OGH 6Ob575/85

OGH6Ob575/8525.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Eheangelegenheit des MR Dr. Alfred A, Ministerialbeamter, Wien 18., Peter Jordanstraße 159/1/7, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, und der B i.R. Dr. Gertrud A, Pensionistin, Wien 18., Peter Jordanstraße 159/1/7, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen nachehelicher Aufteilung gemäß den §§ 81 ff. EheG, infolge Revisionsrekurses der Frau als gefährdeter Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 16. Januar 1985, GZ 43 R 1642/84-55, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Döbling vom 6. November 1984, GZ 1 F 3/84-38, abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß und die Entscheidung erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung

Die Ehe der beiden Antragsteller wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 15. April 1982 geschieden. Auf Grund des am 9. Februar 1983 bei Gericht eingelangten Antrages der Frau und eines etwa zwei Wochen später gestellten Antrages des Mannes ist ein Verfahren zur nachehelichen Aufteilung nach den §§ 81 ff. EheG anhängig. Gegenstand dieses Aufteilungsverfahrens ist vor allem eine im gemeinsamen Wohnungseigentum der vormaligen Ehegatten stehende Wohnung. Diese aus einem großen Raum, drei Kabinetten, Küche, Bad, WC, Vorraum und Loggia bestehende Wohnung mit einer Nutzfläche von rund 100 m 2 diente in den letzten Ehejahren als Ehewohnung und wurde auch nach der Auflösung der Ehe weiterhin von beiden geschiedenen Ehegatten benützt.

Sowohl der Mann als auch die Frau streben jeweils die Zuweisung der im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Wohnung in ihr Alleineigentum an.

Am 18. September 1984 langte bei dem in der Eheangelegenheit befaßten Erstgericht ein ausdrücklich auf § 382 Z 8 c EO gestützter Antrag der Frau ein, dem Manne mit einer bis zur rechtskräftigen Erledigung des Aufteilungsverfahrens wirksamen einstweiligen Verfügung das Betreten der umstrittenen Ehewohnung zu verbieten. Zur Begründung dieses Antrages brachte die gefährdete Partei im wesentlichen vor, ihr Gegner mache ihr durch fortgesetzte Alkoholexzesse, gegen sie selbst und die ebenfalls noch in der Ehewohnung lebende nun im 26. Lebensjahr stehende gemeinsame Tochter gerichtete ärgste Beschimpfungen, Drohungen, Bosheitsakte und Tätlichkeiten ein Zusammenleben mit ihm in der - nicht teilbaren - Wohnung unerträglich; dem Manne stünde eine seinen Wohnbedürfnissen angemessene weitere Eigentumswohnung zur Verfügung, während die gefährdete Partei ihr Wohnbedürfnis weder in ihrem ererbten Mietwohnhaus noch in ihrem Sommerhaus befriedigen könnte und daher auf die strittige Wohnung angewiesen sei.

Der Mann bestritt die ihm angelasteten Fehlverhaltensweisen, gestand Schwierigkeiten im persönlichen Verkehr mit seiner Tochter, nicht aber im persönlichen Verkehr mit der gefährdeten Partei selbst zu. Er behauptete, der gefährdeten Partei stünden andere Wohnmöglichkeiten zu Gebote und machte geltend, daß die ihm zur Verfügung stehende Eigentumswohnung im gegenwärtigen Zustand unbewohnbar sei und auch nicht in kurzer Zeit mit angemessenen Mitteln in einen bewohnbaren Zustand versetzt werden könnte. Vor allem erachtete der Gegner der gefährdeten Partei aber das von dieser beantragte Verbot im § 382 Z 8 c EO nicht gedeckt.

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung folgenden

Inhaltes:

'Die Wohnung...wird der gefährdeten Partei...zur einstweiligen alleinigen Benützung zugewiesen.

Dem Gegner der gefährdeten Partei...wird bei sonstiger Exekution verboten, diese Wohnung zu betreten.

Diese Verfügung gilt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens.'

Das Erstgericht nahm dazu als bescheinigt an:

Beide geschiedenen Ehegatten und deren gemeinsame Tochter, die nach Beendigung ihrer Gerichtspraxis noch keine Beschäftigung gefunden hat, wohnen in der ehemaligen Ehewohnung. Während der Sommermonate lebt die gefährdete Partei mit der Tochter in einem nicht winterfest ausgestatteten Sommerhaus.

