OGH 4Ob511/85

OGH4Ob511/854.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Teresa Krystyna A, Arbeiterin, 1210 Wien, Freytaggasse 1-14/30/7, vertreten durch Dr. Franz Speierl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B Immobilienverwaltungsgesellschaft m.b.H., 1050 Wien, Fendigasse 24, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Rechtsanwalt in Wien, wegen übergabe einer Wohnung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Juli 1984, GZ 41 R 586/84-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 29. März 1984, GZ 6 C 867/82-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wieder hergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.377,-- (darin enthalten S 119,40 Umsatzsteuer und S 64,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 1.504,96 (darin enthalten S 119,36 Umsatzsteuer und S 192,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr die Wohnung Nr. 14 im Hause 1150 Wien, Iheringg. 29, zur ungestörten Benützung zu übergeben. Sie brachte vor, Hauptmieterin der Wohnung zu sein und diese bis zum 30. Juli 1982 ungestört benützt zu haben. Als sie an diesem Tage die Wohnung betreten wollte, habe sie feststellen müssen, daß diese geräumt war.

Erhebungen bei Gericht hätten ergeben, daß auf Grund einer gegen Maria A eingebrachten Aufkündigung Exekution gegen Theresia M. A bewilligt worden sei. Da die Klägerin jedoch Theresa Krystyna A heiße, sei weder die gerichtliche Aufkündigung noch die bewilligte Exekution zur zwangsweisen Räumung der gegenständlichen Wohnung wirksam erlassen worden und die Hauptmietrechte der Klägerin bestünden ungekündigt aufrecht.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Sie brachte vor, daß der Mietvertrag für die gegenständliche Wohnung tatsächlich mit Theresa A abgeschlossen, die Kündigung indes gegen Maria A und der Exekutionsantrag gegen Theresa M. A gerichtet worden sei. Die Klägerin habe sich jedoch als Mieterin gegenüber der beklagten Partei mit verschiedenen Vornamen bezeichnet. Die Mahnschreiben wegen der Mietzinsrückstände seien jeweils an Maria A gerichtet und weder beanstandet noch als nicht angenommen oder mit dem Vermerk, daß der Empfänger unbekannt sei, an die beklagte Partei zurückgelangt.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest: Am 22. März 1982 wurde eine von der beklagten Partei gegen Maria A gerichtete Aufkündigung der Wohnung Nr. 14 in Wien 14., Iheringg. 29, durch Hinterlegung zugestellt. Mit Beschluß vom 17. Mai 1982 bewilligte das Bezirksgericht Fünfhaus gegen die verpflichtete Partei Theresa M. (richtig: Teresa M.) A die Räumungsexekution. Die Exekutionsbewilligung wurde der verpflichteten Partei am 2. Juni 1982 durch Hinterlegung zugestellt, die Räumungsexekution am 30. Juni 1982 in ihrer Abwesenheit vollzogen. Am 2. August 1982 erschien Theresa A (laut Unterschrift: Teresa A) beim Erstgericht und gab dort an, die Kündigung nicht erhalten zu haben; sie ersuche daher, ihr die Kündigung, den Exekutionsbewilligungsbeschluß und die anläßlich der zwangsweisen Räumung vorgefundenen, vom Vollstrecker zum Akt genommenen Dokumente auszufolgen. In der Folge brachte sie einen Rekurs gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß ein, in dem sie ihren Namen mit Theresa Krystyna A angab und sich selbst - wie auch in allen folgenden Eingaben - als verpflichtete Partei bezeichnete. Der Rekurs wurde vom Gericht zweiter Instanz zurückgewiesen. Dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs gab der Oberste Gerichtshof nicht Folge.

