Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Das Erstgericht bewilligte mit Beschluß vom 8.3.1983, ON 68 die Annahme an Kindesstatt der mj. Hannelore Patricia A, geboren am 1.6.1975, als Wahlkind durch Peter B und Brigitte B als Wahleltern.
Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Die leibliche Mutter des Wahlkindes ist am Tage dessen Geburt (richtig am Tage nach der Geburt) gestorben. Das Wahlkind wurde nach der Entlassung aus der Kinderstation sofort bei den Ehegatten Peter und Brigitte B aufgenommen, steht seither in deren Erziehung und bildet mit deren 1971
geborenem leiblichen Kind Kathrin de fakto eine Familie. Die leibliche Mutter des Wahlkindes lebte bei der Geburt des Kindes seit 13 Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit dem 1923 geborenen Raimund D. Dieser hat am 24.6.1975 vor dem Jugendamt Zell am See die Vaterschaft zum Wahlkind anerkannt. Die leibliche Mutter des Wahlkindes war eine Schwester der Wahlmutter. Deren gemeinsame Mutter, die nunmehr 7ojährige Maria A, stand stets in nahem Bezuge zur Familie der Wahleltern, der durch die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Wohnungen verstärkt wurde. Demnach hielt und hält sich das Wahlkind häufig bei der Großmutter auf, sodaß diese einen beträchtlichen Einfluß auf die Erziehung des Wahlkindes ausübt. Der leibliche Vater des Wahlkindes steht zu diesem in näherem Bezuge, als dies in den durchschnittlichen Fällen unehelicher Abstammung üblich ist. Dies rührt vor allem daher, daß er vom plötzlichen Tode seiner Lebensgefährtin zutiefst betroffen war und 'sie für ihn in dem Kind weiterlebt.' Zeitweise hat er erwogen, das Kind selbst zu adoptieren, um es stets bei sich zu haben. Die Intelligenz des Wahlkindes liegt zumindest im Bereich des oberen Durchschnitts. Die Gesamtentwicklung und Erziehung des Kindes sind bisher positiv verlaufen. Dies dürfte dem Zusammenwirken der Wahlmutter und der Großmutter zu danken sein. Im Gegensatz zum Bereich der Intelligenz ist jedoch die emotionale Entwicklung des Wahlkindes einigermaßen gestört. Das Kind empfindet anscheinend seine erwachsenen Bezugspersonen insoweit als problematisch, weil es von ihnen zwar Zuwendung empfängt, gleichzeitig aber auch die damit verbundenen Spannungen erlebt. Diese Zustände werden vom Kind als ein ganz tiefes Gefühl des Ungeborgenseins erlebt. Spannungen existieren vor allem zwischen der Wahlmutter und dem leiblichen Vater. Deren Ursache liegt vor allem in der Art, wie der leibliche Vater sein Besuchsrecht ausübt.
Dieses ist zwar gerichtlich geregelt, der Vater steht aber auf dem Standpunkt, sich als Berufstaxifahrer nicht an genaue Zeiten halten zu können. Diese Eigenschaft ist der Wahlmutter, einer offenbar sehr zielstrebigen, ordnungsliebenden und konsequenten Frau in keiner Weise genehm und es ist - auch angesichts des Hanges des leiblichen Vaters zu cholerischen Temperamentsausbrüchen - schon wiederholt zu schweren Verstimmungen gekommen.
