OGH 13Os87/85

OGH13Os87/8514.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführers in der Strafsache gegen Klaus A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 31. Jänner 1985, GZ 3 d Vr 9518/84-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufungen wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der zuletzt keiner geregelten Beschäftigung nachgegangene Klaus A wurde des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er vom November 1983 bis 10. Juli 1984 in Wien den am 16. November 1972 geborenen Johann B und den am 22. Oktober 1974 geborenen Alexander C in wiederholten Angriffen durch die Aufforderung, sein Glied in den Mund zu nehmen bzw. an ihm einen Handverkehr und an Alexander B einen Oralverkehr vorzunehmen, zur Unzucht zu mißbrauchen getrachtet (I) und durch gegenseitigen Handverkehr und Vornahme eines Oral- und Afterverkehrs und Reiben seines von hinten zwischen den Beinen hindurchgesteckten Glieds bis zum Samenerguß, Alexander B überdies durch die Verleitung zu einem Oralverkehr an Johann B, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, zur Unzucht mißbraucht (II 1 und 2).

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte aus dem § 281 Abs 1 Z. 4 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde an. Er rügt die Abweisung der von seinem Verteidiger gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Robert A (des Bruders des Angeklagten) und auf Psychiatrierung des Antragstellers, dies zum Beweis dafür, daß (präzisiert:) der Angeklagte auf Grund seines Geisteszustands für die inkriminierten Handlungen auszuschließen sei, weil seine psychische Einstellung aus medizinischen Gründen den Schluß zuläßt, daß er solche Taten 'nie macht und auch nie gemacht hat' (S. 170). In der Hauptverhandlung am 31. Jänner 1985 wurde lediglich die Erklärung abgegeben, auf die Einvernahme des (trotz - allerdings unrichtig adressierter - Ladung: S. 128, Rückschein auf S. 144) nicht erschienenen Zeugen Robert A nicht zu verzichten (S. 170). Selbst wenn man diese Erklärung als Wiederholung des (vorweg bereits am 18. Dezember 1984 schriftlich zum Beweis, daß der Angeklagte nicht abwegig veranlagt war und ist, eine normale Einstellung zum anderen Geschlecht immer hatte und die ihm angelasteten Tathandlungen mit seiner Wesensart nicht vereinbar sind, sowie 'zum Nachweis, ... daß Johann ... und Alexander B zum Lügen neigen und ihre Angaben nicht verläßlich sind': S. 127, 128 gestellten) Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung des Robert A in der Hauptverhandlung ansehen wollte, war, wie das Schöffengericht zu Recht erkannte, eine weitere Aufklärung zum Tatgeschehen von dieser Beweisaufnahme nicht zu erwarten: Hatten doch andere Verwandte des Angeklagten als Zeugen deponiert, daß sie wenig Kontakt mit den Kindern Alexander und Johann B hatten und deren Charakter nicht ausreichend beurteilen können (S. 170, 171). Dazu kommt, daß Robert A die Lügenhaftigkeit der Tatopfer nachweisen sollte, ohne daß angeführt wurde, welche konkreten tatsächlichen Umstände durch diesen Zeugen dargetan werden sollten; ist doch die Lügenhaftigkeit eine erst auf der Grundlage faktischer Begebenheiten erschließbare menschliche Charaktereigenschaft, die unmittelbarer Wahrnehmung entzogen ist. Wie die Mutter und die Halbschwester des Angeklagten (S. 168, 169) war auch sein Bruder Robert A kein Tatzeuge und könnte daher zum inkriminierten Geschehen selbst keine Auskunft geben. Zur Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen hat das Erstgericht ausgeführt, daß ein solcher keine Aussage darüber treffen könnte, ob der Angeklagte die Taten begangen hat oder nicht, weil dies eine Frage der Beweiswürdigung betrifft und auch eine abwegige Veranlagung des Angeklagten nichts darüber besage (S. 171).

Dieser Argumentation ist, soweit sie den Versuch einer Anfechtung der Beweiswürdigung erblickt, beizupflichten. Daß mit diesem Beweisantrag (so ausdrücklich: S. 170) die Zulässigkeit eines medizinischen Schlusses dargetan werden soll, kennzeichnet ihn als Erkundungsbeweis zur Frage der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen, zumal diese Beweisführung gar nicht die zwingende Widerlegung des Tatgeschehens selbst anstrebt, zu der sie schon ihrer Art nach ungeeignet erscheint (13 Os 11/83, 13 Os 121/83, 13 Os 85/84). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, weil Verteidigungsrechte nicht hintangesetzt wurden, teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO), teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur öffentlichen Verhandlung und Entscheidung über die gegen den Strafausspruch ergriffenen Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird ein Gerichtstag angeordnet werden (§ 296 Abs 3 StPO).

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