OGH 7Ob538/85

OGH7Ob538/8528.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Christine A, Graz, Gustav-Hofer-Weg 15, vertreten durch Dr. Helmut Thomich, Rechtsanwalt in Graz, wider den Antragsgegner Pietro A, Chemotechniker, Graz, Gustav-Hofer-Weg 15, vertreten durch Dr. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, wegen § 92 ABGB infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 13.Februar 1985, GZ. 1 R 476/84-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 29.November 1984, GZ. 33 F 30/84-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Streitteile sind miteinander verheiratet, doch ist zwischen ihnen ein Ehescheidungsprozeß anhängig.

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung der Rechtmäßigkeit vorübergehender gesonderter Wohnungsnahme.

Während das Erstgericht den Antrag abgewiesen hat, wurde ihm vom Rekursgericht nach ergänzender Tatsachenfeststellung stattgegeben. Hiebei ging das Rekursgericht von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin schläft seit mehr als einem Jahr mit der Tochter der Streitteile im Kinderzimmer, während der Antragsgegner im Schlafzimmer nächtigt. Am 6.Oktober 1983 kam der Antragsgegner spät am Abend heim und schaltete die Beleuchtung ein. Als ihn die Antragstellerin fragte, ob er eine Festbeleuchtung brauche, versetzte er ihr eine Ohrfeige. Es kam dann zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf der Antragsgegner die Antragstellerin verletzte. Am 25.März 1984 kam der Antragsgegner gegen 23 Uhr ins Kinderzimmer, wo die Antragstellerin mit ihrer Tochter lag. Die Antragstellerin forderte ihn zum Verlassen des Zimmers auf, worauf er sich auf sie setzte.

In der Zeit zwischen Februar und Mai 1984 nahm der Antragsgegner in der Ehewohnung auf einem Tonaufnahmegerät von der Antragstellerin geführte Telefongespräche auf, um diese dann, insbesondere im Scheidungsverfahren, zu verwerten. In der Scheidungsverhandlung vom 5. Juni 1984 erlangte die Antragstellerin davon Kenntnis und erstattete Anzeige gegen ihn. Der Antragsgegner wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 2.Oktober 1984, 10 E Vr 2461/84-10, des Vergehens nach § 120 StGB (Mißbrauch von Tonbandaufnahme- und Abhörgeräten) schuldig erkannt. Rechtlich vertrat das Rekursgericht den Standpunkt, daß die festgestellten Umstände ein weiteres Zusammenleben der Antragstellerin mit dem Antragsgegner als unzumutbar erscheinen lassen, weshalb ihr Begehren nach § 92 Abs. 2 ABGB gerechtfertigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsgegner gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.

Da im außerstreitigen Verfahren der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht gilt, war das Rekursgericht berechtigt, selbst weitere Beweise aufzunehmen und die Beweise umzuwürdigen (ÖA 1981, 87, JBl. 1961, 232 ua). Der Oberste Gerichtshof ist hingegen im außerstreitigen Verfahren nicht Tatsacheninstanz, weshalb er die Beweiswürdigung des Rekursgerichtes nicht überprüfen kann.

Vielmehr hat er von dem durch das Rekursgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen.

Die vom Rekursgericht festgestellten Tatsachen sind, soweit sie von entscheidender Bedeutung sind, aktenkundig, weshalb eine zusätzliche Vernehmung der Parteien zu dieser Frage nicht mehr erforderlich war. Im übrigen sind die Parteien im Verfahren erster Instanz vernommen worden. Auf ihr Vorbringen wurde hinreichend Bedacht genommen. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die Entscheidung nach § 92 Abs 3 ABGB, um ihrem Zweck gerecht zu werden, nach einem möglichst raschen Verfahren gefällt werden soll.

Es geht daher nicht an, durch überspannte Genauigkeitserfordernisse unnötige Verfahrensverzögerungen zu provozieren.

Daß nach den getroffenen Feststellungen ein weiteres Zusammenleben der Ehegatten für die Antragstellerin unzumutbar ist, kann wohl im Ernst nicht bezweifelt werden. Der Antragsgegner ist nicht nur mehrfach gegen die Antragstellerin tätlich geworden, sondern hat auch durch Abhören ihrer Telefongespräche über längere Zeit in ihre Intimsphäre derart eingegriffen, daß dadurch die für ein weiteres Zusammenleben nötige Vertrauensbasis zerstört worden ist. Die Behauptung des Rekurses, die Antragstellerin hätte von dem Abhören ihrer Telefongespräche Kenntnis gehabt, widerspricht den getroffenen Feststellungen. Es ist also nicht so, daß die Antragstellerin lediglich ein mögliches Verhalten des Antragsgegners zur Grundlage für ihr Begehren nimmt.

Vielmehr läßt das bisherige Verhalten des Antragsgegners erkennen, daß auch in Zukunft mit unzumutbaren Eingriffen in die Sphäre der Antragstellerin gerechnet werden muß. Gerade körperliche Bedrohungen und Mißhandlungen sind als derart schwerwiegende Verstöße anzusehen, daß sie in der Regel das Begehren auf gesonderte Wohnungsnahme rechtfertigen. Dazu kommt ein Verhalten, das einen groben Vertrauensmißbrauch beinhaltet.

Die Tatsache, daß die Antragstellerin noch nicht ausgezogen und daß sie nach einem seinerzeit erfolgten Auszug wieder in die Wohnung zurückgekehrt ist, steht einer Entscheidung im Sinne ihres Antrages nicht entgegen.

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