Diesen wurde im Wege einer Art stillschweigenden Kompromisses - seitens der Wahlmutter aber sichtlich keineswegs gerne - ausgewichen, indem sich der leibliche Vater zu seinen Besuchen zu Zeiten einfindet, in denen sich das Wahlkind bei seiner Großmutter aufhält. Diese familiäre Situation liefert eine plausible Erklärung für die psychologisch auffällige Tatsache der emotionalen Störungen des Kindes, seiner Wachheit und Gespanntheit angesichts dessen, was geredet wird und was und wo es selbst reden kann und darf. Das Kind hat offenbar im Wege eines sicherlich schmerzlichen 'Trainingseffekts' lernen müssen, daß häusliche Schwierigkeiten nur dann vermieden werden können, wenn man sehr genau berücksichtigt, mit wem man es zu tun hat. Erwägt man, daß das Wahlkind diese Erfahrungen in einem Alter machen mußte, 'in dem die Introspektion sonst noch nicht entwickelt ist und ein Kind unbekümmert daherredet, wie ihm zumute ist', erscheint das Ausmaß einer erheblichen psychischen Belastung des Kindes deutlich gemacht. Zu allem überfluß ist nämlich auch die Beziehung zwischen der Wahlmutter und ihrer eigenen Mutter, also der Großmutter des Kindes, keineswegs spannungsfrei. So hat sich die Großmutter gegen die Adoption des Wahlkindes ausgesprochen, weil doch dem Kind 'der Name A erhalten werden sollte'. Offensichtlich handelt es sich dabei 'um eine Scheinbegründung, hinter der als wahres Motiv die Gekränktheit steht', weil die Wahleltern es unterlassen haben, die Großmutter in die Beratung über das Adoptionsvorhaben einzubeziehen. Es liegt nahe und wird von der Großmutter auch indirekt zugestanden, daß sie die gleichsam 'magische Hoffnung' hegt, das Kind werde im Wesen nach seiner Mutter geraten, deren Erinnerung für Maria A in einem gewissen Antagonismus zur etwas spröderen Art der Wahlmutter gegenwärtig ist. Andererseits läßt die eingehende Anhörung aller Beteiligten die Wahrscheinlichkeit erkennen, daß der leibliche Vater bei den bisher aufgetretenen Differenzen mit der Wahlmutter auf ein sehr weitgehendes Verständnis der Großmutter rechnen konnte, wenn er über die Konsequenz der Wahlmutter in Erziehungsfragen verstimmt war und seine Rechte hiedurch benachteiligt fand.
Das Erstgericht, das diese Feststellungen aus der Befundaufnahme und Begutachtung des Kindes und dessen familiärer Situation durch die Gerichtssachverständige Univ.Prof.DDr. Maria E ableitete, führte aus, diesem Gutachten insoweit nicht folgen zu können, als es die Belassung des bisherigen Zustandes und damit die Ablehnung der Annahme an Kindesstatt vorschlage. Es liege für das Gericht auf der Hand, daß die immer wiederkehrende Präsenz des Vaters in der Familie der Wahleltern (die Großmutter eingerechnet) die dadurch geschaffenen und die zeitweise zwischen Wahlmutter und Großmutter bestehenden Spannungen dem Wahlkind allzu frühzeitig die leidvolle Erfahrung vermittelt hätten und diese bei Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes noch verstärken würden, daß es ein spontanes Wollen und Handeln von Fall zu Fall möglichst vermeiden und zunächst die möglichen Reaktionen seiner nächsten Angehörigen erwägen solle. Dieser Zustand sei zum Wohle des Kindes zu ändern, bevor es (allenfalls unter der weiteren Belastung der Pubertät) zu nicht wiedergutzumachenden Schädigungen des Gefühls- und Gemütslebens des Kindes komme. Die den schwierigen leiblichen Vater als Bezugsperson ausschaltende Adoption diene somit dem Wohle des Kindes, weil sie aus dem gegebenen Spannungsfeld eine ganze Reihe von Konfliktmöglichkeiten bereinige. Dies stelle sich für den leiblichen Vater gewiß als Härte gegen seine Gefühle dar. Es müsse ihm aber entgegengehalten werden, daß die Wahlmutter bisher - vor allem im ersten Lebensjahr des Wahlkindes, als es um dessen Überleben ging - Mutterstelle an dem Kind vertreten habe und einen 'gewissen Anspruch' darauf habe, daß diese Bindung auch in rechtlicher Form gefestigt werde.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des leiblichen Vaters Folge und wies in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses den Antrag auf Bewilligung des Adoptionsvertrages ab. Es führte aus:
Gemäß § 180 a ABGB sei die Annahme an Kindesstatt zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe oder hergestellt werden solle. Diese müsse dem Wohle des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dienen. Die letztere Voraussetzung liege jedoch nicht vor. Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit der Aktenlage sei nicht ableitbar, daß die Adoption in der Tat zum Wohl des Kindes gereiche. Aus dem vorliegenden Gutachten der Sachverständigen Univ.Prof.DDr. Maria E könne die vom Erstgericht gefaßte Schlußfolgerung nicht gezogen werden. Die Sachverständige sei nach eingehender Untersuchung der Bezugspersonen zu dem zusammenfassenden Ergebnis gelangt, daß dem Kind durch eine Adoption nicht gedient wäre. Alle durch eine solche Maßnahme ausgelösten Veränderungen würden auf ein bereits emotional gestörtes Kind treffen und es sei nicht leicht vorauszusagen, wie es dieser Belastung standhalte. Es würde sich bei einer Umgestaltung der gesamten familiären Situation zwar die eine oder andere Entlastung ergeben. Ebenso sicher sei es aber, daß im Zuge der Umgestaltung neue, bisher nicht vorhersehbare Belastungen entstehen würden, die möglicherweise den positiven Veränderungen die Waage hielten. So würde die Durchführung der Adoption einen Vorgang darstellen, der die seelische Gesundheit sicherlich, wenn auch nur vorübergehend gefährde, ohne daß annähernd gewährleistet werde, daß das Kind auf die Dauer dadurch eine gesündere Entwicklung nehmen könnte. In gleicher Richtung sei auch das Gutachten der Sachverständigen Dr. Ilse F ergangen.
