OGH 10Os44/85

OGH10Os44/8514.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Lorenz A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Lorenz A gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12.Dezember 1984, GZ 8 Vr 746/84-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nchtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Punkt 2) des Urteilssatzes als unangefochten unberührt bleibt, im Punkt 1) (wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB) und demgemäß auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Lorenz A zu 1) des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB und zu 2) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Podersdorf am See zu 1) am 26.Mai 1984 Maria B, sohin eine Person weiblichen Geschlechtes dadurch, daß er ihr die Brille vom Gesicht riß, sie am Halse erfassend ihren Körper niederdrückte, sich auf sie legte, ihre Beine gewaltsam auseinanderdrückte und mit ihr einen Geschlechtsverkehr vollzog, mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf genötigt, sowie zu 2) am 26.Juni 1983 den Richard C durch Faustschläge und Fußtritte, wodurch dieser Blutergüsse und eine Beule an der Stirn erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf wendet sich die auf Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der Berechtigung zukommt. Das Erstgericht stützt seine zum Schuldspruch wegen des angeführten Verbrechens relevanten Feststellungen auf die von ihm als glaubwürdig angesehene Aussage der Zeugin Maria B, an deren Richtigkeit es zu zweifeln keinen Anlaß fand; es folgte den Angaben der Genannten aber insofern nicht, als es davon ausging, daß Maria B die Zärtlichkeiten des Angeklagten anfangs duldete und sich auch von ihm die Strumpfhose und die Unterhose abstreifen ließ. Diese Einschränkung gründete es darauf, daß die Strumpfhose und Unterhose der Genannten unbeschädigt waren, was 'im Zusammenhalt mit dem gerichtsärztlichen Gutachten zumindest darauf schließen läßt, daß die Zeugin während dieser Zeitspanne sich passiv verhielt' (US 5 und 6).

Mit Recht wendet sich die Mängelrüge dagegen, daß das Erstgericht keinerlei Versuch unternahm, abzugrenzen, aus welchen Gründen ein Teil der Aussage der Zeugin als glaubwürdig erschien, obwohl ein anderer wesentlicher Teil dieser Aussage nicht den Glauben des Gerichtes fand.

Gemäß § 258 Abs. 2 StPO hat das Gericht die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Das Recht der 'freien Beweiswürdigung' bedeutet aber auch, daß das erkennende Gericht sich mit sämtlichen wesentlichen Ergebnissen des Beweisverfahrens auseinanderzusetzen und für den Fall, als es diese Ergebnisse nicht oder nur zum Teil als Feststellungsgrundlage verwenden zu können glaubt, jene Umstände sorgfältig anzuführen hat, auf die sich seine entgegengesetzte Überzeugung gründet. Vorliegend hat das Erstgericht zwar die Aussage der Zeugin B als glaubwürdig erachtet, es ist ihr aber insofern nicht gefolgt, als es als erwiesen angenommen hat, Maria B habe zunächst 5 bis 10 Minuten lang Zärtlichkeiten des Angeklagten geduldet, obwohl die Genannte mehrmals (S 74 bis 80) solches entschieden in Abrede stellte. Aus welchen Erwägungen das Erstgericht hier der Zeugenaussage - in Ansehung wesentlicher Umstände - nicht folgte, ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen. Auch bei der Feststellung, B habe geduldet, daß der Angeklagte ihr die Strumpfhose und die Unterhose abstreifte, folgte es nicht ihrer dem entgegenstehenden Aussage. Diese Urteilsfeststellung traf das Erstgericht vielmehr ersichtlich auf Grund des gerichtsärztlichen Gutachtens (siehe die Verweisung des Urteils auf das HV-Protokoll S 17), nach welchem die Schilderung der Zeugin 'daß der Angeklagte sie zuerst festgehalten, vom Gurt befreit, gleichzeitig die Rückenlehne heruntergelassen, nachdem er vorher den Sitz rückwärts geschoben, sie schräg auf diese Fläche geschoben, ihre Bluse hinausgeschoben bzw aufgeknöpft hat, indem er sie noch festhielt, mit der anderen Hand die Unterhose und Strumpfhose vollständig auszog, während sie sich wehrte, aus anatomischer und gerichtsmedizinischer Sicht sehr unwahrscheinlich sei' (S 83).

Gerade bei Fällen, in denen einem - zudem wesentlichen - Beweismittel nur zum Teil Glaubwürdigkeit zuerkannt wird, dessen Stichhaltigkeit aber zum anderen Teil bezweifelt wird, bedarf es einer sorgfältigen und schlüssigen, alle bezughabende Verfahrensergebnisse erörternden Begründung, aus welchen Gründen dieses Beweismittel einer unterschiedlichen Würdigung unterzogen wird.

Eine derartige Begründung läßt das Ersturteil vermissen. Das Erstgericht ist daher seiner Verpflichtung, in den Entscheidungsgründen anzugeben, aus welchen Gründen es entscheidende Tatsachen als erwiesen angenommen hat (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO), nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Es hat zum Teil keine, zum Teil unzureichende Gründe für den Ausspruch über eine entscheidungswesentliche Tatsache angegeben.

Entscheidungswesentlichkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO liegt insofern vor, als dem Angeklagten - unter Berücksichtigung seiner in der Nichtigkeitsbeschwerde vorgebrachten Argumente - nur das Verbrechen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB anzulasten wäre, nicht aber das vollendete Verbrechen. Da in Anbetracht des dargelegten Begründungsmangels eie neue Urteilsfällung nach Verfahrenserneuerung unumgänglich ist, war der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO bereits bei einer nicht öffentlichen Beratung Folge zu geben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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