OGH 13Os34/85

OGH13Os34/8530.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner A und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1

SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef B sowie über die Berufung des Angeklagten Werner A gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 18. September 1984, GZ 26 Vr 1802/84-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Stanger, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Strickner, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Josef B und Werner A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Josef B und das Ehepaar Werner und Waltraud A wurden des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. (I), des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. (II), des teils gewerbsmäßig begangenen (§ 38 Abs 1

lit a FinStrG.) Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG.

(III A und B), sowie des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG. (IV) schuldig erkannt. Die Annahme zweier Vergehen des Schmuggels (eines gemeinen und eines gewerbsmäßigen Schmuggels) war verfehlt, weil es sich um einen und denselben Tatbestand (§ 35 Abs 1 FinStrG.) handelt und § 38 FinStrG. nur strafsatzerhöhende Umstände (Qualifikationen) normiert. Indes ist jeweils nur eine Geldstrafe nach § 38 Abs 1 FinStrG. ausgesprochen worden (siehe § 21 Abs 1 und 2 FinStrG.) und sonach den Angeklagten kein Nachteil (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO) erwachsen. Den drei Verurteilten liegt zur Last, mit Gemeingefährdungsvorsatz teils zu dritt, teils zu zweit als Mittäter, teils aber auch allein Heroin, Kokain, Cannabis und Methadon nach Österreich zum Teil gewerbsmäßig, zum Teil ohne diese Absicht geschmuggelt und vor allem im Raum Kufstein verkauft (I, III), solche Suchtgifte auch gesondert für den Eigenverbrauch erworben und besessen und ferner in Kenntnis ihres Schmuggels gekauft und verhandelt zu haben (II und IV). Josef B macht Nichtigkeit des Schuldspruchs nach § 281 Abs 1 Z. 3, 5, 9 lit a und b StPO geltend, den Strafausspruch bekämpfen er und Werner A mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Als Verfahrensmangel (Z. 3) rügt der Beschwerdeführer, zufolge der 'Ausdehnung' der Anklage auf die Finanzvergehen in der Hauptverhandlung sei er um die ihm gemäß § 221 Abs 1 StPO zustehende dreitägige Vorbereitungsfrist gebracht worden. Auf eine 'andere Tat' (§ 263 StPO) ist die Anklage nicht ausgedehnt worden. Vielmehr hat der Staatsanwalt und nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint - die Finanzstrafbehörde den Anklagesachverhalt auch (Tateinheit) nach § 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 37 Abs 1 lit a FinStrG.

beurteilt. Dessen hätte es nicht bedurft, weil das Gericht gemäß § 262 StPO

nur an die in der Anklage inkriminierten physischen Handlungen, nicht aber an die dortige Bezeichnung der Tat gebunden ist. Es kann vielmehr, abweichend von der Anklage, das Zusammentreffen mehrerer Deliktstypen in Tateinheit selbständig annehmen. Dazu sollen zwar die Parteien gemäß § 262 StPO gehört werden; doch steht dies nicht unter Nichtigkeitssanktion (§ 262 StPO ist im § 281 Abs 1 Z. 3 StPO nicht angeführt).

Da Gegenstand der Anklage und folglich auch ihrer Ausdehnung (§ 263 StPO) nur eine 'Tat', d.i. ein menschliches Verhalten, sein kann (§ 267

StPO), nicht aber eine Rechtsansicht (rechtliche Beurteilung einer Tat:

§ 262 StPO), die Fristen des § 221 StPO aber der Vorbereitung auf die Verhandlung über den Tatvorwurf der Anklage dienen sollen, greift § 221

StPO hier gar nicht ein. Mit anderen Worten: An der 'Anklagetat' hat sich durch ihre Unterstellung auch unter Tatbestände des Finanzstrafgesetzes nichts geändert. Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß selbst bei einer wirklichen Ausdehnung der Anklage (auf eine neue Tat) der diesen Fall regelnde § 263 StPO dem Angeklagten bloß ausnahmsweise das Recht gibt, die sofortige Verhandlung und Urteilsfällung zu verweigern, d.h. im Ergebnis (Vertagung oder Vorbehalt des neuen Faktums) eine gesonderte Vorbereitung durchzusetzen (§ 263 Abs 1, zweiter Satz, sowie Abs 2 und 3 StPO).

