OGH 2Ob578/85

OGH2Ob578/8518.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Elisabeth A, geboren am 11.Juni 1977, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding als Amtsvormund, infolge Revisionsrekurses des Amtsvormundes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried i.I. als Rekursgerichtes vom 19. März 1985, GZ R 58/85-73, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Engelhartszell vom 31.Jänner 1985, GZ P 56/81-68, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses richtet, zurückgewiesen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Minderjährige ist die außereheliche Tochter der Sieglinde A, verehelichte B. Sie wurde auf Grund der vom Erstgericht am 25.10.1978 auf Antrag des Amtsvormundes angeordneten gerichtlichen Erziehungshilfe (ON 2) bei den Pflegeeltern Johann und Stefana C in Knechtelsdorf untergebracht. Auf Antrag der Mutter ordnete das Erstgericht die Übergabe der Minderjährigen in die Pflege und Erziehung der Mutter an (Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses), bestimmte als übergabszeitpunkt den der Rechtskraft des Beschlusses folgenden Samstag 17 Uhr (Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses) und räumte den Pflegeeltern ein zum Teil näher bestimmtes Besuchsrecht ein (Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses). Den Antrag der Mutter, ihr die Vormundschaft zu übertragen, wies das Erstgericht ab (Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses). Die Entscheidung des Erstgerichtes erwuchs in seinen Punkten 1 und 4 in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht gab dem gegen Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses gerichteten Rekurs des Amtsvormundes nicht Folge und hob den Punkt 3 in Stattgebung des Rekurses der Mutter ersatzlos auf. Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs des Amtsvormundes, der, insoweit er sich gegen den bestätigenden Teil der angefochtenen Entscheidung richtet, unzulässig, im übrigen nicht berechtigt ist.

Da die erstgerichtlichen Anordnungen im Rahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe getroffen wurden, kommt dem Amtsvormund jedenfalls Rekurslegitimation zu (§ 34 Abs.4 JWG).

In Ansehung des Punktes 2 des erstgerichtlichen Beschlusses liegt ein bestätigender Beschluß des Rekursgerichtes vor, sodaß die Rekurswerberin auf die Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG beschränkt ist (RZ 1985/35). Insoweit macht die Rekurswerberin auch nur den nach § 16 AußStrG zulässigen Anfechtungsgrund der Nichtigkeit geltend, der jedoch nicht vorliegt. Nach den Erhebungen wurde die Entscheidung der zweiten Instanz von allen Mitgliedern des Senates gefällt, die im Spruche der Entscheidung angeführt sind. Mangels Vorliegens des angezogenen Nichtigkeitsgrundes war der Revisionsrekurs daher insoweit zurückzuweisen.

Zu Recht rügt die Rekurswerberin, daß das Erstgericht den Pflegeeltern ein Besuchsrecht im Rahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe einräumte (AS 255). Ordnet das Gericht die gerichtliche Erziehungshilfe an, hat es auch die im Einzelfall nötigen Maßnahmen zu bestimmen (EvBl.1969/208; JBl.1961, 283 ua). Welche Maßnahmen zu ergreifen sind, muß nach Prüfung aller Umstände des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Kindes entschieden werden (SZ 49/38, ÖAmtsVmd 1977, 49). Die in Betracht kommenden Maßnahmen ergeben sich aus § 9 JWG bzw. dem hier in Betracht kommenden § 24 des Oö. JWG. Die Erziehungshilfe umfaßt danach alle Maßnahmen, die dem Ziel einer sachgemäßen und verantwortungsbewußten Erziehung dienen, wie Erziehungsberatung, Einweisung in einen Kindergarten, einen Hort, eine Tagesheimstätte, ein Jugendheim oder ein Erholungsheim und anderweitige Unterbringung. Es ist hiebei jeweils das gelindeste noch zur Bewahrung des Minderjährigen vor Verwahrlosung ausreichende Erziehungsmittel anzuwenden (§ 9 Abs.2 JWG und § 24 Abs.2 Oö. JWG). Daraus ergibt sich, daß unter Aufrechterhaltung der bereits bewilligten Erziehungshilfe eine angeordnete Maßnahme durch eine gelindere ersetzt werden kann, wenn sich die Umstände derart geändert haben, daß ein gelinderes Erziehungsmittel nunmehr ausreicht, den Minderjährigen vor Verwahrlosung zu bewahren. Wurde beispielsweise die Erziehungshilfe durch anderweitige Unterbringung (bei Pflegeeltern) bewilligt, kann die Rückführung des Minderjährigen in die Familie des Erziehungsberechtigten unter gleichzeitiger Anordnung der Erziehungsberatung verfügt werden. Die Aufzählung der anzuwendenden Mittel in § 9 JWG bzw. in § 24 Oö. JWG ist nur eine beispielsweise, sie enthält jedoch alle Maßnahmen, deren sich die Praxis in der Regel bedient. Gemeinsam ist den Maßnahmen der Zweck, die bei einem Minderjährigen bestehende Verwahrlosungsgefahr zu bekämpfen, um den Eintritt effektiver Verwahrlosung zu verhindern (SZ 49/38). Die Durchführung der Maßnahmen obliegt jeweils der Bezirksverwaltungsbehörde (§ 10 JWG, § 25 Oö. JWG). Nach dem Zweck der Erziehungshilfe und der Durchführungsanordnung des Gesetzes kommen als andere Erziehungsmaßnahmen als die, die beispielsweise im Gesetz aufgezählt sind, nur solche in Betracht, die unmittelbar der erzieherischen Einwirkung dienen und die einer Durchführung durch die Bezirksverwaltungsbehörde zugänglich sind. Der Zweck des Besuchsrechtes, das das Gesetz nur den leiblichen Eltern und Großeltern gewährt und dessen Erweiterung auf anderen Personen offensichtlich nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag (RZ 1977/62; 3 Ob 607/83), ist es, die auf der Blutsverwandtschaft beruhenden Beziehungen zwischen Eltern und Kind aufrecht zu erhalten und zu vertiefen, eine gegenseitige Entfremdung der leiblichen Verwandten zu verhindern und dem Berechtigten allenfalls auch Informationen über die Erziehung und Gesundheit des Kindes zu verschaffen (EFSlg.43.218, 43.217, 40.725, 38.225 uva). Nach dem Wesen und Zweck des Besuchsrechtes bildet dessen Ausübung keine Erziehungsmaßnahme, wenngleich das Kind während der Dauer der Besuchsrechtsausübung auch der erzieherischen Einflußnahme des Berechtigten unterliegt. Das Besuchsrecht ist auch der Durchführung durch die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zugänglich. Die Anordnung eines Besuchsrechtes für die ehemaligen Pflegeeltern im Rahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe kommt daher nicht in Betracht. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs im Umfang seiner Zulässigkeit ein Erfolg zu versagen.

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