerichtes Kitzbühel bekräftigte sie am 2.September 1983 als beklagte Partei unter Eid die zu Punkt 1 des Anklagesatzes inkriminierten Angaben (vgl. S 68 und 72 der Aktenkopie ON 4 in Band II des rekonstruierten Strafaktes).

Der Schöffensenat erachtete die Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens für nicht ausreichend, um die Angeklagte in diesen Fällen der vorsätzlichen falschen Beweisaussage zu überführen. Die Anklage stützte sich vordergründig auf die Angaben des Zeugen Dr. C, wonach der den in Rede stehenden Wohnungskauf einleitende Kontakt zwischen den Vertragspartner durch ihn hergestellt worden sei, sowie auf die Bekundung des Zeugen Ferdinand D, von Dr.B (in Gegenwart des Rechtsanwaltes Dr.Horst G) zwecks Abwehr der Provisionsforderung Dris. C um die tatsachenwidrige Bestätigung einer von ihm selbst entfalteten Vermittlungstätigkeit ersucht worden zu sein. Die Zeugen Dr. C und D hielten auch in der Hauptverhandlung an ihren früheren, im Zuge der oben angeführten Zivilverfahren bzw. im Rahmen strafgerichtlicher Vorerhebungen durchwegs inhaltskonform abgelegten Aussagen fest (vgl. S 123 ff und 158 ff in Verbindung mit ON 3, S 21 ff und 27 ff in ON 5 und ON 8 sowie S 8 ff und 11 ff des Hauptverhandlungsprotokolls ON 20 in der Aktenkopie ON 3 in Band II des rekonstruierten Strafaktes). Der Schöffensenat bezweifelte jedoch die Zuverlässigkeit dieser Zeugen, und zwar im wesentlichen deshalb, weil - die Behauptung des Zeugen Dr.C, Dr.B hätte ihm im Jahre 1978 die Verkaufsvermittlung bezüglich der in Rede stehenden Wohnung aufgetragen, insofern unschlüssig sei, als die Baupläne für das bezügliche Bauvorhaben erst im Februar 1979 erstellt wurden und das Ehepaar B sich erst nach den Grundbuchseintragungen und der Baukorrespondenz im April 1979 dazu entschlossen habe, die ursprünglich vorgesehene ausschließlich familiäre Nutzung des Gebäudes durch Veräußerung einer Wohnung in fremdes Wohnungseigentum einzuschränken;

Rechtliche Beurteilung

Dieser kommt schon insofern Berechtigung zu, als aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund - unter Beachtung der in § 281 Abs. 3 StPO normierten formalen Voraussetzungen (vgl. S 175) - die Abweisung des vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung vom 12. Dezember 1984 gestellten Antrages auf Vernehmung des Zeugen Dr.Horst G als entscheidungswesentliche Beeinträchtigung der Belange der Strafverfolgung gerügt wird. Ausgehend von der Bekundung des Zeugen D, von Dr. B im Beisein Dris. G zwecks Entkräftung der Provisionsforderung des Zeugen Dr. C um die wahrheitswidrige Bestätigung einer Verkaufsvermittlung durch das Immobilienbüro D ersucht worden zu sein, zielte der bezügliche Beweisantrag darauf ab, nachzuweisen, daß Dr. B und die Angeklagte beabsichtigten, den Provisionsanspruch des Zeugen Dr. C (durch Bestreitung einer von diesem entfalteten vertragsursächlichen Vermittlungstätigkeit) zu unterlaufen (vgl. S 173). Das abweisliche Zwischenerkenntnis wurde (der Stellungnahme des Verteidigers folgend) damit begründet, daß im Rahmen des mit dem Beweisantrag relevierten Gesprächs lediglich die Geschäftsbeziehungen zwischen den Zeugen Dr. B und Dr. C, nicht aber die Kontakte zwischen dem Letztgenannten und der Angeklagten erörtert worden seien, (vgl. S 175 in Verbindung mit S 173/174); dem wurde in der Urteilsbegründung sinngemäß noch hinzugefügt, daß der vom Zeugen D bekundete Gesprächsinhalt außer von Dr. B auch von Dr. G bestritten worden sei (vgl. S 17 des Urteils).