Die Mängelrüge (Z. 5) wird mit der Behauptung eines Protokollierungsfehlers eingeleitet, der nicht vorliegt. Wird doch inhaltlich des Protokolls gar nicht gesagt, daß die Mutter und die Freundin des Rechtsmittelwerbers Suchtgift konsumiert hätten, sondern nur, daß diese Personen über den Rauschgiftverbrauch des Angeklagten nicht unterrichtet waren.

Dem Mängelvorbringen zuwider entbehrt die Urteilsfeststellung, daß die Gendarmerie Hinweise aus der Bevölkerung auf eine Dealertätigkeit der Ehegatten Werner und Waltraud A und des Beschwerdeführers erhalten hat, ebensowenig aktenmäßiger Deckung (verlesene Anzeige Bd. I S. 269) wie die Annahme, daß B sich ab Herbst 1983 wegen persönlicher Schwierigkeiten mit den Eltern sehr häufig in der Wohnung des Ehepaars A aufgehalten hat (Bd. II S. 128; vgl. die Verantwortung der Waltraud A in Bd. II S. 109). Zudem ist letztere Feststellung keine entscheidende im Sinn des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO

In dem sein festgestelltes Naheverhältnis zum Drogendealer C und seine Beteiligung am Drogenverkauf in Österreich betreffenden Beschwerdevorbringen übergeht der Nichtigkeitswerber die vom Gerichtshof über die Glaubwürdigkeit der ihn belastenden Angaben der Mitangeklagten angestellten Erwägungen (Bd. II S. 138 bis 140). Er beschränkt sich auf die Wiedergabe seiner Verantwortung, welche - ebenso wie der kurzzeitige Versuch der Waltraud A, ihn zu entlasten (Bd. I S. 475) - vom Schöffensenat in diesem Zusammenhang ohnehin erörtert, jedoch als unglaubwürdig beurteilt worden ist. Der unzulässige Angriff auf die Beweiswürdigung gipfelt in der Behauptung, ein Verkauf von Suchtgift durch eine selbst von Drogen abhängige Person sei nach den Denkgesetzen auszuschließen. Soweit sich der Beschwerdeführer aber auf eine angeblich nach der Hauptverhandlung hervorgekommene Bereitschaft des Werner A zur Zurücknahme der ihn belastenden Bezichtigungen beruft, bringt er neue Tatsachen vor, welche im Nichtigkeitsverfahren keine Berücksichtigung finden können.

Den Hinweisen in der Mängelrüge auf Aussagen von Zeugen, welche behaupteten, nur von Werner A, nicht aber vom Drittangeklagten Rauschgift erhalten zu haben, ist zu entgegnen, daß hierin kein der Erörterung bedürftiger Widerspruch zu den Tatsachenannahmen des Erstgerichts erkennbar ist. Diesen zufolge hat der Beschwerdeführer die Verkaufstätigkeit nicht selbst ausgeübt, sondern nach außen den Erstangeklagten in Erscheinung treten lassen. Daher vermag auch die Behauptung der Waltraud A, den Rechtsmittelwerber nicht bei solchen Verkäufen beobachtet zu haben, diesen keineswegs zu entlasten. Zudem hat die Genannte angegeben, daß ihr von den Komplizen bewußt keine Gelegenheit zu Wahrnehmungen dieser Art geboten wurde. Auch die Urteilsannahme, daß B während eines Zeitraums von kaum mehr als drei Wochen von der Wohnung der Ehegatten A aus neunzehn Telephongespräche geführt hat, entbehrt keineswegs einer stichhältigen Begründung. Hiefür reicht der Hinweis auf das Ergebnis der Telephonüberwachung aus Anlaß des gegenständlichen Strafverfahrens (Bd. II S. 139 mit Beziehung auf Bd. I S. 159). Die vom Schöffengericht hieraus und aus weiteren Umständen gezogene Schlußfolgerung auf ein besonderes Naheverhältnis zum als Dealer auftretenden Werner A stellt einen im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zulässigen Wahrscheinlichkeitsschluß dar, der im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpft werden kann. Einer Auseinandersetzung mit den nach der Aktenlage vom Beschwerdeführer jeweils anläßlich der Einreisen nach Österreich in seinem Gewahrsam mitgeführten Rauschgiftmengen hat es nicht bedurft, weil er als Mittäter der Eheleute A für das gesamte gemeinsam eingeführte Suchtgift strafrechtlich haftet. In diesem Zusammenhang nunmehr vermißte Beweisaufnahmen sind in der Hauptverhandlung nicht beantragt worden.

