Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Adolf Friedrich A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Totschlags nach § 15, 76 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 24. Mai 1984 in Freindorf seine geschiedene Gattin Christiane A vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit einem Kleinkalibergewehr aus einer Entfernung von etwa 1,5 m einen Schuß auf sie abgab, welcher ihren Hals durchschlug. A hatte sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zu dieser Tat hinreißen lassen, nachdem ihm die Genannte im Verlauf eines Streites mitgeteilt hatte, daß sie ihn abermals verlassen werde. Die Geschwornen verneinten die anklagekonform auf Mordversuch durch zwei Schüsse, von denen der aus größerer Entfernung abgegebene zweite Schuß sein Ziel verfehlt habe, lautende Hauptfrage 1, bejahten jedoch die Eventualfrage 2
nach versuchtem Totschlag mit der Einschränkung 'Streichung des zweiten Schusses'; demzufolge entfiel eine Beantwortung der weiteren Eventualfragen, ob der Angeklagte durch die Abgabe zweier Schüsse Christiane A absichtlich schwer zu verletzen versucht (3), sie mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, durch einen Schuß verletzt und durch einen zweiten zu verletzen versucht (4) oder sie (ohne die zuvor genannte Tatmodalität des § 84 Abs 2 Z 1 StGB) durch zwei Schüsse schwer zu verletzen versucht habe (4a), oder ob er sie durch unvorsichtiges Hantieren mit dem geladenen Kleinkalibergewehr, sodaß sich daraus ein Schuß löste, der ihren Hals durchschlug, (bloß) fahrlässig unter besonders gefährlichen Verhältnissen am Körper verletzt habe (5).
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6
(in der Nichtigkeitsbeschwerde unrichtig: Z 5), 8 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Seine Einwände gegen die Fragestellung an die Geschwornen (§ 345 Abs 1 Z 6 StPO) sind nicht stichhältig.
Keine der in den § 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften über die Fragestellung wurde dadurch verletzt, daß der Vorsitzende im (maschingeschriebenen) Fragenschema bei den Fragen 1, 2, 4 und 4a an bestimmten Stellen handschriftlich (und jeweils unter Beisetzung seines Handzeichens) das Wort 'vorsätzlich' einfügte, sodaß die Eventualfrage 2 (in einer der beiden den Geschwornen übergebenen Ausfertigungen: S 329) die Passage enthielt, ob der Angeklagte (unter den Voraussetzungen des § 76 StGB) versucht habe, 'einen anderen vorsätzlich, und zwar Christiane A, ... zu töten ...' (in der den Geschwornen ebenfalls vorgelegenen Zweitschrift der Fragen ON 38 hingegen: 'einen anderen, und zwar Christiane A, ... vorsätzlich zu töten'). Denn diese Einfügungen vermochten - unzweifelhaft erkennbar - weder die Verständlichkeit der betreffenden Fragen an sich zu beeinträchtigen noch bei der von der Beschwerde speziell gerügten (erstgenannten) Version der Eventualfrage 2 zu einem Mißverständnis dahin zu führen, daß sich der in der Frage relevierte Tätervorsatz etwa (nur) auf die als Angriffsziel genannte Person und nicht (auch) auf deren Tötung beziehen könnte; einem derartigen Mißverständnis war zudem durch die Rechtsbelehrung zur Eventualfrage 2 vorgebeugt worden (S 345, 351, 339).