Das Erstgericht beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich folgendermaßen: Die Kägerin sei im Exekutionsverfahren (6 K 62/82 des Bezirksgerichtes Fünfhaus) wiederholt als verpflichtete Partei eingeschritten. Daran ändere der Umstand nichts, daß der im Exekutionsantrag und in der Exekutionsbewilligung aufscheinende Hinweis auf einen weiteren Vornamen der verpflichteten Partei ('M.') nicht richtig sein möge. An der Identität mit der verpflichteten Partei des Exekutionsverfahrens habe die Klägerin nach ihrem Verhalten im Exekutionsverfahren keinen Zweifel aufkommen lassen, weshalb der Exekutionsbewilligungsbeschluß vom 17. Mai 1982 ihr gegenüber rechtswirksam geworden sei. Angesichts dessen müsse im Sinne der Entscheidung SZ 28/184 angenommen werden, daß auch die Kündigung vom 15. März 1982 gegenüber der Klägerin rechtswirksam geworden sei, und der Mietvertrag als aufgelöst betrachtet werden. Demzufolge habe aber die Klägerin keinen Anspruch auf Rückübergabe der Wohnung.

Die zweite Instanz änderte das Ersturteil im Sinne der Klagsstattgebung ab. Es prach aus, daß der von der Abänderung betroffene Streitgegenstand S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,--, übersteigt und die Revision nicht zulässig sei.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei streitentscheidend, ob das Mietverhältnis durch die gegen Maria A gerichtete Aufkündigung zur Auflösung gebracht wurde. Dies sei zu verneinen, weil die gegen Maria A gerichtete Aufkündigung - als formstrenge Prozeßhandlung im Sinne des § 562 ZPO - einen Exekutionstitel gegen Theresa M. A nicht zu begründen vermocht habe. Gegen die letztgenannte Verpflichtete hätte somit die Exekution nicht bewilligt werden dürfen. Die dennoch erfolgte Bewilligung und die Durchführung der Räumung hätte daher die Auflösung des Bestandverhältnisses nicht zur Folge gehabt. Nur für den Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des § 863 ABGB hätte eine solche, nicht den Formerfordernissen entsprechende Aufkündigung materiell eine Beendigung des Mietverhältnisses bewirken können, ohne aber jemals einen formellen Exekutionstitel gegen Teresa Krystyna A zu begründen. Von einer konkludenten Auflösung könne aber schon deshalb keine Rede sein, weil sich die Klägerin im Exekutionsverfahren mit allen Mitteln gegen eine Beendigung des Bestandverhältnisses zur Wehr gesetzt und auch Einwendungen erhoben habe. Die Zurückweisung der Einwendungen sei ohne Bedeutung, da selbst die Unterlassung von Einwendungen gegen die Aufkündigung, weil diese nicht gegen die Klägerin gerichtet gewesen sei, eine Beendigung des Mietverhältnisses nicht hätte zur Folge haben können. Mangels einer gegen Teresa Krystyna A vorhandenen rechtskräftigen Aufkündigung sei daher das Bestandverhältnis aufrecht und dem Klagebegehren deshalb Folge zu geben. Der Ausspruch über den Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes beruhe auf § 500 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO, jener über die Unzulässigkeit der Revision auf §§ 500 Abs 3, 502 Abs 4 Z 1

ZPO. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung für die Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung liege nicht vor.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt die beklagte Partei die außerordentliche Revision mit dem Antrag auf deren Zulassung und die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise einem Aufhebungsantrag. Die beklagte Partei erblickt die - auch die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende - erhebliche Rechtsfrage darin, daß die obschon im Aufkündigungs- und anschließenden Räumungsverfahren unrichtig bezeichnete Partei, die nicht alle möglichen Rechtsmittel gegen die 'unrichtige Exekutionsbewilligung' ausgeschöpft habe, 'das im Exekutionsverfahren versäumte Rechtsmittel nicht durch eine auf materiellrechtliche Ansprüche gestützte Klage nachholen bzw. ersetzen' könne. Die Entscheidung dieser Frage sei wesentlich zur Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die außerordentliche Revision zurückzuweisen und, für den Fall ihrer Zulassung, ihr nicht Folge zu geben. Sie beanstandet, daß die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision nicht formgerecht begründet werde. Die beklagte Partei lege insbesondere nicht dar, wieso im konkreten Fall eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung von besonderer Bedeutung wäre, und behaupte auch nicht, daß die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes abwiche sowie daß eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle oder uneinheitlich sei. Die außerordentliche Revision ist zulässig.