In der Rechtsrüge bestreitet der Angeklagte irrig (§ 22 FinStrG.) die Richtigkeit der Annahme eintätigen Zusammentreffens von Finanzvergehen mit den strafbaren Handlungen nach § 12 Abs 1, 16 Abs 1 Z. 2 SuchtgiftG. In welcher Beziehung die Vorschrift des § 28 StGB - die auch Fälle eintätigen Zusammentreffens regelt - dieser Annahme entgegenstehen soll, wird in der Beschwerde nicht erörtert und bleibt unerfindlich.

Die Bestreitung der subjektiven Tatseite des § 12 Abs 1 SuchtgiftG. verläßt den Boden des prozeßordnungsgemäß erforderlichen Vergleichs des Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz und verliert sich erneut darin, daß die Beweisergebnisse für den Beschwerdeführer günstigere Schlußfolgerungen zugelassen haben würden. Prozeßordnungswidrig ausgeführt ist auch die weitere Rüge, worin die Eignung der von B selbst importierten Rauschgiftmengen zur Herbeiführung der im § 12 SuchtgiftG. vorausgesetzten Gemeingefahr negiert wird. Die Behauptung nämlich, an den Rauschgiftimporten der Mitangeklagten und am Verkauf der eingeführten Quantitäten überhaupt nicht beteiligt gewesen zu sein, ist urteilsfremd (Bd. II S. 128 unten, 129, erster Absatz, 130, 131, zweiter Absatz). Wie bereits zur Mängelrüge dargelegt, ergibt sich die Haftung BS für die Gesamtmenge der dabei ein- und ausgeführten sowie in Verkehr gesetzten Suchtmittel, also nicht nur für die von ihm eigenhändig über die Grenze geschafften und in Österreich vertriebenen Teilmengen, aus seiner Eigenschaft als Mittäter. Der abschließenden (sachlich auf § 281 Abs 1 Z. 11 StPO abzielenden) Rechtsrüge zuwider bedurfte es auch zur Ermittlung des nach § 38 FinStrG. strafbestimmenden Wertbetrags keineswegs der Konstatierung der soeben bezogenen Teilmengen; denn auch hinsichtlich des Schmuggels steht die Mittäterschaft des Angeklagten B urteilsmäßig fest. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht bestrafte Werner A und Josef B nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. (§ 28 StGB) mit jeweils dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Gemäß § 38 Abs 1 FinStrG. (§ 21, 22 FinStrG.) verurteilte es Werner A zu einer Geldstrafe von 80.000 S (im Nichteinbringungsfall drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe) und Josef B zu einer Geldstrafe von 60.000 S (im Nichteinbringungsfall zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe); gemäß § 19 FinStrG. legte das Erstgericht Werner A 98.667 S (im Nichteinbringungsfall vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe) und Josef B 76.467 S (im Nichteinbringungsfall drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe) als anteiligen Wertersatz auf. über Werner A wurde zudem noch eine Verfallsersatzstrafe gemäß § 12 Abs 4 SuchtgiftG. in der Höhe von 24.500 S (im Nichteinbringungsfall ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Werner A begehrt ausdrücklich eine Reduzierung der mit dreieinhalb Jahren bemessenen Freiheitsstrafe, Josef B verlangt eine schuldangemessene Reduzierung der Geld- und Freiheitsstrafen, wobei er in seiner Ausführung freilich nur auf die Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren Bezug nimmt.

