Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 5.443,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.200,-- Barauslagen und S 385,80
Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der im Jahre 1969 verstorbene Vater des Klägers war Mieter einer Wohnung in Linz, Hauptplatz 16/2. Nach dem Tode seines Vaters übernahm der Kläger diese Wohnung und schloß bei der Beklagten eine Haushaltsversicherung ab. Er hatte als Unternehmensberater jedoch sein Büro in Wien und befand sich nur etwa alle 14 Tage in Linz. Im übrigen wohnte er in Wien. Bei Abschluß des Versicherungsvertrages teilte er der Beklagten nicht mit, daß die Wohnung in Linz von ihm nicht ständig bewohnt werde und er seinen Hauptwohnsitz in Wien habe. In der Zeit zwischen dem 30. März und dem 18. April 1979 wurden aus der Wohnung in Linz dem Kläger gehörige Gegenstände durch Diebstahl entwendet.
Zwischen diesen beiden Terminen war der Kläger nicht in Linz. Am 30. März 1979
hatte er jedoch die Wohnungstüren versperrt. Als Dieb wurde später Herbert D verurteilt, doch konnte nicht mehr festgestellt werden, ob dieser durch Einbruch in die Wohnung gelangt war oder ob bereits vor ihm andere Personen die Wohnungstür aufgebrochen und offen gelassen hatten. Herbert D wurde im Zweifel lediglich des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, 128
Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt. Auch hinsichtlich einer Reihe weiterer dem Kläger gehöriger Gegenstände leugnete D den Diebstahl, weshalb er im Zweifel auch diesbezüglich freigesprochen wurde. Bei der Feststellung des Sachverhaltes durch die Polizei am 18. April 1979
gab der Kläger dem aufnehmenden Polizeibeamten die gestohlenen Gegenstände bekannt, machte sich jedoch selbst hierüber keine Aufzeichnungen. Ein Teil der gestohlenen Gegenstände konnte in der Folge sichergestellt und dem Kläger zurückgegeben werden. Unmittelbar nach der Entdeckung des Einbruchsdiebstahls teilte der Kläger der Beklagten mit, in die versicherten Räumlichkeiten sei eingebrochen worden.
Der Sachbearbeiter der Beklagten veranlaßte jedoch keine Besichtigung und verfaßte auch keinen Amtsvermerk. Mit Schreiben vom 26. April 1979 ersuchte der Kläger die Beklagte um Beischaffung des Polizeiprotokolls, weil er selbst keine Aufzeichnungen gemacht habe und das Polizeiprotokoll nach seinen mündlichen Angaben verfaßt worden sei. Er teilte ferner mit, daß er an einer Schadensregulierung erst dann interessiert sei, wenn keine Aussicht auf Wiederbeschaffung der gestohlenen Gegenstände mehr bestehe. Zwei Schreiben der Beklagten vom 3. Juli 1979 und 9. Juli 1979 betreffend die Schadensanzeige hat der Kläger nicht erhalten. Nachdem der Kläger längere Zeit vergeblich versucht hatte, gestohlene Gegenstände bei Antiquitätenhändlern aufzufinden, wandte er sich am 19. Juni 1981 an den nunmehr zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten, der ihn ersuchte, unverzüglich eine entsprechende Schadensmeldung zu erstatten. Der Kläger übermittelte der Beklagten am 30. Dezember 1981 eine Schadensaufstellung, in der er jedoch, abweichend vom Polizeibericht, auch Gegenstände als gestohlen angab, die ihm zurückgestellt worden waren. Dieser Irrtum unterlief dem Kläger deshalb, weil er anläßlich der Sachverhaltserhebungen durch die Polizei keine eigenen Aufzeichnungen gemacht und darauf vertraut hatte, er könne in das Polizeiprotokoll Einsicht nehmen. Die Schadensliste vom 30. Dezember 1981 hat der Kläger nach seiner Erinnerung und auf Grund des Inhaltes des Strafurteiles erstellt. Herbert D war aber auch des Diebstahles bezüglich der dem Kläger zurückgestellten Gegenstände schuldig erkannt worden. Daß der Kläger, seinen Deckungsanspruch vorausgesetzt, von der Beklagten S 86.823,-- verlangen kann, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.
Die Vorinstanzen haben dem Kläger S 86.823,-- samt Anhang unter nicht mehr bekämpfter Abweisung eines Mehrbegehrens zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt. Rechtlich vertraten die Vorinstanzen den Standpunkt, die nicht ständige Benützung jener Wohnung, in die eingebrochen worden ist, stelle keine Gefahrenerhöhung dar, weil die dem Versicherungsverhältnis zugrundeliegenden E 1965 diesen Umstand nicht als besonderen Gefahrenumstand nennen. Im übrigen könne darin eine Gefahrenerhöhung auch deshalb nicht erblickt werden, weil der Einbruch während der Osterfeiertage erfolgt sei, also während eines Zeitraumes, in dem ein erheblicher Teil der Bevölkerung seine Wohnungen nicht benütze. Eine Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Meldung des Versicherungsfalles sei auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Allerdings habe der Kläger seine Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Angabe des Sachverhaltes dadurch verletzt, daß er in seine Schadensmeldung auch jene Gegenstände aufgenommen habe, die ihm zurückgestellt worden seien. Es sei jedoch erwiesen, daß der Kläger hier nicht bewußt falsche Angaben gemacht habe. Man könne daher höchstens von einem grob fahrlässigen Verstoß des Klägers gegen die Obliegenheit nach Art. 12 Abs 2 E 1965 ausgehen. Dieser Verstoß habe jedoch keine Auswirkungen auf die Feststellung der Leistungsverpflichtung der Beklagten gehabt, weil der wahre Sachverhalt problemlos anhand des Strafaktes aufgeklärt habe werden können. Aus diesem Grunde sei die Beklagte nicht leistungsfrei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Richtig ist, daß der Versicherer lediglich den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung beweisen muß und es im Falle eines derartigen Nachweises Sache des Versicherten ist, zu beweisen, daß diese Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Gelingt dem Versicherten der Nachweis nur bezüglich des fehlenden Vorsatzes, so bleibt der Versicherer zur Leistung dann verpflichtet, wenn die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat. Richtig ist auch, daß eine spätere Berichtigung unwahrer Angaben in der Schadensmeldung die bereits verwirklichte Obliegenheitsverletzung nicht beseitigt. Das Berufungsgericht hat diese Rechtslage jedoch richtig erkannt.
