OGH 2Ob521/85

OGH2Ob521/8511.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter A, actual-Kunststoff Gesellschaft m.b.H.& Co Kommanditgesellschaft, 4053 Haid, Actualstraße 31, vertreten durch Dr. Franz Huber, Rechtsanwalt in Traun, wider die beklagte Partei Anna B, Inhaberin eines Rauchfangkehrergewerbes, 4873 Frankenburg, Rieglerstraße 14, vertreten durch Dr. Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, wegen S 146.451,50 s.A., infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 28.August 1984, GZ 5 R 174/84-52, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 12.Juli 1984, GZ 5 Cg 91/84- 47, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit erstgerichtlichem Urteil vom 30.November 1982 (ON 36) wurde die Beklagte schuldig erkannt, der Klägerin S 146.451,50 samt Anhang zu zahlen; das Mehrbegehren von S 48.611,50 wurde abgewiesen. Während des anhängigen Rechtsstreites wurde nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, jedoch vor Abgabe der Urteilsausfertigung an die Gerichtskanzlei, nämlich am 16.12.1982 zu S 75/82 des Landesgerichtes Linz über das Vermögen der Klägerin der Konkurs eröffnet und das Verfahren gemäß § 7 KO unterbrochen. Die Urteilszustellung erfolgte noch an den ausgewiesenen Vertreter der Klägerin. In der Folge lehnte der Masseverwalter den Eintritt in den gegenständlichen Rechtsstreit gemäß § 8 Abs1 KO ab. Daraufhin beantragte die Klägerin gemäß § 8 Abs3 KO die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens. Das Erstgericht entsprach diesem Ansuchen durch Beschluß vom 5.3.1984 (ON 40), womit es das Verfahren für wieder aufgenommen erklärte und gleichzeitig eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 4.6.1984 anordnete (AS 123). Das Erstgericht wies die am 10.Juli 1984 erhobene Berufung der Beklagten gegen das Urteil vom 30.November 1982 als verspätet zurück. Die Rechtsmittelfrist habe mit Zustellung des Beschlusses über die Wiederaufnahme des gemäß § 7 KO unterbrochenen Verfahrens zu laufen begonnen. Diese Zustellung sei zumindest an den Beklagtenvertreter am 9.März 1984 erfolgt. Die am 10.Juli 1984 zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem von der Beklagten gegen den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes erhobenen Rekurs Folge, hob die angefochtene Entscheidung ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Berufung auf. Es erklärte den Revisionsrekurs nach § 502 Abs4 Z 1 ZPO für zulässig. Die vom Erstgericht beschlossene Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung sei für sich allein jedoch nicht geeignet gewesen, die Unterbrechungswirkungen zu beseitigen, weil keine der Parteien die Anberaumung einer Streitverhandlung beantragt hatte und eine solche auch sinnlos gewesen wäre, da das erstinstanzliche Verfahren mit Endurteil bereits erledigt war. Die Anberaumung der Streitverhandlung habe daher nur auf einem Irrtum des Erstgerichtes beruhen können, das diese Tagsatzung auch am 19. März 1984 wieder abgesetzt habe. Sei aber die Anberaumung einer Tagsatzung für eine Partei als offenbar irrig zu erkennen, dann könne sie nicht die Unterbrechungswirkung beseitigen. Entscheidend bleibe also, ob der erstgerichtliche Beschluß, das Verfahren wieder aufzunehmen, den Parteien tatsächlich zugestellt worden sei. Die Erhebungen hätten ergeben, daß die Behauptung der Beklagten, dieser Beschluß sei ihr nicht zugestellt worden, unwiderlegt geblieben sei. Die Gerichtsbedienstete, welche die Abfertigung nach dem Abfertigungsvermerk vorgenommen habe, könne sich nicht mehr erinnern, ob auf der Ladung der Vermerk, das Verfahren werde wieder aufgenommen, angebracht gewesen sei oder nicht. Auch der zuständige Erstrichter habe zur Aufklärung des Sachverhaltes nichts beitragen können. Daß der betreffende Beschluß tatsächlich nicht zugestellt worden sein könne, ergebe sich allerdings auch aus dem Kostenrekurs der Klägerin, worin sie u.a. ausführte, sie hätte die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens beantragt, doch habe das Erstgericht darüber noch keinen 'formellen' Beschluß gefaßt. Das Rekursgericht habe zwar seinerzeit bereits den Akt dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die Rückscheine über die Zustellung des Beschlusses vom 5.3.1984 anzuschließen oder zu erheben, wann dieser Beschluß dem Beklagtenvertreter zugestellt worden sei. Der Akt sei mit dem Bericht zurückgelangt, daß der Beschluß laut telefonischer Mitteilung der Kanzlei am 9.3.1984 zugestellt worden sei. Demgemäß sei nach der Aktenlage davon auszugehen gewesen, daß die Berufungsfrist bereits abgelaufen war. Dennoch sei die nachträgliche gegenteilige Behauptung der Beklagten nicht zu widerlegen gewesen. Ein Rechtsmittel habe die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, solange nicht seine Verspätung eindeutig ausgewiesen sei. Die Ergebnislosigkeit der Erhebungen wirke zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers. Da also die Möglichkeit, daß die Unterbrechungswirkungen noch nicht beseitigt waren, nicht auszuschließen sei, erweise sich die am 10.Juli 1984 zur Post gegebene Berufung der Beklagten als rechtzeitig. Somit sei davon auszugehen, daß die mangelhafte Zustellung des Beschlusses über die Wiederaufnahme des Verfahrens inzwischen saniert worden sei. Die Zurückweisung der Berufung als verspätet sei daher in Stattgebung des Rekurses der Beklagten zu beheben gewesen. Das Erstgericht werde das gesetzliche Verfahren über diese Berufung einzuleiten haben (Zustellung an die Klägerin zur allfälligen Erstattung einer Berufungsbeantwortung).