Beide Berufungen sind nicht im Recht.

Das Schöffengericht wertete als erschwerend das Zusammentreffen sowohl eines Verbrechens und eines Vergehens nach dem Suchtgiftgesetz als auch des (teils gewerbsmäßigen) Schmuggels und der Abgabenhehlerei, ferner die jeweils einschlägige Vorstrafe der beiden Berufungswerber aus dem Jahr 1980 und rechnete ihnen als mildernd das Geständnis an, welches bei Werner A ein volles und bei Josef B nur ein teilweises war.

Weder A noch B können weitere schuldmindernde Umstände vorbringen. Welche Täterrolle A anläßlich seiner früheren Verurteilung gespielt hat, ist für die Aburteilung seiner nunmehrigen Tat ohne Belang. Im vorliegenden Fall war er jedenfalls beim Vertrieb des Suchtgifts führend und keinesfalls in untergeordneter Rolle beteiligt. Die Sorgepflicht für eine minderjährige Tochter hat, wie der Berufungswerber selbst zugibt, keine schuldverändernde Wirkung, sie hinderte ihn übrigens nicht, erneut und schwer rückfällig zu werden. Auch kann von einer unüblich hohen Strafe vorliegend nicht gesprochen werden, wurde sie doch für einen umfangreichen Handel mit härtesten Drogen verhängt.

Josef B wiederum reklamiert zu Unrecht ein längeres Wohlverhalten, weil dieses ab der Tat zu berechnen ist (§ 34 Z. 18 StGB), hier aber bis zu seiner Verhaftung nur einige Tage währte. Die einschlägige Vorstrafe, der wiederholte und massive Rückfall sprechen gegen eine günstige Prognose.

Unrichtig ist es auch, daß B gegenüber dem mitverurteilten Ehepaar A nur untergeordnet beteiligt war, vielmehr ermöglichte er den Eheleuten durch seine Geldzuwendungen und seine Beziehungen zu einem marokkanischen Drogenhändler die Beschaffung harter Drogen. Sein teilweise sogar gewerbsmäßiges Handeln spricht allein schon gegen jegliche Unbesonnenheit. Von einer verlockenden Gelegenheit wiederum kann angesichts der Fahrten in das Ausland, um dort Suchtgift für den Inlandsmarkt zu erwerben, nicht die Rede sein. Daß aber dritte Personen keinen Schaden erlitten hätten, ist bei dem mit harten Drogen begangenen und vollendeten Verbrechen wider die Volksgesundheit geradezu rechtsirrig. Das Geständnis wiederum, welches bei B kein vollständiges war, wurde vom Schöffensenat ausreichend berücksichtigt.

Die verhängten Freiheitsstrafen erweisen sich damit als nicht reduktionsfähig. Gegen die übrigen Strafaussprüche kann B überhaupt nichts einwenden, sie erscheinen vielmehr gleichfalls der Schuld entsprechend.

Dies gilt auch für die Aufteilung des Wertersatzes. Zwar wurde die Strafe wegen der Finanzvergehen vom Erstgericht unrichtig ermittelt, weil undifferenziert vom Vierfachen aller Abgabenbeträge ausgegangen wurde, während dies nur für die Bestrafung des Schmuggels nach § 35, 38 FinStrG. gilt, während für nicht gewerbsmäßige Schmuggelfakten (§ 35 Abs 4 FinStrG.) und für die Abgabenhehlerei (§ 37 Abs 1 lit a FinStrG.) der zweifache Abgabenbetrag (Verkürzungsbetrag) die Strafdrohung bestimmt. Doch blieb dies ohne rechtlichen Einfluß (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO) auf das gefundene Strafmaß, weil die Abgabenbeträge des gewerbsmäßigen Schmuggels alle anderen um vieles überstiegen haben, die geschöpften Geldstrafen auch bei richtiger Berechnung unterhalb der Strafobergrenze liegen und § 281 Abs 1 Z. 11 StPO die Nichtigkeit an die überschreitung der Strafbefugnis knüpft (EvBl 1984 Nr. 158, 9 Os 31/68, 13 Os 131/81, 13 Os 140/81).

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