Die vom Beschwerdeführer angestrebte Zusammenfassung der Eventualfragen 4
und 4a in eine (einzige) Frage kam - unbeschadet des dem Schwurgerichtshof in diesem Belang grundsätzlich eingeräumten Ermessens (§ 317 Abs 2 StPO) - im vorliegenden Fall nach der jenen Fragen zugrundeliegenden Rechtsansicht (S 357) deshalb nicht in Betracht, weil die Eventualfrage 4 (ungeachtet dessen, daß sie auch einen im Zuge eines einheitlichen Tatgeschehens vorsätzlich abgegebenen zweiten Schuß gegen dieselbe Person betraf, der nicht zu einer Verletzung führte) auf ein (schon durch den ersten Schuß) vollendetes qualifiziertes Delikt (vollendete schwere Körperverletzung im Sinne der § 83, 84 Abs 2 Z 1 StGB: vgl Burgstaller im WK § 84 Rz 68, Leukauf-Steininger Kommentar zum StGB 2 RN 24 zu § 84, SSt 52/58) gerichtet war, die Eventualfrage 4a aber dasselbe Ereignis infolge der Nichtaufnahme der nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB qualifizierenden Tatumstände (obgleich rechtsirrig: SSt 47/84; so auch Foregger-Serini StGB 3 Erl IV zu § 83, Burgstaller im WK Rz 27 zu § 7 und Rz 39 zu § 84; aM Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN 23 zu § 84, Kienapfel BT I 2 RN 49 zu § 84) in der Entwicklungsstufe des Versuches (versuchte Körperverletzung im Sinn der § 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) erfaßte. Wegen der aufgezeigten Alternative zwischen Deliktsvollendung einerseits und bloßem Deliktsversuch andererseits, die den Geschwornen solcherart geboten werden sollte, waren folgerichtig getrennte Schuldfragen erforderlich (§ 314 Abs 1 StPO), sodaß die in diesem Zusammenhang allein bekämpfte Trennung der Eventualfragen 4
und 4a jedenfalls der Prozeßordnung entsprach. Von einer (gegen die § 312
bis 317 StPO verstoßenden) Unübersichtlichkeit dieses Teils der Fragestellung, sodaß sie deren Zweck - die überzeugung der Geschwornen im Wahrspruch zum Ausdruck zu bringen - durch die Verursachung von Mißverständnissen hätte gefährden können, kann demnach keine Rede sein.
Gleichermaßen versagt die Rüge bezüglich der Rechtsbelehrung (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO):
Nur eine unrichtige Rechtsbelehrung ist mit Nichtigkeit bedroht; daß die vorliegende Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 1 StPO) vereinzelt handschriftliche Korrekturen (Streichungen, Zusätze) des Vorsitzenden aufweist (S 355, 357, 361), bewirkt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund ebensowenig wie die gleichfalls gerügte Verweisung auf andere Stellen der Belehrung, an denen ein bestimmter Begriff erläutert wird, so auf die schon zur Hauptfrage 1 erteilte Belehrung (S 339/341) über den bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) im Rahmen der Ausführungen (S 357) zur Eventualfrage 4a (EvBl 1978/82). Daß die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichtet sein muß, wurde für das den Gegenstand der Eventualfrage 3 bildende Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 Abs 1 StGB) ohnedies der Vorschrift des § 321 Abs 2 StPO gemäß an entsprechender Stelle in der Rechtsbelehrung dargetan (S 355 oben) und brauchte im Zusammenhang mit der Eventualfrage 4a nicht wiederholt zu werden, zu der (mit der zuvor erörterten Verweisung) klargestellt wurde, daß bedingter Vorsatz genügt (S 357 oben). Ebenso reichte der weiters gerügte - im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Nichteintritt derartiger Folgen zudem gar nicht aktuelle - Hinweis zur Eventualfrage 4a, daß hinsichtlich der (qualifizierenden) schweren Verletzungsfolgen (nach
§ 84 Abs 1 StGB) Fahrlässigkeit genüge, wozu auf die Belehrung zur Eventualfrage 5
verwiesen wird, zu einer rechtsrichtigen Belehrung der Geschwornen (vgl SSt 47/58 und 14, RZ 1976/10, ÖJZ-LSK 1975/217 ua; Burgstaller im Wiener Kommentar RZ 30 zu § 84; Foregger-Serini StGB 3 Erl V zu § 84;
Mayerhofer-Rieder StGB 2 Anm 1 zu § 84; teilweise aM Leukauf-Steininger, Kommentar 2 RN 23 zu § 84; Kienapfel BT I RN 3 bis 5, 8 zu § 84) vollkommen aus.
Die Belehrung über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander (§ 321 Abs 1 StPO) war allerdings insoweit fehlerhaft, als bei der Eventualfrage 4
ausgeführt wurde (S 359 unten), diese Frage sei nur zu beantworten, wenn 'sowohl die Hauptfrage 1 als auch die Eventualfragen 2, 3, 4' verneint würden.