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, der Beklagten sei ihr Antrag auf Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens zugestellt worden. Auf Grund dieses Antrages habe das Erstgericht jedenfalls eine mündliche Streitverhandlung anberaumt. Die Ladung sei der Beklagten am 9.3.1984 zugegangen. Damit sei das unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen gewesen (EvBl 1982/119). Dabei sei es unerheblich, von welchen Erwägungen sich das Erstgericht bei Anberaumung der Streitverhandlung habe leiten lassen. Für die Beklagte sei jedenfalls erkennbar gewesen, daß auf Grund des Antrages der Klägerin auf Wiederaufnahme der Erstrichter das Verfahren fortgesetzt habe.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu entgegnen: Im vorliegenden Fall wurde das erstgerichtliche Verfahren durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der Klägerin nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz, aber noch vor Abgabe der Urteilsausfertigung an die Gerichtskanzlei, gemäß § 7 Abs1 KO unterbrochen. Hiedurch wurde die Fällung des auf Grund dieser Verhandlung vom Erstgericht zu erlassenden Urteiles nicht gehindert (§ 163 Abs3 ZPO, vgl. Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 464, EvBl 1979/115, 1 Ob 518/84 ua). Allerdings vermochte die Zustellung des Urteiles mit Rücksicht auf die Unterbrechungswirkung nicht den Lauf der Berufungsfrist in Gang zu setzen (vgl.§ 163 Abs1 ZPO). Erst mit der Aufnahme des Verfahrens begann die volle Frist von neuem zu laufen (§ 163 Abs1 letzter Satz ZPO). Die Rechtzeitigkeit der Berufung der Beklagten hängt somit vom Zeitpunkt der Wirksamkeit der Aufnahme des gemäß § 7

Abs1 KO unterbrochenen Verfahrens ab.

Die Klägerin brachte am 28.Februar 1984 beim Erstgericht einen als 'Antrag auf Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens' bezeichneten Schriftsatz (ON 39) ein, in dem sie ausführte, der Masseverwalter habe mit Schreiben vom 23.Februar 1984 den Eintritt in das Verfahren abgelehnt, und sich zum Beweis hiefür unter anderem auf das Schreiben des Masseverwalters, den Konkursakt und die Einvernahme des Masseverwalters berief. Abschließend führte die Klägerin aus: 'Wir nehmen sohin das unterbrochene Verfahren wieder auf und beantragen, dies gemäß §§ 164 ff ZPO zur Kenntnis zu nehmen'.

Hierauf faßte das Erstgericht am 5.März 1984 folgenden Beschluß:

  1. '1.) Das Verfahren wird wieder aufgenommen.
  2. 2.) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 4.5.1984, 13 Uhr 30, Zi 127

    C. 27 KlV mit HS ON 39 und Pkt 1 [oben]

    BeklV mit GS ON 39 und Pkt 1 [oben].' Dem Beklagtenvertreter wurde zwar die Ladung zur mündlichen Streitverhandlung mit der Gleichschrift des Antrages ON 39

    zugestellt, seine Behauptung, der Beschluß über die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens sei ihm nicht zugestellt worden, konnte aber durch die vom Rekursgericht veranlaßten Erhebungen nicht entkräftet werden. Der Beklagtenvertreter erklärte, er habe erst am 26. Juni 1984 anläßlich einer Akteneinsicht festgestellt, daß das Erstgericht am 5.März 1984 einen Beschluß über die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens gefaßt habe. Er brachte am 10.Juli 1984 die Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes ein; das Erstgericht wies dieses Rechtsmittel als verspätet zurück. Da die Zustellung des Beschlusses über die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens an den Beklagten nicht geklärt werden konnte, ist im vorliegenden Fall entscheidend, ob der Zustellung der Ladung zur mündlichen Streitverhandlung unter Anschluß einer Gleichschrift des Antrages der Klägerin ON 39 bereits die Wirkung einer die Wiederaufnahme des Verfahrens anordnenden Entscheidung beizumessen ist oder nicht.

