OGH 10Os20/85

OGH10Os20/8514.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Blandine A wegen des Vergehens der fahrlässigen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 3 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Blandine A gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 30.November 1984, GZ 11 Vr 688/84-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, der Angeklagten A und des Verteidigers Dr. Folk zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Blandine A wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe Ende September 1981 in Kapfenberg vorsätzlich eine Nerzschweifjacke, hinsichtlich der von den abgesondert verfolgten Wanda Maria B, Manfred Albert B, Petra Wanda C, Volker D und Hildegard E, gewerbsmäßig als Mitglieder einer Bande ein Schmuggel begangen wurde, um den Betrag von 15.330 S gekauft und habe hiedurch das Vergehen der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit a FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Blandine A, gegen die Anklage wegen (vorsätzlicher) Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit a FinStrG erhoben worden war, schuldig erkannt, das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 3 FinStrG dadurch begangen zu haben, daß sie Ende September 1981 in Aflenz eine Nerzschweifjacke, hinsichtlich welcher von gesondert verfolgten Tätern (gewerbs- und bandenmäßig) ein Schmuggel begangen worden war, um den Preis von 15.330 S kaufte.

Nach den Urteilsfeststellungen hatte die Angeklagte, eine im Schuh- und Textilwarenhandel ihres Ehemannes tätige kaufmännische Angestellte, am 15.März 1981 bei einer Fachkontaktmesse in Salzburg am Stand der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Firma B die verfahrensgegenständliche Nerzschweifjacke um den Preis von 15.330 S bzw 2.190 DM gekauft. Wegen der Notwendigkeit einer Änderung war vereinbart, daß die Angeklagte die Jacke (erst) bei der nächsten Münchner Modewoche oder sonst in München übernehmen und bezahlen sollte. Dazu kam es nicht, sondern die Angeklagte ließ sich die Jacke Ende September 1981 auf dem Postweg nach Aflenz zusenden und überwies den vereinbarten Kaufpreis an eine ihr angegebene (österreichische) Adresse. Die Verantwortlichen der Firma B hatten längere Zeit hindurch Pelzwaren (darunter auch die gegenständliche Nerzjacke) im Rechnungswert von insgesamt etwa 1,4 Millionen Schilling, auf welche Eingangsabgaben in der Höhe von mehr als 200.000 S entfallen wären, gewerbs- und bandenmäßig nach Österreich geschmuggelt; auf die von der Angeklagten gekaufte Jacke entfällt nach den Entscheidungsgründen (im Urteilsspruch unterblieb die Anführung des strafbestimmenden Wertbetrages) ein Eingangsabgabenbetrag von 4.645 S.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 5, 8 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kann im Ergebnis Berechtigung nicht versagt werden.

Mit der Rüge nach § 281 Abs. 1 Z 8 StPO wird einerseits releviert, daß im Urteil abweichend von der Anklage - die Kapfenberg als Tatort nennt - Aflenz als Tatort konstatiert werde und andererseits in den Entscheidungsgründen entgegen dem Urteilstenor der Kauf der Jacke nicht mit Ende September 1981 sondern mit dem 15.März 1981 festgestellt werde.

Mit dem erstgenannten Einwand wird nichts dargetan, was die Identität zwischen Anklage- und Urteilstat (§ 267 StPO) berührt, denn die unrichtige Bezeichnung des Tatortes im Anklagesatz ändert nichts an der nach Lage des Falles unverwechselbaren und damit einer neuerlichen Verfolgung entgegenstehenden identen Bezeichnung der Tat in Anklage und Urteil.

Mit dem weiteren Einwand wird dagegen in Wahrheit ein Widerspruch zwischen Urteilstenor und Urteilsgründen releviert (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO), der aber deswegen nicht vorliegt, weil der irreführenden Bezeichnung des späteren übernahmevorgangs im September 1981 (allein) im Urteilsspruch als 'kaufen' keine sachliche Bedeutung zukommt.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird die Meinung vertreten, daß das Gericht zur Aburteilung eines gesondert verfolgten Hehlers (§ 53 Abs. 4 FinStrG) nur dann zuständig sei, wenn dieser von der gerichtlichen Strafbarkeit der Vortat wisse, was bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall gewesen sei.

Entgegen diesem Vorbringen kommt es aber darauf nicht an, denn die Konnexitätszuständigkeit nach § 53 Abs. 4 FinStrG umfaßt unterschiedslos 'Hehler' (§ 37 und 46 FinStrG), somit auch fahrlässig handelnde Hehler.

