Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Dezember 1942 geborene Chemieangestellte Klaus A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach mißbrauchte er anläßlich gelegentlicher übernachtungen in seiner Wohnung in Lustenau die minderjährigen Töchter seiner Schwägerin (Schwester seiner Frau) auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht, nämlich im Jahr 1981 die damals sechs Jahre alte Alexandra B, indem er sie mehrmals im Bereich der Scheide betastete und jeweils einige Minuten lang streichelte (1) und im Jahr 1980 oder 1981 die damals acht oder neun Jahre alte Daniela B, indem er sie im Schambereich betastete (2). Von dem weiteren Vorwurf, im Mai 1984 in Bregenz auch die sieben Jahre alte Rebecca C mißbraucht zu haben, wurde Klaus A rechtskräftig freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch wendet sich der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die darauf abzielt, die belastenden Aussagen seiner geschiedenen Ehefrau und deren Verwandten als Racheakt gegen ihn hinzustellen, weil er sich im Zuge der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung nach der Scheidung mit seinem Anspruch weitgehend durchgesetzt hatte. Diesem Bestreben entsprechend moniert er mit seiner Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung des Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung seiner in der Schweiz wohnhaften Schwester Annemarie D zum Beweis dafür, daß ihm seine geschiedene Gattin knapp vor Eintritt der Rechtswirksamkeit der von ihr vergleichsweise eingegangenen Verpflichtung auf Bezahlung eines Betrages von 200.000 S telefonisch drohte, sie werde ihn ruinieren, er werde all dieses Geld benötigen, um seine Anwälte zu bezahlen, er werde in eine Nervenklinik einzuliefern sein (S 91 verso in Verbindung mit S 148). Der bereits anläßlich der Ablehnung dieser Beweiserhebung gegebenen (S 149, 150) und im Urteil unterstrichenen Begründung (S 160 unten) ist zu folgen, war doch die Einvernahme dieser Zeugin des Telefonanrufes entbehrlich, weil der behauptete Inhalt des von Maria A in großer Erregung geführten Telefongesprächs ohnehin festgestellt (S 156) und der Beweiswürdigung zugrundegelegt wurde (S 160). Dem vermag die Beschwerde nichts entgegenzusetzen, sodaß sich der Beschwerdeführer hiedurch auch nicht in seiner Verteidigung beeinträchtigt sehen kann (Mayerhofer-Rieder, E 77 zu § 281 Z 4 StPO). Gleiches gilt für den Antrag auf Vernehmung der Zeugin Christa E zum Beweis dafür, daß beim Vorfall im Mai 1984 Maria A wahrheitswidrige Angaben machte (S 151), weil der Angeklagte von diesem Anklagepunkt wegen bedenklicher Beweislage ohnehin rechtskräftig freigesprochen wurde, wobei auch die mögliche Einflußnahme der Maria A auf die minderjährige Rebecca C Beachtung fand (S 172-175). Bleibt der - im Mittelpunkt der Anfechtung liegende - Antrag auf Einholung eines forensischpsychiatrischen Gutachtens zur Beurteilung der allgemeinen und speziellen Glaubwürdigkeit der Zeuginnen Daniela und Alexandra B, Gabriele F und Rebecca C unter Zugrundelegung eines (genau bezeichneten) Standardwerkes und Vornahme (detailliert und umfänglich angeführter) Untersuchungen (ON 18, S 91 a und verso); dies insbesondere auch zum Beweis dafür, daß sich die dem Angeklagten angelasteten Taten 'ausschließlich aus der Phantasie und dem sozialen Entwicklungsgeschehen der Genannten ergeben, wobei auch der Sozialisierungsprozeß der Zeuginnen zu berücksichtigen ist' (S 148, 149). Gabriele F stimmte einer derartigen Untersuchung zu (S 149), Lotte B, die Mutter der beiden Tatopfer, gab eine Eventualzustimmung, 'wenn es sein müsse' (S 143).