    Die Unterbrechung nach § 7 Abs 1 KO kann nur durch die Aufnahme des Verfahrens beseitigt werden (vgl.Bartsch-Pollak 3 I, 78, Anm.16). Die Form der Aufnahme ist im § 164 ZPO bestimmt. Darnach hat der zur Aufnahme Berechtigte einen Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung, allenfalls deren Fortsetzung, wenn aber die Unterbrechung während des Laufes einer Frist zur Vornahme einer Prozeßhandlung eintrat, einen Antrag auf neuerliche Bestimmung einer Frist für diese Prozeßhandlung zu stellen (vgl. Bartsch-Pollak 3 I, 79, Anm.20) und zwar gemäß § 165 Abs1 ZPO bei dem Gericht, bei welchem die Rechtssache zum Zeitpunkte des Eintrittes des Unterbrechungsgrundes anhängig war. Da im vorliegenden Fall die Unterbrechung vor der Bindung des Erstgerichtes an seine Entscheidung (§ 416 Abs2 ZPO) eintrat, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens zutreffend bei diesem Gericht eingebracht. Die Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens kann nur durch Gerichtsbeschluß erfolgen (SZ 45/19, JBl 1973, 46 ua; Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 465), der mit Rekurs anfechtbar ist (vgl. Fasching Zivilprozeßrecht, RZ 613). Weder der Zustellung der Gleichschrift des Aufnahmeantrages noch der Erhebung eines Rechtsmittels kommt die Wirkung der beschlußmäßigen Aufnahme eines nach § 7 Abs1 KO unterbrochenen Verfahrens zu, weil die ZPO stillschweigende Prozeßhandlungen und Entscheidungen nicht kennt (vgl. SZ 45/19, JBl 1973, 46 ua). Bei der Wertung eines nicht ausdrücklich die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens anordnenden Beschlusses als Aufnahmebeschluß im Sinn des § 165 Abs2 ZPO ist daher ein strenger Maßstab anzulegen. Selbst aus den einen milderen Standpunkt einnehmenden Entscheidungen JBl 1978, 433 u EvBl 1982/119, in welchen als hinreichend für die Wertung als Aufnahmebeschluß angesehen wurde, daß die Vornahme einer Gerichtshandlung beantragt wurde, durch die das unterbrochene Verfahren in Gang gesetzt werden sollte (in der Entscheidung JBl 1978, 433 wurde der Antrag des Klägers auf Zustellung eines Versäumungsurteils an den Beklagten zu Handen des Masseverwalters als Antrag auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens nach §§ 7 Abs2, 113 Abs1 KO gewertet, weil die Feststellung einer bei der Prüfungstagsatzung bestrittenen Konkursforderung stets nur durch die Fortsetzung des schon anhängigen, durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Rechtsstreites zu erfolgen hat; in der Entscheidung EvBl 1982/119, auf die sich der Revisionsrekurs stützt, beantragte die beklagte und gefährdete Partei die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens und die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung), und das Gericht mit Beschluß diesem Antrag Folge gab, könnte die Klägerin im vorliegenden Fall nichts gewinnen. Die Klägerin hat nämlich weder die Vornahme einer Gerichtshandlung beantragt, um das unterbrochene Verfahren wieder in Gang zu setzen, noch einen der im § 164 ZPO vorgesehenen Anträge gestellt, sondern lediglich vorgebracht, 'sie nehme das unterbrochene Verfahren wieder auf und beantrage, dies gemäß §§ 164 ff ZPO zur Kenntnis zu nehmen.' Wurde aber die Gleichschrift dieses Antrages dem Beklagtenvertreter gleichzeitig mit der Ladung zu einer mündlichen Streitverhandlung, jedoch ohne den vom Erstgericht gefaßten Beschluß auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens zugestellt, kann darin keine einem Aufnahmebeschluß gleichzusetzende gerichtliche Entscheidung erblickt werden, zumal die Anberaumung einer Tagsatzung zum Unterschied von einem Beschluß auf Aufnahme des Verfahrens gar nicht abgesondert anfechtbar ist (§ 130 Abs2 ZPO). War also der genannte Beschluß nicht als solcher im Sinn des § 165 Abs2 ZPO zu werten, vermochte er auch nicht die Berufungsfrist gegenüber der Beklagten in Gang zu setzen. Da aber eine Zustellung des vom Erstgericht gefaßten Beschlusses über die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens durch die Erhebungen nicht erwiesen werden konnte, die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels aber zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers wirkt (vgl.SZ 46/86 ua), begann die Berufungsfrist für den Beklagten, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, erst mit der Kenntnisnahme vom Aufnahmebeschluß anläßlich einer Akteneinsicht (26.Juni 1984) zu laufen; die Berufung wurde somit rechtzeitig erhoben.

    Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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