OGH 13Os52/85

OGH13Os52/859.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wr.Neustadt als Schöffengerichts vom 20.Dezember 1984, GZ. 12 a Vr 171/84-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Prem zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 3.Dezember 1937 geborene Hans A wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB (I), des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB (II) sowie des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (III) schuldig erkannt, weil er in Baden (zu I) im Sommer und Herbst 1983 in wiederholten Angriffen eine unmündige Person, nämlich die am 28. August 1970 geborene Helga B, durch Betasten ihrer Brüste und ihres Geschlechtsteils auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte;

(zu II) im Sommer und Herbst 1983 in wiederholten Angriffen durch die unter (I) angeführten Tathandlungen zugleich sein minderjähriges Stiefkind zur Unzucht mißbrauchte und (zu III) am 16.April 1983 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, den Manfred B*** durch die Vortäuschung, er sei Eigentümer eines Kleinmotorrads, zum Abschluß eines Kaufvertrags und zur übergabe von 800 S verleitete.

Gegen die Punkte (I) und (II) wendet sich der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und (der Sache nach) 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zu seiner Mängelrüge ist dem Angeklagten zunächst zu erwidern, daß das Erstgericht nach der in der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO zitierten Bestimmung des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO keineswegs verhalten war, im Urteil zu jedem Vorbringen des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind.

Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt und die Gründe anführt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit der Annahme geführt haben. In diesem Sinn ist aber das Schöffengericht vorliegend seiner Begründungspflicht nachgekommen. Entgegen den Beschwerdebehauptungen wurde nicht angenommen, die Zeugin Angela C habe jenes Verhalten des Angeklagten beobachtet, welches diesem als Verbrechen nach § 207 Abs. 1 StGB bzw. Vergehen nach § 212 Abs. 1 StGB angelastet wird (Betasten der Brüste und des Geschlechtsteiles der Helga B). Im Einklang mit der Aussage C (S. 27, 135) wurde lediglich konstatiert, daß die Zeugin den Angeklagten und dessen Stieftochter durch das ebenerdige, geöffnete Fenster der Wohnung in einer 'derartigen' (gemeint: 'verfänglichen') Situation (nämlich beim 'Schmusen') eindeutig erkannt hat (S. 192). Diese Wahrnehmung einer Erwachsenen hat der Gerichtshof denkgesetzlich einwandfrei als Indiz dafür gewertet (Leukauf-Steininger 2 , RN. 7 zu § 207 StGB, RN. 6 zu § 203 StGB), daß den weiteren belastenden Angaben von zur Zeit ihrer Vernehmung minderjährigen bzw. unmündigen Personen (Sabine D, S. 26, 131 ff., Andrea C, S. 31, 137 ff.; Verlesungen S. 182, 185) Glauben geschenkt werden könne. Damit setzte das Schöffengericht einen Akt freier Beweiswürdigung, der im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpft werden kann.

Die Behauptung, die Zeugin Andrea C habe den vorerwähnten, zusammen mit ihrer Mutter Angela C beobachteten Vorfall anders dargestellt als letztere ist aktenwidrig. Bei dem von Andrea C beobachteten Geschehen, wobei der Angeklagte seine Stieftochter Helga E auch 'ausgegriffen' hat, hat es sich um einen zweiten Vorfall gehandelt, den Andrea C nicht gemeinsam mit ihrer Mutter, sondern zusammen mit Sabine D gesehen hat;

bezüglich des ersten Vorfalls aber lautete ihre Aussage gleich jener ihrer Mutter Angela C dahin, daß nur 'geschmust' worden sei (S. 27, 29, 31, 137, Verlesungen S. 182, 185). Mit gewissen Widersprüchen zwischen den Angaben der Andrea C und der Sabine D bezüglich der Bekleidung der Helga B während der zweiten Begebenheit hat sich das Gericht ohnehin auseinandergesetzt (S. 193, 194). Es gelangte beweiswürdigend zum Ergebnis, daß derartige Divergenzen - zumal auch das Betasten des Geschlechtsteils einer Unmündigen über den Kleidern Mißbrauch zur Unzucht darstellt - die Glaubwürdigkeit der in Rede stehenden Zeugenaussagen nicht zu beeinträchtigen vermögen. Die Annahme mehrmaligen tatbildlichen Verhaltens des Beschwerdeführers im Sinn der §§ 207 Abs. 1, 212 Abs. 1 StGB ist nicht aktenwidrig; sie findet in den Bekundungen der Zeugen Sabine D, Angela C und Richard F vor der Polizei (Anzeige P 11293/kr/84), die ausdrücklich als Urteilsgrundlage herangezogen sind (vgl. S. 191; siehe S. 26, 28, 36; abermals Verlesungen S. 185), ihre Deckung. Die Festlegung des (ungefähren) Tatzeitraums ist nicht undeutlich geblieben, zumal das Gericht nur festgestellt hat, daß der Angeklagte die Abwesenheit seiner Ehefrau 'vor allem während eines längeren Spitalsaufenthaltes' zur Begehung der Tathandlungen ausgenützt hat (S. 190);

