OGH 1Ob558/85

OGH1Ob558/8510.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred A, Kaufmann, Lustenau, Pontenstraße 1, vertreten durch Dr. Otmar Simma und Dr. Alfons Simma, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Irmgard B, Hausfrau, Dornbirn, Beckenhag 11, vertreten durch Dr. Richard Kempf, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 178.749,40 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28.Dezember 1984, GZ 1 R 198/84-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16.Mai 1984, GZ 9 Cg 4412/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.425,65 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 984,15 Umsatzsteuer und S 1.600 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist die Mutter des am 26.2.1963 unehelich geborenen Andreas Josef B. Der Kläger hatte ihr innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als 302 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt. Die Beklagte erklärte dem Kläger und dem Bezirksjugendamt Feldkirch gegenüber mehrmals ausdrücklich, daß sie während der gesetzlichen Vermutungszeit nur mit dem Kläger geschlechtlich verkehrt habe. Der Kläger anerkannte darauf am 2.4.1963 vor der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Amtsvormund die Vaterschaft zum Kind. In der Zeit vom 19.4.1963 bis 23.11.1978 erbrachte er an Unterhaltszahlungen für das Kind insgesamt S 178.749,40. Da der Kläger im August 1977 daran zu zweifeln begann, daß er der Vater des Kindes sei, brachte er am 9.6.1978 zu C 1268/78 des Bezirksgerichtes Dornbirn eine Klage gegen den mj.Andreas B auf Feststellung ein, der Minderjährige sei nicht sein Kind. Nach dem am 7.11.1978 beim Bezirksgericht Dornbirn eingelangten Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck ist der Kläger sowohl auf Grund des Rhesussystems als auch des Enzymsystems der Sauren Phosphate serologisch als Vater des Kindes ausgeschlossen. Dieses Gutachten wurde in Anwesenheit des Klägers und seines Vertreters in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15.1.1979 dargetan. Ein zur überprüfung eingeholtes, am 11.10.1979 beim Bezirksgericht Dornbirn eingelangtes, in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.12.1979 verlesenes Gutachten bestätigte das Ergebnis des ersten serologischen Gutachtens. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 20.12.1979, C 1268/78-24, bestätigt mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15.9.1981, R 77/80-30, wurde rechtskräftig ausgesprochen, daß das vom Kläger vor der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis rechtsunwirksam sei. Der leibliche Vater des Andreas Josef B ist nicht bekannt. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9.12.1982, 16 b E Vr 324/82, Hv 1042/82 wurde die Beklagte des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt: Sie hat am 24.11.1978 und am 15.1.1979 im Verfahren C 1268/78 des Bezirksgerichtes Dornbirn als Zeugin durch die Behauptung, innerhalb des kritischen Zeitraumes mit keinem anderen Mann als dem Kläger geschlechtlich verkehrt zu haben, falsch ausgesagt. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch fand keinen hinreichenden Grund für die Einleitung eines gegen die Beklagte wegen schweren Betruges nach den §§ 146 f.StGB gerichteten Strafverfahrens und legte die Anzeige des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 23.7.1984 gemäß § 90 Abs 1 StPO am 8.8.1984 zurück. Der Kläger begehrt in der am 11.1.1984 eingebrachten Klage aus dem Titel des Schadenersatzes den Zuspruch des Betrages von S 178.749,40 samt Anhang. Er brachte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, vor, er habe die Vaterschaft zu dem am 26.2.1963 geborenen Sohn der Beklagten nur anerkannt und in der Folge Unterhaltsleistungen erbracht, weil ihm die Beklagte versichert habe, daß sie im Empfängniszeitraum ausschließlich zu ihm Beziehungen unterhalten habe.

Die Beklagte wendete ein, allfällige Schadenersatzansprüche des Klägers unterlägen der dreijährigen Verjährung des § 1489 ABGB. Diese habe mit dem Zeitpunkt begonnen, als dem Kläger das serologische Gutachten zur Kenntnis gelangt sei, spätestens sei dieser Zeitpunkt aber mit der Zustellung des Urteiles des Erstgerichtes im Verfahren C 1268/78 des Bezirksgerichtes Dornbirn am 8.1.1980 anzunehmen. Verjährung sei daher auf jeden Fall bereits am 8.1.1983 eingetreten.