Daß die Frage, ob der Zeuge Dr. B durch den Versuch von Beweismanipulationen zwecks Glaubhaftmachung einer anderweitigen Verkaufsvermittlung den Provisionsanspruch Dris. C dolos auszuschalten trachtete, für die Beurteilung sowohl des objektiven als auch des subjektiven Wahrheitsgehaltes der inkriminierten Beweisaussagen der nunmehrigen Angeklagten von wesentlicher Bedeutung ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Ebenso evident ist es aber, daß den bezüglichen Wahrnehmungen des Zeugen Dr. Otto G ausschlaggebende Bedeutung zukommt, zumal sich der Zeuge D ausdrücklich auf dessen Anwesenheit bei dem behaupteten Manipulationsansinnen Dris. B beruft. Dem konnte sich auch der erkennende Schöffensenat nicht verschließen, indem er sich veranlaßt sah, seine Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen D u.a. mit dem Hinweis auf die widerstreitende Aussage Dris. G zu begründen (vgl. abermals S 17 des Urteils), wobei allerdings unerwähnt blieb, daß es sich bei den in der Hauptverhandlung verlesenen (vgl. S 174) Angaben des letzteren um dessen Beschuldigtenverantwortung im Verfahren zu AZ Z 397/82 des Bezirksgerichtes Kitzbühel handelt (vgl. ON 4). So gesehen entsprach aber der Antrag des öffentlichen Anklägers, den (als Zeugen bisher nicht gehörten) Dr. G zeugenschaftlich zu vernehmen, umsomehr grundlegenden Verfolgungsinteressen, deren Beeinträchtigung durch das gerügte Zwischenerkenntnis entscheidungswesentliche bedeutung zukommt. Nach Lage des Falles ist keineswegs auszuschließen, daß die angestrebte Beweisaufnahme im Zusammenhang mit der durch die bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelten Sach- und Beweislage zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Beurteilung führen könnte. Der vom Erstgericht vertretenen Auffassung zuwider läßt sich nämlich eine Unerheblichkeit der (im übrigen in der Urteilsbegründung sehr wohl als erörterungsbedürftig erachteten) Angaben des Dr. G für die Beurteilung des gegen die Angeklagte gerichteten Anklagevorwurfes keineswegs daraus ableiten, daß lediglich die Geschäftsbeziehung zwischen den Zeugen Dr. C und Dr. B, nicht aber jene zwischen Dr. C und der Angeklagten Gegenstand der Unterredung war, auf die sich der Beweisantrag bezieht. Wird - wie vorliegend vom Zeugen Dr. C - ein Vermittlungsauftrag sowohl seitens des Verkäufers (Dr. B) als auch seitens des Käufers (der Angeklagten) behauptet, so ist es naheliegend, daß ein vertragsursächlicher Vermittlungsdienst schon begrifflich beiden Teilen zugute kommen und doloses Leugnen eines solchen - soll es erfolgversprechend sein - zwangsläufig ein diesbezügliches Einverständnis beider Vertragspartner voraussetzen würde. Da die Angeklagte zunächst in ihrer zu Punkt 2 des Anklagesatzes inkriminierten Aussage eine Vertragsanbahnung durch die Zeugen Dr. B und Ferdinand D behauptet und diese mit dem vom Zeugen D bekundeten Manipulationsversuch Dris. B in Einklang zu bringende Darstellung (unter Verneinung einer von D entfalteten Vermittlungstätigkeit) erst - wie zu Punkt 1 des Anklagesatzes erfaßt - geändert hat, nachdem der Zeuge D zur Bestätigung einer solchen Vermittlungstätigkeit nicht bereit war, wäre das Erstgericht verhalten gewesen, die Beurteilungsgrundlagen durch die von der Anklagebehörde beantragte Vernehmung des Zeugen Dr. G zu vervollständigen.

Der im Gerichtstag vom Verteidiger der Angeklagten (mit Beziehung auf ein Schreiben des Dr. G vom 17.Juni 1985) hervorgehobene Umstand, daß dieser als Verteidiger der Eheleute Dagmar und Dr. Edgar B in dem gegen die Genannten abgesondert anhängigen Strafverfahren im vorliegenden Verfahren von dem ihm zustehenden Entschlagungsrecht (§ 152 Abs. 1 Z 2 StPO) Gebrauch machen würde, steht der getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil für die Überprüfung des bekämpften Zwischenerkenntnisses die Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Beweisantrages maßgebend ist (Mayerhofer-Rieder StPO 2 Nr 41, 42 zu § 281 Z 4), ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen nicht mit der Begründung abgewiesen werden darf, daß der Zeuge voraussichtlich ohnedies von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen werde (Mayerhofer-Rieder aaO Nr 110 b zu § 281 Z 4) und letztlich eine Entbindung des Rechtsanwaltes von seiner Verschwiegenheitspflicht durch die Partei zulässig ist (vgl. Bertel, Grundriß des Strafprozeßrechts, 72; Wresounig, Rechtsanwaltsordnung, 31).

Die Abweisung des in Rede stehenden Beweisantrages stellt daher eine Beeinträchtigung jener Grundsätze des Verfahrens dar, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Strafverfolgung sichernden Verfahrens geboten ist. Da schon dieser von der Anklagebehörde zu Recht gerügte Verfahrensmangel eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz erforderlich macht, erübrigt sich eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens.

Es war somit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu erkennen.

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