Aus der (demgegenüber richtigen) Anleitung, daß bei einer Verneinung der Eventualfrage 3 die Eventualfrage 4 zu beantworten (S 355 Mitte) und bei einer Bejahung der Eventualfrage 4 die Eventualfragen 4a und 5 nicht mehr zu beantworten seien (S 361 oben), erhellt jedoch deutlich genug, daß der aufgezeigte Fehler bloß darauf zurückzuführen ist, daß der vom Schwurgerichtshof - mit einem in der Hauptverhandlung (S 433) verkündeten Beschluß - geänderten Reihenfolge (und demgemäß vertauschten ziffernmäßigen Bezeichnung) der Eventualfragen 4 und 4a durch entsprechende Korrekturen in der (ersichtlich schon vorbereitet gewesenen) schriftlichen Rechtsbelehrung nur unzulänglich Rechnung getragen wurde. Daraus gleichwie schon aus den im Fragenschema selbst (S 327 ff) jeder einzelnen Eventualfrage vorangestellten - zutreffenden - Anweisungen konnten die Geschwornen ohneweiteres das richtige Verhältnis der Fragen zueinander erkennen, sodaß das der schriftlichen Rechtsbelehrung insoweit anhaftende (und unter diesen Voraussetzungen einem offensichtlichen Schreibfehler gleichzuachtende) Gebrechen keine Nichtigkeit zu bewirken vermag (vgl ÖJZ-LSK 1982/150).
Das Beschwerdevorbringen, die Geschwornen könnten durch die handschriftlichen Einfügungen im Fragenschema und die Umreihung der Fragen 4
und 4a sowie durch eine Unklarheit oder Unübersichtlichkeit der Rechtsbelehrung veranlaßt worden sein, (schon) die Eventualfrage 2 zu bejahen, nur um den weiteren Eventualfragen (samt und sonders) 'auszuweichen', hat, zumal es weder durch die Aktenlage noch durch sonstige Umstände gestützt wird, rein spekulativen Charakter. Ein Mangel der Fragestellung (Z 6) oder die Möglichkeit eines aus einer unrichtigen Rechtsbelehrung (Z 8) resultierenden Mißverständnisses der Geschwornen wird damit nicht aufgezeigt.
Der zuletzt angerufene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 12 StPO, mit dem der Angeklagte einen 'Schuldspruch im Sinne der Eventualfrage 5' (wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3
in Verbindung mit § 81 Z 1 StGB) anstrebt, entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung. Mit der Bestreitung seines Tötungsvorsatzes geht der Beschwerdeführer nämlich nicht - wie dies zu einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung der Rechtsrüge erforderlich wäre (vgl § 351 StPO) - von den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen aus, sondern bekämpft solcherart auf im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Weise (und damit unbeachtlich) lediglich die Beweiswürdigung der Geschwornen, die ihrem Verdikt zufolge durch die (gemäß § 330 Abs 2 StPO eingeschränkte) Bejahung der Eventualfrage 2 als erwiesen annahmen, daß der Angeklagte (zwar nur) einen Schuß gegen Christiane A abgab, dies aber mit dem Vorsatz, sie zu töten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 76 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung keinen Umstand als erschwerend, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten und den Umstand, daß die Tat beim Versuch blieb.
Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung) anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Von einer Provokation durch das Tatopfer, die darin gelegen sein soll, daß die Frau 'gebrüllt' und geschimpft habe, als sie das Gewehr auf sich gerichtet sah, kann nach Lage des Falles von vornherein keine Rede sein.
Die Folgen der Tat waren keineswegs nur gering, denn die Verletzung lag - unabhängig von der Dauer der Arbeitsunfähigkeit - ihrer Art nach nahe an der Grenze zur schweren Verletzung; zudem stellt es einen Glücksfall besonderer Art dar, daß es bei einer Fleischwunde blieb, die keine lebenswichtigen Partien des Halses der Frau beeinträchtigte (S 411 f).
Auch der vom Berufungswerber für sich al 1=8ldernd reklamierte Umstand, es habe sich um keinen 'gezielten' Schuß gehandelt, liegt nicht vor. Aus dem Gutachten des Sachverständigen B läßt sich dies keineswegs ableiten;
der Sachverständige führte lediglich aus, daß der Schuß nicht bei einem 'Schulteranschlag' abgegeben worden sei (S 420). Auch ein Schuß aus einem 'Hüftanschlag' kann gezielt sein, mag auch die Treffsicherheit geringer sein, wobei auch die geringe Entfernung zwischen Täter und Opfer von ca 1,5 Meter nicht außer Betracht bleiben kann.
Der Angeklagte vermag daher keine zusätzlichen ihm zugute kommenden Milderungsgründe aufzuzeigen. Die Strafzumessungsgründe wurden vielmehr vom Erstgericht vollständig erfaßt und zutreffend gewürdigt und demnach ein ohnedies an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens gelegenes Strafausmaß festgesetzt. Es besteht kein Platz für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung. Aus diesen Erwägungen war auch der Berufung des Angeklagten ein Erfolg zu versagen.
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