OGH 10Os57/85

OGH10Os57/854.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helga A und andere wegen des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit a und c PornG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Helga A, Mario A und Hermann B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2.April 1985, GZ 27 Vr 3291/83-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil in seinem schuldigsprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden) Urteil wurden Helga A, Mario A und Hermann B des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit a und c PornG schuldig erkannt. Darnach haben in Innsbruck im Jahre 1983 bis zum 11.Oktober 1983 Helga A als Geschäftsinhaberin und Mario A sowie Hermann B als Verkäufer in gewinnsüchtiger Absicht verschiedene unzüchtige Magazine, Bücher und Filme zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten bzw. anderen angeboten.

Gegen diese Schuldsprüche haben alle Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerden erhoben und diese in einem gemeinsam verfaßten Schriftsatz unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 1, 4, 5 und 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO ausgeführt. Berechtigt sind die Beschwerden, sofern die erstrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Relevierung der Mängelrüge (Z 5), der Sache nach - teilweise - auch aus der Z 9 lit a bekämpft werden.

Rechtliche Beurteilung

Sagt das Gesetz über die innere Tatseite bei einem Tatbild nichts aus, so ist nach § 7 Abs. 1 StGB zur Strafbarkeit Vorsatz erforderlich. Mangels einer diesbezüglichen Bestimmung im Pornographiegesetz ist daher zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes in Ansehung sämtlicher im § 1 Abs. 1 PornG inkriminierten Verhaltensweisen Vorsatz des Täters erforderlich. Bedingter Vorsatz genügt (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 , Anm D zu § 1 PornG), doch muß die (jeweilige) Tathandlung darüber hinaus in gewinnsüchtiger Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) begangen worden sein.

Hinsichtlich Helga A hat das Erstgericht festgestellt, daß ihr der - ersichtlich unzüchtige - Inhalt der verfahrensgegenständlichen

Druckwerke und Filme bekannt war (US 10: ..... wußte .... über den Inhalt ..... Bescheid;

US 16: .....weshalb ihr auch der Inhalt bekannt war ....). Diese Feststellung stützte es auf die Tatsache, daß diese Angeklagte die von ihr bezogenen Druckwerke und Filme teilweise durchgesehen habe, 'weshalb ihr auch der Inhalt bekannt war'. Zu Recht bemängelt die Beschwerdeführerin unter Geltendmachung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, daß damit vorsätzliches Handeln ihrerseits nicht ausreichend begründet wird. Werden nämlich Druckwerke und Filme bloß 'teilweise' durchgesehen, ist der Schluß darauf, daß deshalb dem Durchsehenden der gesamte Inhalt bekannt ist, keineswegs zwingend. Diese Begründung reicht nur für die Annahme aus, daß der Angeklagten Helga A der Inhalt jener Schriften, Abbildungen und Laufbilder bekannt war, die von ihr tatsächlich durchgesehen wurden. Dem Ersturteil läßt sich jedoch auch nicht entnehmen, auf welche der zahlreichen im Urteilsspruch aufgezählten Magazine und Filme sich das Gericht dabei bezogen hat, weshalb auch eine nur teilweise Zuordnung nicht vorgenommen werden könnte. Die Begründung des Ersturteils, warum bei dieser Beschwerdeführerin Vorsatz in Ansehung des unzüchtigen Inhalts aller verfahrensgegenständlichen Druckwerke und Filme angenommen wurde, ist daher unvollständig und zudem undeutlich im Sinne des genannten Nichtigkeitsgrundes. Zur subjektiven Tatseite der Angeklagten Mario A und Hermann B stellt das Ersturteil fest (US 16), daß diese Beschwerdeführer 'es für möglich hielten, daß diese (Zeitschriften und Filme) unzüchtige Darstellungen enthalten.' Mit Recht wendet sich die Beschwerde, zwar in der Ausführung der Mängelrüge der Sache nach allerdings einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) relevierend, dagegen, daß diese Feststellung zur Annahme des zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Vorsatzes nicht ausreicht.

Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich (darüber hinaus auch) mit ihr abfindet (§ 5 Abs. 1 StGB). Auf den gegenständlichen Fall bezogen ist daher zur Annahme vorsätzlichen Handelns der Angeklagten Mario A und Hermann B erforderlich, daß sie zumindest ernstlich mit der Möglichkeit gerechnet und sich außerdem damit abgefunden haben, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Schriften, Abbildungen und Laufbildern um 'unzüchtige' im Sinne des § 1 Abs. 1 lit a PornG gehandelt hat. Hält nämlich ein Täter eine Tatbestandsverwirklichung - wie das Ersturteil hinsichtlich der Angeklagten Mario A und Hermann B feststellte - nur für möglich (nicht jedoch ernstlich für möglich), besagt dies, daß er durchaus auch bloß bewußt fahrlässig handeln kann, wenn er - wenngleich auch leichtfertig - darauf vertraut, den Erfolg nicht herbeizuführen. Bedingt vorsätzlich im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 5 Abs. 1 StGB handelt nämlich nur, wer die Verwirklichung des deliktischen Sachverhaltes ernstlich für möglich hält, das heißt, das Risiko so hoch einschätzt, daß er die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes als naheliegend ansieht (Wissenskomponente), sich aber dennoch zur Tat entschließt, weil er auch einen solchen nachteiligen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist (Willenskomponente).

Dazu kommt, daß das Ersturteil jegliche Ausführungen für die zur Beurteilung des bedingten Vorsatzes neben der Wissenskomponente ebenfalls notwendige Willenskomponente in Ansehung der Tatbildverwirklichung vermissen läßt. Nur wenn der Täter gewillt ist, den Eintritt des verpönten Erfolges hinzunehmen, sich mithin mit diesem abfindet, ist damit die erforderliche Willensrelation zwischen Täterverhalten und Tatbildverwirklichung gegeben (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , RN 16, 17, 18 zu § 5 StGB). Die getroffenen Feststellungen reichen somit für die Annahme bedingt vorsätzlichen Verhaltens hinsichtlich sämtlicher Angeklagten nicht aus, sodaß eine Verfahrenserneuerung unumgänglich ist; die Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite lassen auch eine abschließende Beurteilung über die Anwendbarkeit des § 42 StGB nicht zu, was der Vollständigkeit halber zum Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO gesagt sei. Ohne daß es hingegen eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdepunkte bedurfte, war daher schon in nichtöffentlicher Beratung den zum Vorteil der Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit ihren (dadurch gegenstandslos gewordenen) Berufungen waren die Angeklagten demgemäß auf diese Entscheidung zu verweisen.

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