OGH 9Os72/85

OGH9Os72/8529.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Mai 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Zoltan A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 23.Jänner 1985, GZ. 20 w Vr 5706/83-100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen und das darauf beruhende angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde Zoltan A (im zweiten Rechtsgang neuerlich) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. schuldig erkannt. Danach hat er am 23.Juni 1983

in Schwechat seinen Vater Pal A durch zahlreiche Schläge mit einem Hammer gegen den Kopf und Körper, wodurch dieser eine mehrfache stumpfe Dramatisierung des Schädels und eine dadurch bedingte Hirnlähmung erlitt und an deren unmittelbaren Folgen er am 26.Juni 1983 verstarb, vorsätzlich getötet.

Den Geschwornen lag - soweit hier von Bedeutung - folgendes Fragenschema vor:

  1. 1. Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes;
  2. 2. Zusatzfrage 1 (zu beantworten im Falle der Bejahung der Hauptfrage):

    'Hat sich Zoltan A bei Verübung der in der Hauptfrage angeführten Tat nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen und unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des Pal A auf sein Leben, seine Gesundheit oder körperliche Unversehrtheit von sich abzuwenden?' 3. Zusatzfrage 2 (zu beantworten bei Bejahung der Hauptfrage und bei Bejahung der Zusatzfrage 1):

    'Hat Zoltan A bei Verübung der in der Hauptfrage angeführten Tat lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bedient?' Die Geschwornen bejahten die Hauptfrage, verneinten die Zusatzfrage 1 und ließen folglich nach der ihnen erteilten Belehrung über die Akutalität der zweiten Zusatzfrage ('zu beantworten bei ... Bejahung der Zusatzfrage 1') diese unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Z. 5 und 6 des § 345 Abs. 1 StPO

erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Ergebnis begründet. Mit Recht wird darin nämlich moniert, daß durch die beschriebene Fragenverknüpfung den Laien die Möglichkeit vorenthalten wurde, zu entscheiden, ob der Angeklagte nicht allenfalls aus den in der Zusatzfrage 2

bezeichneten asthenischen Affekten das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritt oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bediente.

Vielmehr ließ ihnen das vom Gericht präsentierte Schema nur die Wahl, den Angeklagten entweder des Mordes schuldig zu erkennen, wenn sie die Zusatzfrage 1 auf echte Notwehr verneinten, oder ihn gänzlich loszuzählen, falls sie diese Frage bejahten. Wären sie hingegen im Sinne der ihnen erteilten Weisung in letzterem Falle (Bejahung der Zusatzfrage 1) zur Beantwortung der Zusatzfrage 2 geschritten und hätten sie diese bejaht, dann hätte dies zu einem in sich widersprechenden Ergebnis (§ 345 Abs. 1 Z. 9 StPO.) geführt; ist doch die Annahme, ein Täter habe sich lediglich der notwendigen Verteidigung bedient (Kernstück der Zusatzfrage 1) mit dem Ausspruch, er habe (wenn auch aus einem asthenischen Affekt) das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bedient (Zusatzfrage 2), logisch unvereinbar. Demgemäß sieht auch das sogenannte 4-Fragen-Schema vor, daß für den Fall der Bejahung der Hauptfrage die erste Zusatzfrage - wie vorliegend - auf echte Notwehr und (für den Fall der Bejahung der Hauptfrage und der Verneinung der genannten Zusatzfrage) eine weitere Zusatzfrage auf NotwehrÜberschreitung zu stellen ist, weil nur auf diesem Wege einander widersprechende Fragenbeantwortungen vermieden und die Laienrichter in die Lage versetzt werden, sich mit dem Problem der NotwehrÜberschreitung aus asthenischen Affekten zu befassen und in weiterer Folge - falls sie eine derartige Überschreitung annehmen - zu entscheiden, ob der Täter hiebei fahrlässig gehandelt hat, ihm daher der Tatbestand nach § 80 StGB. anzulasten ist (vgl. zu all dem Mayerhofer-Rieder StPO. 2 ENr. 67 zu § 314). Da eine unrichtige Rechtsbelehrung über die Aktualität der Fragestellung, welche faktisch eine die Entscheidungsmöglichkeit der Geschwornen beeinträchtigende Verkürzung des Fragenschemas bewirkt, unabhängig davon, ob die Geschwornen hiedurch tatsächlich beirrt wurden, jedenfalls Urteilsnichtigkeit begründet (vgl. 10 Os 109/84) und das aufgezeigte Gebrechen vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, war - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - gemäß §§ 285 e, 344 StPO. der angefochtene Schuldspruch sogleich zu kassieren, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf die übrigen Beschwerdepunkte einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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