Mit der Problematik dieses Strafprozesses, der erst als Begleiterscheinung familien- und vermögensrechtlicher Auseinandersetzungen nach der Scheidung des Angeklagten von seiner Ehefrau Maria A auf deren Betreiben unter massiver Unterstützung durch ihre Tochter Gabriele F angestrengt wurde, setzte sich das Gericht ebenso ausführlich auseinander (S 155 bis 162, 168) wie mit den nicht in allen Details übereinstimmenden Aussagen der zum Tatzeitpunkt erst zwischen sechs und neun Jahre alten Mädchen, die ihre urteilsgegenständlichen Erlebnisse erst über ausdrückliches Befragen durch Gabriele F zögernd preisgaben (S 155 bis 159, 161, 163, 164, 169).
Damit machten die Tatrichter von dem nur ihnen zustehenden Recht der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) Gebrauch; sie wären nach ständiger Rechtsprechung nur dann allenfalls verpflichtet gewesen, ein psychiatrisches Fachgutachten einzuholen, wenn sich bei den Kindern irgendwelche abwegige Veranlagungen in psychischer oder charakterlicher Hinsicht oder sonstige Hinweise auf Entwicklungsstörungen oder geistige Defekte ergeben hätten (SSt 50/20 und die dort zitierte Judikatur). Hiebei haben sich die Richter auf ihre Wahrnehmungen in der Hauptverhandlung oder allfällige sonstige aktenkundige und verlesene Vorfälle zu stützen (§ 258 Abs 2 StPO);
unerheblich ist jedenfalls, welche Personen die Vernehmungen im Vorverfahren durchgeführt haben, wobei allerdings - der Beschwerde zuwider - zu betonen ist, daß hier die ersten Vernehmungen bei der Gendarmerie im Beisein einer Jugendfürsorgerin stattfanden (S 11). Das Schöffengericht attestierte den Zeuginnen Daniela und Alexandra B, sowie Gabriele F - nicht Rebecca C, deren Aussagen aber ohnehin zu keinem Schuldspruch führten - unter Würdigung aller Besonderheiten des Falles aber ausdrücklich volle Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit und das ernstliche Bemühen, die Wahrheit zu sagen (S 150, 163 bis 167). Damit fehlt es bei den Zeuginnen Daniela und Alexandra B an den aufgezeigten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte psychiatrische Untersuchung. Einer Psychiatrierung der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits fast dreiundzwanzig Jahre alten, als Lehrerin tätigen Gabriele F, deren Vorgehen das Gericht vom kriminologischen Standpunkt wohl nicht billigte, aus deren Aussagen aber keine Hinweise abzuleiten waren, daß sie mehr als die Erforschung der Wahrheit wollte (S 169, 170), konnte überhaupt nicht nähergetreten werden. Das Schöffengericht wies daher die Beweisanträge ohne Verstoß gegen die Verfahrensgesetze ab, weshalb die Beschwerde diesbezüglich als unbegründet zu bewerten ist.
Wenn die Mängelrüge (Z 5) behauptet, das Gericht habe Widersprüche in den Aussagen der beiden Tatopfer und der Gabriele F während der verschiedenen Verfahrensstadien mit Stillschweigen übergangen, negiert sie die bereits angesprochenen, umfangreichen Erörterungen in der Beweiswürdigung zu allen Abweichungen, darunter auch zu den nicht ganz übereinstimmenden, in der Beschwerde hervorgekehrten Aussagen zur Tatzeit (S 167). Die Ausführungen stellen sich daher letztlich nur als - im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht mehr zulässige - Fortsetzung der Verteidigungsstrategie, die Aussagen der Belastungszeugen als unglaubwürdig hinzustellen, dar, was aber der prozeßordnungsgemäßen Ausführung eines formellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes zuwiderläuft. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teilweise auch als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Ebenso mußte mit der ohne jede Konkretisierung angemeldeten (S 177), schriftlich aber nicht ausgeführten Berufung (S 183) verfahren werden (§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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