Genügt aber zur Begründung der hier maßgeblichen Konnexitätszuständigkeit Fahrlässigkeit, so ist es begrifflich ausgeschlossen, ein Wissen um die gerichtliche Strafbarkeit des Vortäters vorauszusetzen. Die Rechtsrüge ist daher verfehlt, weil es sich bei der gerichtlichen Strafbarkeit des Vortäters für den Hehler im Rahmen des § 53 Abs. 4 FinStrG (ebenso wie etwa bei der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages) um eine rein objektive Voraussetzung gerichtlicher Strafbarkeit handelt (vgl auch EvBl 1983/69 und 75). Die Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5), die relevieren, es fehle im Spruch des erstgerichtlichen Urteils jeder Hinweis darauf, daß sie beim Kauf der Jacke fahrlässig gehandelt hätte, sodaß der weitere Urteilsspruch, sie hätte das Vergehen der fahrlässigen Abgabenhehlerei begangen, keinesfalls gerechtfertigt sei, gehen im Kern dahin, die Annahme eines (wegen Fahrlässigkeit) strafbaren Verhaltens (§ 260 Abs. 1 Z 2 StPO) sei durch die Tatbeschreibung nicht gedeckt; die Beschwerdeführerin macht damit in Wahrheit den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO geltend. Dies jedoch zu Unrecht: Denn insoweit kann auf die mit dem Urteilstenor eine Einheit bildenden Urteilsgründe zurückgegriffen werden, aus denen entnommen werden kann, wodurch das Erstgericht eine Fahrlässigkeit verwirklicht sah (allerdings sollte an sich bei der Möglichkeit sowohl vorsätzlicher als auch fahrlässiger Deliktsverwirklichung die Anführung der subjektiven Tatseite auch bei der Tatbeschreibung im Urteilstenor !§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO vorgenommen werden - EvBl 1976/97).

Mit der Bekämpfung der Annahme einer Fahrlässigkeit (Z 9 lit a) ist aber die Nichtigkeitsbeschwerde im Recht.

Geht man - wie eingangs dargestellt - davon aus, daß sich der der Angeklagten gemachte Schuldvorwurf nicht auf den Kaufabschluß am 15. März 1981

anläßlich der Fachkontaktmesse in Salzburg bezieht, sondern auf die Gewahrsamserlangung im September 1981, also auf das 'An-sichbringen', dann muß auch bei der Prüfung der subjektiven Tatseite auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden; das frühere Geschehen, insbesondere die Umstände des Kaufabschlusses im März, sind demnach (zwar gleichfalls, aber doch nur) aus der Sicht zur Zeit der Gewahrsamserlangung zu beurteilen.

Darnach hatte die Beschwerdeführerin die Jacke im März 1981 in Österreich im Rahmen einer Fachkontaktmesse, bei der üblicherweise die ausländischen Erzeuger die Einfuhrumsatzsteuer zu bezahlen haben (US 3), um den dort ausgepreisten Betrag (US 4) gekauft; das Urteil bietet keine Anhaltspunkte für eine in bezug auf den Schmuggel auffallend geringe Höhe dieses Preises. Um eben diesen Preis wurde der Angeklagten die Jacke letztlich, und zwar angeblich sogar (anläßlich der Herbstmesse) aus Salzburg (S 83 in ON 2, S 26, US 4) per Post zugeschickt. Die Einschaltung einer Privatperson als Zahlungsempfänger mag zwar dabei - wie die Generalprokuratur ausführt - 'im Geschäftsleben unüblich' gewesen sein, mußte aber ebenso wie der Umstand, daß der seinerzeit ausgepreist gewesene Rechnungsbetrag in der Faktura nicht nach Bruttopreis und Eingangsabgaben detailliert war, für sich allein bei der Angeklagten noch keine Bedenken dahin erwecken, daß die Jacke nach Österreich eingeschmuggelt worden sein könnte.

Es kann aber auch nicht abgeleitet werden, daß derartige Bedenken - wie die Generalprokuratur meint - deshalb indiziert gewesen seien, weil die Beschwerdeführerin bei der ursprünglich vorgesehen gewesenen Abholung der Jacke - nach einer noch vorzunehmenden Änderung - in München, wobei letztere noch unverzollt gewesen wäre, vereinbarungsgemäß denselben Preis hätte bezahlen sollen. Eine derartige Feststellung läßt sich nämlich dem Urteil nicht entnehmen (siehe US 4). Sie wäre überdies mit dem - in der Nichtigkeitsbeschwerde der Sache nach geltend gemachten - Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behaftet, weil sich das Erstgericht in diesem Fall mit der gerade diesen Umstand bestreitenden - von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme durch unvollständige Zitierung inhaltlich ins Gegenteil verkehrten - Verantwortung der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung (S 27) nicht befaßte, wonach die Jacke für sie 'in Deutschland billiger' gewesen wäre. Damit hätte sich das Erstgericht umso mehr auseinandersetzen müssen, als es auf ihre seinerzeit vor dem Zollamt gemachten Angaben, die allerdings tatsächlich in diese Richtung gingen (S 83 in ON 2), ausdrücklich nicht zurückgriff (US 6). Zu einer Untersuchung dieses Aspekts in einem zweiten Rechtsgang besteht allerdings deshalb kein Anlaß, weil die betreffende überlegung zur Zeit der hier allein maßgeblichen übernahme der Jacke im September 1981 nach deren Zusendung per Post längst nicht mehr aktuell war und eine Auffassung, daß sie ein halbes Jahr nach ihrer potentiellen Aktualität immerhin rückblickend hätte reproduziert werden müssen, doch eine überspannung der objektiven Sorgfaltspflicht eines normbewußten Durchschnittsmenschen bedeuten würde.

Aus den angeführten Erwägungen war daher das bekämpfte Urteil aufzuheben und sogleich in der Sache selbst erkennend mit einem Freispruch vorzugehen.

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