Die Beklagte übersieht den Umstand, daß der Kläger seine unrichtigen Angaben nicht bewußt gemacht hat, sondern daß diese auf einem Irrtum beruhten.
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei diesen Ausführungen um Tatsachenfeststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist. Rechtliche Beurteilung wäre lediglich die Qualifikation eines bestimmten Sachverhaltes als leichte oder grobe Fahrlässigkeit, nicht aber die Frage ob ein Versicherter die Unrichtigkeit seiner Angaben kannte oder nicht kannte. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung, die nicht mit dem der rechtlichen Beurteilung unterliegenden Kennenmüssen verwechselt werden darf. Geht man aber von der getroffenen Feststellung aus, daß der Kläger die Unrichtigkeit seiner Angaben infolge eines ihm unterlaufenen Irrtums nicht kannte, so liegt eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung nicht vor. Dem Kläger kann also höchstens eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden. Die Beklagte bestreitet gar nicht, daß in einem solchen Falle ihre Leistungspflicht dann unberührt bleibt, wenn die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung und den Umfang der Leistung des Versicherers Einfluß gehabt hat. Nach den getroffenen Feststellungen war letzteres nicht der Fall, weil der wirkliche Umfang des Schadens aus dem Strafakt ohne weiters festgestellt werden konnte. Auch hier muß der Oberstc Gerichtshof von den entsprechenden Feststellungen der Vorinstanzen ausgehen. Mit Recht hat sohin das Berufungsgericht die Leistungspflicht der Beklagten trotz der festgestellten Obliegenheitsverletzung des Klägers bejaht. Bei der Entscheidung der Frage einer Gefahrenerhöhung ist von der Feststellung der Vorinstanzen auszugehen, derzufolge der Kläger nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1969 die Wohnung in Linz übernommen und bei der Beklagten eine Haushaltsversicherung abgeschlossen hat (S 77 und 128 des Aktes). Die Beklagte hat ihrerseits eingewendet, daß die Wohnung nach dem Tode des Vaters des Klägers (bezüglich dessen sie allerdings eine falsche Jahreszahl angab) unbewohnt war (S 11 des Aktes). Da nach den getroffenen Feststellungen, die in diesem Punkte von der Beklagten nie bekämpft worden sind, der Abschluß des Versicherungsvertrages erst nach dem Tode des Vaters des Klägers erfolgt ist, bestand jener Zustand, den die Beklagte als Gefahrenerhöhung heranzieht, nämlich das nicht ständige Bewohnen der Wohnung, nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages. Nach § 23 VersVG darf der Versicherungsnehmer nach Abschluß des Vertrages ohne Einwilligung des Versicherers weder eine Erhöhung der Gefahr vornehmen noch ihre Vornahme durch einen Dritten gestatten. Gefahrenerhöhung ist also ganz allgemein eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluß tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht. Maßstab für die Gefahrenerhöhung ist der tatsächliche Gefahrenzustand zur Zeit des Vertragsschlusses (Prölss-Martin VVG 23 , 168). Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage kann demnach im vorliegenden Fall von einer Gefahrenerhöhung im Sinne der §§ 23 ff. VersVG schon deshalb keine Rede sein, weil sich der Gefahrenzustand seit Abschluß des Versicherungsvertrages nicht geändert hat (auf eine allenfalls bei der Kraftfahrzeughaftpflicht anders gestaltete Rechtslage muß hier nicht eingegangen werden). Die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht hat die Beklagte nie eingewendet. Sie hat auch nie behauptet, daß der Kläger bei Abschluß des Versicherungsvertrages oder im Zuge der Vorverhandlungen über die tatsächlichen Benützungsverhältnisse betreffend die Wohnung befragt worden sei oder daß man von ihm eine dauernde Benützung der Wohnung verlangt habe. Auch die dem Vertrage zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen enthalten keinerlei Verpflichtung in dieser Richtung. Auf eine Verletzung der dem Versicherten nach Art. 6 E 1965 treffenden Verpflichtung hat sich die Beklagte im gesamten vorinstanzlichen Verfahren nicht berufen.
Mit Recht haben sohin die Vorinstanzen die Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung der der Höhe nach nicht mehr strittigen Leistungen bejaht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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