Daraus folge aber, daß gegen die Bewilligung der Adoption gerade aus der Sicht des Wohles des Kindes erhebliche Bedenken bestünden. Denn nach der gegebenen Sachlage müsse davon ausgegangen werden, daß gar nicht das Wohl des Wahlkindes im Vordergrund stehe, sondern, wie das Erstgericht am Schluß der Begründung seiner Entscheidung zum Ausdruck gebracht habe, die Wahlmutter, die bisher die Mutterstelle an dem Kind vertreten habe, einen gewissen Anspruch darauf habe, daß diese Bindung auch in rechtlicher Form gefestigt werde. Wenn aber nach dem oben Gesagten Bedenken dagegen bestünden, daß die Adoption dem Wohle des nicht eigenberechtigten Wahlkindes diene, so erscheine es durchaus begründet, die Annahme an Kindesstatt nicht zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Den Ausführungen zum Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, soweit darin die Nichtverwertung der im Gerichtsakt erliegenden Stellungnahme des Jugendamtes gerügt und davon gesprochen wird, das Rekursgericht sei den Vermutungen und den Schlußsätzen der Gutachten gefolgt, ist zu entgegnen, daß damit in Wahrheit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung bzw. Tatsachenfeststellung des Rekursgerichtes - eine solche muß in dessen Ausführungen auf Grund des Gutachtens erblickt werden - bekämpft wird. Dasselbe gilt von den Ausführungen über die Berücksichtigung der Angaben der Großmutter des Kindes. Inwiefern das Unterbleiben der Anhörung des ehelichen Kindes der Wahleltern einen für die Ablehnung der Genehmigung des Adoptionsvertrages kausalen Mangel darstellen sollte, zeigen die Rechtsmittelwerber nicht auf und ist dies auch nicht ersichtlich. Die weiteren Ausführungen zu diesem Rechtsmittelgrund betreffen angebliche Feststellungsmängel und gehören daher zur Rechtsrüge. Auch als solche sind sie nicht zielführend. Abgesehen davon, daß eine Verletzung der aus einem Erbübereinkommen stammenden Pflichten des unehelichen Vaters des Kindes diesem gegenüber nicht einmal jetzt im Revisionsrekurs wirklich behauptet, sondern nur als möglich hingestellt wird, geht es im vorliegenden Fall nicht um die Ersetzung einer verweigerten Zustimmung im Sinne des § 181 Abs 3 ABGB, sondern darum, ob der Sachverhalt, mag er auf Grund von Angaben des jedenfalls anhörungsberechtigten (§ 181 a Abs 1 Z 4 ABGB) unehelichen Vaters oder auf Grund anderer Behauptungen oder auch von Amts wegen ermittelt worden sein, eine rechtliche Beurteilung dahin zuläßt, daß die beabsichtigte Adoption im Sinne des § 180 a Abs 1 zweiter Satz ABGB dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dient.