Die gefährdete Partei hat mehrere Mietwohnungen an die Tochter und an den gemeinsamen Sohn der geschiedenen Eheleute vermietet. Die Kinder gaben diese Wohnungen in Unterbestand weiter. Derzeit steht keine Wohnung zur Benützung durch die gefährdete Partei zur Verfügung. Der Gegner der gefährdeten Partei besitzt eine derzeit unbewohnte Eigentumswohnung. 'Zwischen den Streitteilen und der Tochter' kommt es zu Beschimpfungen. Am 31. Mai 1984 hat der Gegner der gefährdeten Partei seiner Tochter Schläge mit der flachen Hand versetzt und ihr dadurch Hautabschürfungen am rechten Unterarm und am Hals sowie eine druckschmerzempfindliche Stelle an der Schädeldecke zugefügt.

Daraus folgerte das Erstgericht: Ein Zusammenleben der Streitteile und der Tochter, die auf die Unterkunft in der elterlichen Wohnung angewiesen sei, sei untragbar. Dem Gegner der gefährdeten Partei stehe eine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung. Deshalb sei für die Dauer des Aufteilungsverfahrens die einstweilige Verfügung zu erlassen gewesen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Antragsabweisung ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige sowie, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wegen Vorliegens der im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO umschriebenen Voraussetzungen zulässig sei.

Das Rekursgericht erachtete, wenn es auch die sich daraus ergebende Rechtslage nicht als befriedigend erklärte, der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. Oktober 1982, 2 Ob 563/82, RZ 1983/57, S 251, dargelegten Auslegung folgen zu sollen, daß ein Verhalten, das die Voraussetzungen des § 382 Z 8 b EO erfüllte, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 c EO nicht geltend gemacht werden könne, eine einstweilige Verfügung nach der erstgenannten Gesetzesstelle aber nach erfolgter Auflösung der Ehe nicht mehr zulässig sei.

Die gefährdete Partei ficht die abändernde Rekursentscheidung mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen einstweiligen Verfügung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der Gegner der gefährdeten Partei strebt eine Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Die Rechtsmittelentscheidung hängt von der Beurteilung der Voraussetzungen, des Zweckes und der zulässigen Regelungen einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 c EO ab; diese Fragen haben in den höchstrichterlichen Entscheidungen RZ 1983/57, S 251, und 4 Ob 508/84

keine vollständige Beantwortung gefunden.

Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages

berechtigt.

Die Ehe begründet für die Ehegatten unter anderem grundsätzlich (vgl. § 92 ABGB) die Rechtspflicht zum gemeinsamen Wohnen (§ 90 ABGB). In Ansehung der in Abstimmung auf die Interessen zur umfassenden Lebensgemeinschaft gewählten Stätte des Lebensmittelpunktes wird einem qualifiziert wohnbedürftigen Ehegatten gegenüber störenden Maßnahmen des anderen auch ein besonderer Schutzanspruch zuteil (§ 97 ABGB). Dieser gesetzliche Schutz steigert sich im Fall eines unmittelbar bevorstehenden oder bereits anhängigen Verfahrens zur Auflösung der Ehe durch gerichtliche Entscheidung unter den Voraussetzungen des § 382 Z 8 b EO zu einem - von der rechtlichen Ausgestaltung der Wohnungsnutzung unabhängigen - Anspruch auf Unterlassung der Mitbenützung durch den das Zusammenleben qualifiziert störenden anderen Ehegatten. Nach dem durch das Bundesgesetz vom 1. Juli 1975

über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. Nr. 412, neu formulierten Sicherungsmittel nach § 382 Z 8 b EO ist ein materiellrechtlicher Anspruch auf ungestörte Weiterbenützung der in Erfüllung der oben erwähnten eherechtlichen Verpflichtung gewählten Wohnung zu unterstellen, die Durchsetzung dieses Anspruches ist aber - offensichtlich seines grundsätzlich bloß vorübergehenden Charakters wegen - durch positiv-rechtliche Anordnung in das Sicherungsverfahren gewiesen. Dabei liegt allerdings, wie im Fall des § 382 Z 8 a, letzter Halbsatz EO, der durch die Verfügung zu sichernde Anspruch nicht in dem in der Hauptsache verfolgten Statusbegehren, sondern in dem zu unterstellenden besonderen Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit gegenüber dem Ehepartner. Die Auflösung der Ehe durch gerichtliche Entscheidung beendet zwar grundsätzlich die auf dem Eheband beruhenden wechselseitigen Verpflichtungen; die nach den Grundsätzen des § 90 ABGB eingegangene Partnerschaft verbindet aber noch zu einer Lösung der während der Ehe zur umfassenden gemeinsamen Lebensführung vereinigten Lebensbereiche in einer der Partnerschaft gemäßen fairen und billigen Weise.

