OGH 13Os47/85

OGH13Os47/8530.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A und Otto B wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten als Schöffengerichts vom 17. Jänner 1985, GZ. 14 Vr 858/84-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Notzucht nach §§ 201, 12 StGB. sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen ihnen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Herbert A und Otto B wurden des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. sowie des Verbrechens der Notzucht nach §§ 201, 12 StGB. schuldig erkannt. Die Anklage hatte beiden die Nötigung der Claudia C zum Beischlaf und hernach die Beihilfe zur gleichen, allerdings im Vollrausch begangenen Handlung des Rudolf A und damit insgesamt das einzige Verbrechen nach § 202 Abs. 1 StGB. vorgeworfen.

Abweichend hievon wertete das Schöffengericht das zweitangeführte Verhalten der Angeklagten als Beihilfe zu der im Vollrausch von Rudolf A an Claudia C begangenen, ihm im nüchternen Zustand als Schändung nach § 205

StGB. zuzurechnenden Straftat, sprach aber Herbert A sowie Otto B gesondert nach §§ 12, 201 StGB. schuldig.

Rechtliche Beurteilung

Die gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden des Herbert A und des Otto B sind teilweise berechtigt.

Die Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.) wendet sich gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf und der hiezu verwerteten Aussage des Verbrechensopfers. Entgegen den Rechtsmittelausführungen wurden jedoch alle Aussagen der Zeugin C, auch jene der vorangehenden Hauptverhandlung, vor der Urteilsfällung verlesen (S. 158). Der Schöffensenat konnte sich daher auf dieses Beweismittel stützen.

Berechtigt ist aber die Rüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO., teilweise der Sache nach Z. 5), welche sich gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Notzucht (§§ 12, 201 StGB.) richtet. Inhaltlich eines Teils der Urteilskonstatierungen (S. 167) war Claudia C durch die vorangehende Nötigung zum Beischlaf zu jedem weiteren Widerstand unfähig, was der volltrunkene Bruder des Erstangeklagten, Rudolf A, der erst in diesem Zeitpunkt und ohne Verabredung zum Tatort gekommen war, zu einem Geschlechtsverkehr an der Sonderschülerin C nützte. Dazu mußten ihm wegen seiner Alkoholisierung (nicht aber wegen des Widerstands des Mädchens) die beiden Rechtsmittelwerber Hilfe leisten. Dem widerstreiten die weiteren Urteilsannahmen (S. 173 f.), wonach C beim Betreten des Zimmers durch Rudolf A abermals zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde, indem ihr durch die vorangegangenen abgenötigten Beischlafsakte zwar geschwächter, aber noch vorhandener Widerstand erst mittels einer abermaligen Gewaltanwendung völlig gebrochen werden konnte.

Die aufgezeigten, einander widersprechenden Tatsachenfeststellungen (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.) hindern die Beantwortung der Subsumtionsfrage.

Diese Mängel gebieten eine Urteilsaufhebung in dem spruchmäßig gekennzeichneten Umfang und eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz (§ 285 e StPO.).

Darnach mußte die unter § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. (richtig Z. 10) relevierte, eingangs des Schuldspruchs 2 im Urteilstenor angenommene Idealkonkurrenz (von Nötigung zum Beischlaf und Beihilfe zur Schändung oder Beihilfe zur Notzucht ?) nicht mehr erörtert werden.

Erwähnt sei schließlich die - freilich nicht gerügte - Konstruktion des Urteils, so zwar, daß die Rauschhandlung des Rudolf A als Schändung nach § 205 StGB. bezeichnet, den Angeklagten aber 'das Verbrechen der Notzucht nach den §§ 201, 12 StGB.' vorgeworfen wird. Auf die diffizile Frage der (quantitativ limitierten) Akzessorietät der Beihilfe unter den Aspekten der Schwerpunktkongruenz des Handlungsunrechts und der Bestandgarantie des Tatbeitrags zur Schändung (§§ 12, dritter Fall, 205 Abs. 1 und 2, jeweils erster Fall, StGB.) sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber aufmerksam gemacht (siehe Leukauf-Steininger 2 Rz. 41, 42 zu § 12 StGB.; Kienapfel AT.

E 5 Rz. 24, 25; 13 Os 93/84). Spezielle Fallgestaltungen bei Sonderdelikten und im Bereich der sogenannten mittelbaren Täterschaft scheiden hier aus.

Mit ihren Berufungen waren die beiden Rechtsmittelwerber auf die teilweise Urteilskassierung zu verweisen.

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