Der Kläger erwiderte, die Verjährungsfrist habe erst mit der Rechtskraft des im Verfahren C 1268/78 des Bezirksgerichtes Dornbirn ergangenen Urteiles zu laufen begonnen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bereits zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom ersten Gutachten am 6.11.1978 habe sich der Kläger im klaren darüber sein müssen, welche Unterhaltsbeiträge er im Laufe der Jahre geleistet habe und welche Person er als allfälligen Schädiger in Anspruch nehmen müsse. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe er eine objektive aussichtsreiche Grundlage für die auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützte Klagsführung gehabt. Der Kläger habe nicht dargetan, daß er an der Geltendmachung seiner Schadenersatzansprüche gehindert gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Erwägungen der Kläger so lange mit der Klagsführung zugewartet habe.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Die Revision erklärte es für zulässig. Es billigte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß eine dreijährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage bereits abgelaufen gewesen sei, vertrat aber die Ansicht, daß für den Anspruch des Klägers gemäß § 1489 Satz 2 ABGB eine dreißigjährige Verjährungszeit gelte. Es stehe fest, daß die Beklagte durch die bewußt wahrheitswidrige Behauptung, sie habe in der kritischen Empfängniszeit mit dem Kläger allein Geschlechtsverkehr gehabt, nur dieser komme daher als Vater des von ihr am 26.2.1963 geborenen Kindes in Betracht, den Kläger zum Anerkenntnis der Vaterschaft zu diesem Kind veranlaßt habe. Dieses Verhalten der Beklagten stelle sich als arglistige Irreführung und damit als zivilrechtlicher Betrug im Sinne der Vorschrift des § 870 ABGB dar. Das Verhalten der Beklagten stelle aber darüber hinaus auch den Tatbestand des Betruges gemä3 § 146 StGB dar. Es sei zwar richtig, daß die Staatsanwaltschaft Feldkirch die Anzeige gegen die Beklagte am 8.8.1984 gemäß § 90 Abs 1 StPO zurückgelegt habe. über das Vorliegen eines strafbaren Tatbestandes habe der Zivilrichter daher, da eine Bindungswirkung im Sinne des § 268 ZPO fehle, wie über jede andere Vorfrage selbständig zu entscheiden. Dies gelte insbesondere auch im Falle der Einstellung eines Strafverfahrens, wenn es sich darum handle, ob wegen Vorliegens einer strafbaren Handlung die längere Verjährungszeit nach § 1489 ABGB anzuwenden sei. Die Beklagte habe im Sinn des § 5 Abs 1 StGB vorsätzlich zumindest in der Schuldform des dolus eventualis gehandelt, also insoweit, als sie die Verwirklichung eines Sachverhaltes ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden habe. Es könne nicht bezweifelt werden, daß die Beklagte von einem weiteren Mann, der mit ihr innerhalb der kritischen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt habe, gewußt habe. Sie habe damit in Kauf genommen, daß der Kläger durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung verleitet werde, die ihn am Vermögen schädige, einen Dritten, das Kind, unrechtmäßig bereichern sollte. Da diese gerichtlich strafbare Handlung mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sei, erlösche das Klagerecht nach dreißig Jahren. Die Klage könne daher auf den Titel des Schadenersatzes gestützt werden, ohne daß sie verfristet wäre. Es sei nicht richtig, daß der Kläger insoweit ein ausreichendes Tatsachenvorbringen im Rahmen des Verfahrens in erster Instanz nicht erstattet hätte. In der Klage habe er behauptet, die Beklagte habe wider besseres Wissen versichert, nur mit ihm geschlechtlich verkehrt zu haben. Dies habe ihn zur Anerkennung der Vaterschaft veranlaßt. Damit aber habe er auch in Erfüllung seiner vermeintlichen Unterhaltspflicht regelmäßig Beiträge geleistet, die er aus dem Titel des Schadenersatzes nun von der Beklagten zurückersetzt verlange. Auf diese Weise sei den Voraussetzungen des § 226 ZPO über den notwendigen Klagsinhalt hinreichend Rechnung getragen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Der Kläger bestreitet in seiner Revisionsbeantwortung nicht mehr die zutreffende Rechtsansicht der Vorinstanzen, die dreijährige Verjährungsfrist, die mit dem Vorliegen des Blutgruppengutachtens im Verfahren C 1268/78 des Bezirksgerichtes Dornbirn zu laufen begann (EFSlg 22.673; EvBl 1957/314), sei zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 11.1.1984 bereits verstrichen gewesen, nicht. Andererseits kann der Revisionswerberin nicht gefolgt werden, daß schon die Zurücklegung der Mitteilung des Oberlandesgerichtes Innsbruck durch die Staatsanwaltschaft Feldkirch am 23.7.1984 gemäß § 90 Abs 1 StPO für das Zivilgericht bindend sei. Ein Fall des § 268 ZPO liegt nicht vor. Fehlt es an einem Straferkenntnis, weil ein Strafverfahren gar nicht eingeleitet, eingestellt oder mit einem Freispruch beendet wurde, so obliegt die Feststellung und Beurteilung, ob im Sinn des § 1489 Satz 2 ABGB ein Verbrechen vorliegt, ausschließlich dem Zivilrichter (GlUNF 6907; Klang 2 VI 637). Es fehlt aber sowohl an Behauptungen des Klägers als auch an Feststellungen der Tatsacheninstanzen, die die Beurteilung zuließen, die Beklagte habe ein solches Verbrechen begangen.