Richtig ist, daß gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO bei einer außerordentlichen Revision im Revisionsschriftsatz gesondert die Gründe auszuführen sind, warum, entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO die Revision für zulässig erachtet wird. Der Meinung der Klägerin, daß die beklagte Partei dieser Vorschrift nicht entsprochen habe, sodaß die außerordentliche Revision zurückzuweisen sei, kann indes nicht beigepflichtet werden.

Die Revisionswerberin hat vielmehr die Gründe für die Zulässigkeit der Revision, wie oben wiedergegeben, mit hinreichender Bestimmtheit dargestellt. In der Tat ist die hier angeschnittene Frage von einer über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Bedeutung für die Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch gerechtfertigt. Entscheidend ist die Frage, ob die im Kündigungsprozeß und im anschließenden Exekutionsverfahren mit unrichtigen Vornamen bezeichnete Partei, die jedoch als Verpflichtete aufgetreten ist, nach durchgeführter Exekution (Räumung) die Rückübergabe der den Verfahrensgegenstand bildenden Wohnung mit der Behauptung verlangen kann, daß die Aufkündigung nicht rechtswirksam geworden sei. Dies ist zu verneinen, weil zwischen der Klägerin im gegenständlichen Verfahren und der Beklagten bzw. Verpflichteten im Titelprozeß und im Exekutionsverfahren Identität gegeben ist. Wie der Oberste Gerichtshof schon in der im Exekutionsverfahren zwischen den Parteien zu 3 Ob 153/82 ergangenen Entscheidung ausführte, konnte die Identität der Beklagten im Titelprozeß mit der damaligen Verpflichteten nicht zweifelhaft sein. Diese sei im Exekutionsverfahren wiederholt 'als verpflichtete Partei' eingeschritten. Es hätte demnach kein Grund bestanden, den - allerdings verspäteten und deshalb zurückzuweisenden - Rekurs der Verpflichteten gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß wegen mangelnder Legitimation zurückzuweisen.

Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stimmt mit der Lehre darin überein, daß es auf die Wesensgleichheit der Parteien des Titelmit denen des Exekutionsverfahrens ankommt. Wenn daher - wie hier - sich der Verpflichtete mit der im Exekutionstitel bezeichneten Person identifiziert, können Zweifel an der Wesensgleichheit der Person nicht bestehen (3 Ob 233/74, 3 Ob 41/77, 3 Ob 133/81, 2 Ob 542/83, 3 Ob 89/83, 3 Ob 166/83; Heller-Berger-Stix 181). Die unterschiedliche Bezeichnung der Vornamen der nunmehrigen Klägerin im seinerzeitigen Titel- und im Exekutionsverfahren vermögen daher an der rechtswirksamen Auflösung des Bestandverhältnisses nichts mehr zu ändern. Nur dann, wenn es sich bei der Klägerin (= der Gekündigten bzw. Verpflichteten im Vorprozeß und im Exekutionsverfahren) um eine andere oder um eine nicht existente Partei gehandelt hätte (zu letzterem Fall Fasching Zivilprozeßrecht RZ 329; Holzhammer 2 70; Rechberger Exekution 68, 69, 78), wäre vom Fortbestand des ursprünglichen Mietverhältnisses zwischen den Parteien auszugehen. In Ermangelung derartiger Umstände, die die Klägerin aber selbst nicht behauptet, steht einem Erfolg der Klage die rechtswirksame Auflösung des Mietverhältnisses durch Aufkündigung im Wege. Der Revision war demnach Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

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