Dieser Grundsatz hat durch die Regelung über die nacheheliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den durch das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. Nr. 280, formulierten Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG seine positiv-rechtliche Ausnormung gefunden. Nach diesen Bestimmungen hat - wie schon nach der Sechsten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz - die Ehewohnung eine besonders hervorgehobene, der eingangs skizzierten Bedeutung als Stätte der gemeinsamen Lebensführung angepaßte Regelung gefunden. Gerade in Ansehung der Ehewohnung ist der Ausspruch zwar vermögenswerter, aber nicht rein vermögensrechtlicher Natur. Im sachlichen Zusammenhang mit dem nachehelichen Aufteilungsverfahren wurde durch das Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts, BGBl. Nr. 280, in die Z 8 des § 382 EO die Bestimmung des c) neu eingefügt. Zweck und Inhalt der neu geschaffenen Bestimmung sind einerseits die einstweilige Regelung der Benützung und andererseits die einstweilige Sicherung der in die konkrete Aufteilungsmasse fallenden Vermögenswerte (vgl. ausdrücklich den Ausschußbericht 916 Blg.NR XIV.GP, 12 zu Art. II Z 12 im allgemeinen). Diese beiden unterschiedlichen Inhalte des § 382 Z 8 c EO wurden bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8. Mai 1984, 4 Ob 508/84, nach Regelungsaufgabe und Voraussetzungen klar einander gegenübergestellt.

Was die einstweilige Regelung der Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, in erster Linie aber dabei von Ehewohnung und Hausrat, anlangt, darf nicht übersehen werden, daß schon die Sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz in ihrem § 19 die einstweilige Regelung der Benützung von Ehewohnung und Hausrat durch den Prozeßrichter vorgesehen hat, wobei die richterliche Anordnung im Falle einer Scheidung der Ehe bis zu einer anderweitigen Regelung nach den Vorschriften der Sechsten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz wirksam bleiben sollte. Die einstweilige Regelung der Benützung sichert den zu unterstellenden Anspruch auf wechselseitige Wahrung persönlichkeitsbezogener Interessen der vormaligen Ehegatten während der Phase und bei der Vornahme der erforderlichen Trennung der ehemals auf das Innigste verbundenen Lebensbereiche der Ehegatten.

Schlagwortartig und programmatisch könnte man von einem aus der Ehe nachwirkenden Billigkeitsanspruch auf Lösung der gemeinsamen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinne sprechen. Aus ähnlichem Grunde wie im Falle des hinter der Regelung nach § 382 Z 8 b EO zu denkenden materiellen Anspruches ist auch die Verfolgung des Anspruches auf einstweilige Regelung der Benützung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse durch positive gesetzliche Anordnung in das Sicherungsverfahren gewiesen. Als Voraussetzung einer solchen Regelung ist jedenfalls ein offenbar mit dem Grundsatz einer Auflösung der gemeinsamen Lebensbereiche im partnerschaftlichen Sinne unvereinbarlicher Zustand anzuerkennen. In diesem Sinne kann insbesondere die Ehewohnung, wenn sie der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des einen Teiles dient, diesem einstweilen zur alleinigen Benützung zugewiesen werden, wenn ihm der andere Teil das weitere Zusammenleben unerträglich macht. Die gefährdete Partei hat dies unter Anführung konkreter Umstände, für die sie auch Bescheinigungsmittel angeboten hat, behauptet. Die gefährdete Partei hat auch der Sache nach nichts anderes als eine einstweilige Regelung der Benützung der Ehewohnung im Sinne einer ausschließlichen Benützungsberechtigung durch sie begehrt, wenn sie ein ihrem geschiedenen Ehemann aufzuerlegendes Wohnungsbetretungsverbot beantragte. Dieses Wohnungsbetretungsverbot ist nur als Anordnung zur Durchführung und Sicherung der einstweilen anzuordnenden ausschließlichen Benützungsbefugnis der gefährdeten Partei zu verstehen. Auch bei einer bloß einstweiligen Regelung der Benützung sind nämlich erforderlichenfalls Anordnungen zur Durchführung der, wenn auch bloß vorläufigen, Aufteilung gemäß § 93 EheG zu treffen. Eine gegen § 405 ZPO verstoßende Antragsüberschreitung, wie sie in einem vergleichsweise gelagerten Fall in der bereits zitierten Entscheidung RZ 1983/57 angenommen wurde, ist nicht zu erkennen.

Der von der gefährdeten Partei gestellte Sicherungsantrag ist aus diesen Erwägungen nicht unzulässig.

Zur Beurteilung der Voraussetzungen des Anspruches auf einstweilige Regelung der Wohnungsbenützung hat aber das Erstgericht den nach dem Parteienvorbringen und den Bescheinigungsanboten zu erhebenden Sachverhalt nicht in einem zur notwendigen Abwägung der Interessen ausreichenden Maße festgestellt. Zur Behebung dieser Mängel bedarf es einer Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz. In Stattgebung des Revisionsrekurses waren daher die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung über den nach § 382 Abs 8 c EO gestellten Sicherungsantrag an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO, §§ 78, 402 EO.

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