Der im strafrechtlichen Sinn zu verstehende Verbrechensbegriff des § 1489 ABGB schließt die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit ein (EvBl 1977/41; JBl 1966, 209). Dies bedeutet sowohl nach dem Betrugsbegriff des § 197 StG als auch nach dem des § 146 StGB, daß der Eintritt der Vermögensschädigung zumindest vom bedingten Vorsatz der Beklagten umfaßt gewesen sein muß (EvBl 1978/80; Leukauf-Steininger 2 § 146 StGB Rz 42; RZ 1973/51; EvBl 1973/22; EvBl 1972/137 ua). Die Beklagte gibt zwar erstmals in der Revision zu, sie habe bewußt wahrheitswidrig dem Kläger und dem Bezirksjugendamt Feldkirch gegenüber angegeben, ausschließlich der Kläger habe ihr in der gesetzlichen Vermutungszeit des § 163 ABGB beigewohnt. Für die Annahme eines bedingten Vorsatzes wäre aber die Feststellung erforderlich, die Beklagte habe es ernstlich für möglich gehalten, der Kläger sei nicht der Vater des Kindes, sie habe dadurch das mit ihrem Handeln verbundene Risiko für geschützte Rechtsgüter erkannt, die Tatbildverwirklichung als naheliegend angesehen und sich damit abgefunden (SSt 46/8; EvBl 1975/282; Leukauf-Steininger 2 § 5 StGB Rz 16). Um bedingten Vorsatz annehmen zu können, müßte die Wahrscheinlichkeit des Erfolges so groß gewesen sein, daß es naheliegend gewesen wäre, die Beklagte habe sich mit seinem Eintreten abgefunden (Nowakowski in Wiener Kommentar § 5 StGB Rz 13). Wie bereits in der Entscheidung SSt 30/108 ausgeführt wurde, trifft bei der bewußt falschen Angabe einer Mutter, nur ein Mann habe ihr in der kritischen Zeit beigewohnt, die Annahme eines Schädigungsvorsatzes gewiß zu, wenn sie mit dem Mann überhaupt nicht geschlechtlich verkehrt oder beim ersten Geschlechtsverkehr innerhalb der kritischen Zeit mit ihm bereits gewußt hat, daß sie von einem anderen Mann bereits geschwängert worden ist. Treffen diese Voraussetzungen aber nicht zu und ist die Mutter der Meinung, daß auch die wahrheitsgemäße Angabe des Mehrverkehrs in der gesetzlichen Empfängniszeit die Vaterschaft des im Vaterschaftsprozeß Beklagten und dessen Verpflichtung zum Unterhalt im Sinne der Bestimmung des § 163 Abs 1 ABGB nicht ausschließen würde, kann von Schädigungsabsicht nicht gesprochen werden. Sie müßte es vielmehr ernstlich für möglich gehalten haben, daß der im Vaterschaftsprozeß Beklagte nicht der Vater ihres Kindes ist und sich mit einer durch ihre unvollständigen Angaben eingetretenen Schädigung des dortigen Beklagten abgefunden haben. Während das Ablaufen der als Regel anzusehenden dreijährigen Verjährungszeit des § 1489 ABGB der Schädiger zu beweisen hat, obliegt es dem Geschädigten, der gemäß § 1489 Satz 2 ABGB ausnahmsweise die dreißigjährige Verjährungszeit für die von ihm geltend gemachte Forderung in Anspruch nimmt und auf keine entsprechende strafgerichtliche Verurteilung der Beklagten verweisen kann, die Voraussetzungen der längeren Verjährungszeit zu behaupten und zu beweisen. Wer nämlich behauptet, daß eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel vorliegt, den trifft dafür die Beweislast (Rosenberg, Die Beweislast 5 124 f.; Leipold, Beweislastregel und gesetzliche Vermutungen 53 ff.). Der Kläger hat auf die Einwendung der Beklagten, die dreijährige Verjährungszeit sei bereits bei Einbringung der Klage abgelaufen gewesen, nur erwidert, diese habe später zu laufen begonnen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes brachte der Kläger demnach keine Tatsachen vor, aus denen der Schluß auf das Vorliegen eines Verbrechens im Sinne des § 1489 Satz 2 ABGB gerechtfertigt wäre.Auch entsprechende Feststellungen fehlen. Auch (überschießende) Feststellungen wurden von den Tatsacheninstanzen auch nicht getroffen. Die Beklagte berief sich daher zutreffend darauf, der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei verjährt.

Der Revision ist Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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