Die dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zugeordneten Ausführungen betreffen, wie die Rechtsmittelbewerber selbst ausführen, insbesondere die Anfechtung der Sachverständigengutachten. Dabei übersehen die Rechtsmittelwerber, daß unter diesem Rechtsmittelgrund die Anfechtung der Würdigung der tatsächlichen Feststellungen eines Gutachtens nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß der Sachverständige bei seinen Schlußfolgerungen gegen zwingende Denkgesetze oder gegen Gesetze des sprachlichen Ausdruckes verstoßen hat, sofern ein solcher Verstoß die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge haben mußte (Fasching IV, 336;
JBl.1982, 491 ua). Ausführungen in dieser Richtung machen die Rechtsmittelwerber gar nicht.
Geht man aber von der vom Rekursgericht auf Grund der Sachverständigengutachten festgestellten Grundlage aus, dann kann nicht gesagt werden, daß die beabsichtigte Adoption zum Wohl des nicht eigenberechtigten Kindes im Sinne des § 180 a Abs 1 zweiter Satz ABGB dient. 'Zum Wohle dienen' muß in dieser Bestimmung dahin verstanden werden, daß durch die Adoption eine merklich bessere Entwicklung des Kindes zu erwarten ist; bei gleichbleibenden Entwicklungschancen ist der bisherige Zustand beizubehalten (Schwimann in FamRZ 1973, 348; vgl. auch Soergel-Roth-Stielow, BGB 11 , Rdz 7
zu § 1741; Münchener Kommentar, BGB, RdNr 7 zu § 1741; Palandt, BGB 44 , S.1662; Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts 3 , 994). Unter diesem Gesichtspunkt fällt auf, daß weder im bisherigen Verfahren noch im Rechtsmittel versucht wird, konkret darzulegen, worin die Verbesserung des Wohles des Kindes gelegen sein soll. Keinesfalls kann die Auffassung des Erstgerichtes geteilt werden, der Vorteil läge in der Ausschaltung des 'schwierigen leiblichen Vaters als Bezugsperson'. Abgesehen davon, daß die Wahleltern nach ihren Ausführungen im Rechtsmittel den Kontakt des Kindes mit dessen leiblichen Vater gar nicht unterbinden wollen, müßte die Unterbindung dieses Kontaktes im vorliegenden Fall, in welchem der uneheliche Vater zu dem Kind in einer näheren Beziehung steht, als dies in den durchschnittlichen Fällen zwischen unehelichen Kindern und ihren Vätern üblich ist, als Verlust auch für das Kind angesehen werden, der bei einem Vergleich zwischen der derzeitigen Lage und der durch die Adoption zu schaffenden Situation entsprechend zu berücksichtigen wäre. Würde aber der Kontakt zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater in einem für die Entwicklung des Kindes dienlichen Ausmaß durch die Wahleltern auch nach der Adoption ermöglicht werden, obwohl der uneheliche Vater gemäß § 182 Abs 2 ABGB darauf keinen Anspruch mehr hätte, dann würden sich in dem für das Kind erlebbaren Bereich - gegenteilige Umstände sind weder behauptet worden noch hervorgekommen - nur der Name und der Umstand ändern, daß es Tante und Onkel als Eltern und deren Kind als Schwester anzusehen hätte. Können schon diese und die sonstigen sich aus § 182 Abs 1 ABGB ergebenden Rechte bei der gegebenen Sachlage nicht als merkliche Verbesserung der Situation des Kindes angesehen werden, so ist auch zu berücksichtigen, daß es im Hinblick auf § 182 Abs 2 ABGB die Wahleltern - zumindest solange darin kein Mißbrauch im Sinne des § 176 ABGB erblickt werden könnte - in der Hand hätten, den Kontakt zwischen dem Kind und dessen leiblichen Vater jederzeit zu unterbinden und damit die Lage in einem doch wesentlichen Punkt zu verschlechtern.
An dieser zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung führenden Auffassung vermögen auch die im Revisionsrekurs vorgebrachten Neuerungen betreffend die familiäre, gesundheitliche, berufliche und finanzielle Situation des leiblichen Vaters des Kindes und betreffend das Verhalten des Kindes nach der Bekanntgabe der erstgerichtlichen Entscheidung nichts zu ändern.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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