darnach stünde die Annahme eines gesamten Tatzeitraums von 'Sommer und Herbst 1983' einem bloß dreiwöchigen Spitalsaufenthalt der Liselotte A (innerhalb des vorgenannten Zeitraums) nicht entgegen. Die Mängelrüge des Angeklagten erweist sich demnach nicht als zielführend.

Soweit der Angeklagte mit seiner - keinen Nichtigkeitsgrund benennenden, aber § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO relevierenden - Rechtsrüge ausführt, daß das Küssen und Ansichdrücken einer Unmündigen keine Unzuchtshandlung darstelle, sei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erledigung der Mängelrüge verwiesen, wonach der Schöffensenat das dort als 'Schmusen' bezeichnete Verhalten des Beschwerdeführers gar nicht als tatbestandsmäßig beurteilt hat. Daß aber die festgestellten Betastungen der Brüste und des Geschlechsteils der damals unmündigen Stieftochter - mögen sie auch über der Kleidung stattgefunden haben - als 'Mißbrauch zur Unzucht' gemäß §§ 207 Abs. 1 und 212 Abs. 1 StGB zu werten sind, steht mit der Rechtsprechung im Einklang (LSK. 1978/24, 1976/79, 1980/27). Damit nach Auffassung des überwiegenden Teils der jüngeren Rechtsprechung (Mayerhofer-Rieder 2 , E.Nr. 34 zu § 281 Abs. 1 Z. 9 a StPO) der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltendmachend, behauptet der Angeklagte schließlich, das Erstgericht habe zu Unrecht eintätiges Zusammentreffen der Unzucht mit Unmündigen (§ 207 Abs. 1 StGB) mit dem Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 Abs. 1 StGB) angenommen. Indes sind die beiden Tatbestände durchaus verschieden. § 207 StGB pönalisiert den geschlechtlichen Mißbrauch von Unmündigen, gleichgültig, ob zwischen Täter und Opfer ein Autoritätsverhältnis besteht; § 212 Abs. 1 StGB erfaßt hingegen den Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses durch Unzuchtshandlungen in bezug auf abhängige Minderjährige. Die Delikte des § 207 Abs. 1 StGB und des § 212 Abs. 1 StGB stehen daher zueinander weder im Verhältnis der Spezialität noch in dem der Subsidiarität oder der Konsumtion. Erfüllt der Täter, wie hier, die Merkmale beider Tatbestände, dann wird der Unrechtsgehalt der Tat nur mittels deren Unterstellung unter beide Delikstypen ausgeschöpft (LSK 1976/350 zu § 207 StGB u. a.).

Auch der Rechtsrüge muß sonach ein Erfolg versagt bleiben. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 207 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von neun Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die (nur) bezüglich des Betrugsfaktums auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen und die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art als erschwerend, hingegen als mildernd das Geständnis zum Vermögensdelikt.

Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft die Erhöhung und der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Keiner Berufung kommt Berechtigung zu.

Zunächst sind die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe dahingehend zu ergänzen, daß die fast vollständige Gutmachung des Betrugsschadens (s. dazu S. 6 unten in ON. 3 und S. 130) als zusätzlicher Milderungsgrund und - wie die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel zutreffend hinweist - die Wiederholung der gegen die Sittlichkeit gerichteten strafbaren Handlungen als weiterer Erschwerungsumstand ins Gewicht fallen. Auf der Grundlage der sohin korrigierten (besonderen) Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Strafbemessungsnormen (§ 32 StGB) erweist sich die vom Kreisgericht ausgemessene Strafe nicht als änderungsbedürftig. Sie entspricht sowohl dem Unrechtsgehalt der Taten als auch der Täterpersönlichkeit und wird - der Meinung der Staatsanwaltschaft zuwider - auch den spezial- und generalpräventiven Erfordernissen gerecht.

Die von der Staatsanwaltschaft im Rechtsmittel betonte mangelnde Schuldeinsicht (ersichtlich gemeint: betreffend die Sittlichkeitsdelikte) nahm dem Angeklagten zwar die Zuerkennung des Milderungsgrunds nach § 34 Z. 17 StGB in Ansehung dieser Straftaten, wirkte sich aber darüber hinaus (etwa im Rahmen der §§ 32 f. StGB) nicht nachteilig für ihn aus.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte