Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird s t a t t g e g e b e n . Der angefochtene Beschluß und der Beschluß erster Instanz werden als nichtig aufgehoben.
Text
Begründung
Ida Maria A ist am 18. August 1980 gestorben. In ihrem Testament vom 12. Dezember 1963 hatte sie 'zu gleichen Teilen meine ehelichen Kinder' zu Erben eingesetzt und beigefügt, derzeit zwei eheliche Kinder zu haben, nämlich die beiden am 6. September 1954 geborenen Zwillinge Johann und Ernst. Der Sohn Ernst starb den amtlichen Sterbebucheintragungen zufolge nach einem Verkehrsunfall in derselben Minute wie seine Mutter. Er hinterließ eine Witwe und den am 23. Juli 1975 geborenen Sohn Roman Ernst.
Der Sohn Johann gab auf Grund des Testamentes zum gesamten Nachlaß seiner Mutter die bedingte Erbserklärung ab; dabei berief er sich auf das nach der Aktenlage anzunehmende gleichzeitige Ableben seiner Mutter und seines Bruders und folgerte daraus einen Zuwachs des seinem Bruder zugedachten Erbteiles gemäß § 560 ABGB. Der minderjährige Enkel Roman Ernst gab auf Grund des Testamentes zur Hälfte des Nachlasses nach seiner Großmutter die bedingte Erbserklärung ab; er behauptete, daß sein Vater die Erblasserin überlebt habe und folgerte daraus eine Transmission. In Ansehung der Einzelheiten genügt ein Hinweis auf die Sachverhaltsdarstellung in der Revisionsrekursentscheidung vom 29. März 1984, 6 Ob 6/84 (ON 35).
Die Erbserklärung des Sohnes Johann wurde zu Gericht angenommen, ebenso die des Enkelsohnes Roman Ernst, die letztgenannte allerdings ausdrücklich als die eines durch stillschweigenden fideikommissarische Substitution Berufenen.
Der gegen die diesbezügliche Rekursentscheidung vom 25. Mai 1984 (ON 36) ergriffene Revisionsrekurs des Enkels der Erblasserin wurde zurückgewiesen (6 Ob 18/84). Nach der somit rechtskräftigen Annahme der in Ansehung eines Hälfteanteiles am Nachlaß einander widersprechenden Erbserklärungen des Sohnes und des Enkels der Erblasserin faßte das Abhandlungsgericht den Beschluß, daß dem Sohn und dem Enkel das Erbrecht auf Grund des Testamentes je zur Hälfte des Nachlasses zustünde. Das Abhandlungsgericht übernahm dazu die vom Rekursgericht in seinem Beschluß vom 25. Mai 1984, ON 36, ausgesprochene, die damalige spruchmäßige Entscheidung nach § 122 AußStrG nicht tragende Rechtsansicht, daß beim Vorliegen einander widersprechender Erbserklärungen kein Verfahren nach § 125 AußStrG durchzuführen und die Entscheidung vom Abhandlungsgericht selbst zu treffen sei, wenn diese Entscheidung nicht von Tatumständen abhänge, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins Klare setzen ließen, also bloß die Lösung einer Rechtsfrage erforderlich wäre. Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, ohne sich neuerlich mit der im § 125 AußStrG vorgeschriebenen Vorgangsweise auseinanderzusetzen; es verwies auf seine in der erwähnten Rekursentscheidung vom 25. Mai 1984, ON 36, ausgeführten Darlegungen.
Der Sohn der Erblasserin ficht die bestätigende Rekursentscheidung unter Bezeichnung des Anfechtungsgrundes der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit dem Abänderungsantrag an, zu erkennen, daß ihm, dem Rechtsmittelwerber, das Erbrecht nach seiner Mutter auf Grund des Testamentes vom 12. Dezember 1963 zu gesamten Nachlaß zustehe. Eine Nichtigkeit könnte darin gelegen sein, daß die Klärung der durch die einander widersprechenden Erbserklärungen in der Nachlaßabhandlung geschaffenen Verfahrenslage entgegen der klaren Regelung des § 125 AußStrG durch eine selbständige, sei es auch nur für das Abhandlungsverfahren wirksame und die Geltendmachung eines besseren Erbrechtes keinesfalls ausschließende Entscheidung des Abhandlungsgerichtes selbst herbeigeführt werden soll. Hiezu ist zu erwägen:
Rechtliche Beurteilung
Das Abhandlungsgericht hat gemäß § 122 AußStrG grundsätzlich jede formgerechte und den Inhaltserfordernissen des § 799 ABGB genügende Erbserklärung anzunehmen, wenn nicht von vornherein feststeht, daß sie keinesfalls zu der mit der Erbserklärung beantragten Einantwortung führen könnte. Eine Entscheidung über konkurrierende Teilnahmeansprüche an der Abhandlung, die im Regelfall mit der Einantwortung zu enden hat, steht dem Abhandlungsgericht nicht zu. Im Falle einander widersprechender Erbserklärungen ist über das relativ stärkere Erbrecht der einzelnen miteinander konkurrierenden Erbansprüche im Rechtsstreit zu entscheiden. Das Abhandlungsgericht hat gemäß § 125 AußStrG lediglich über die Zuteilung der Klägerrolle Beschluß zu fassen. Diese Regelung setzt die dargelegte Grenzziehung zwischen dem außerstreitigen Verfahren und dem Rechtsstreit zwingend voraus. Dabei ist entgegen einer vielfach ausgesprochenen (SZ 32/23 uva) und aus dieser Sicht auch als überholt bekämpften Ansicht die Zuweisung der Entscheidung des sogenannten Erbrechtsstreites, also der Feststellung des relativ stärkeren Erbrechtes zweier mit ihren Erbserklärungen in Widerspruch geratenen Erbansprecher, in den Aufgabenbereich des Streitrichters nicht als 'Anwendungsfall des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG' zu sehen. Vielmehr ist der Zweck, die Streitbereinigung auf den Rechtsweg zu verweisen, in erster Linie in den unterschiedlichen Entscheidungswirkungen eines im Abhandlungsverfahren gefaßten Beschlusses und eines Urteiles im sogenannten Erbrechtsstreit zu suchen. Das offenkundige verfahrensökonomische Ziel ist die Vermeidung eines Erbschaftsstreites, der mit großer Wahrscheinlichkeit von dem im Abhandlungsverfahren unberücksichtigt gebliebenen Erbansprecher nach der Einantwortung an den anderen zu erwarten wäre, wenn nicht bereits vor der Einantwortung zwischen den durch ihre Erbserklärungen in offenen Widerspruch zueinander geratenen Erbansprechern bindend über das relativ stärkere Erbrecht abgesprochen würde. Als bloße Vorentscheidung zur Einantwortung könnte einer Lösung dieser Frage durch das Abhandlungsgericht keinesfalls eine weiterreichende Bedeutung zukommen als der Einantwortung selbst und diese schließt gemäß § 823 ABGB die klageweise Geltendmachung des besseren Erbrechtes nicht aus.
§ 125 AußStrG läßt keine Ausnahme im Sinne der Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG zu. Nach dem dargelegten Sinn der gesetzlichen Zuweisung der Streitaustragung auf den streitigen Rechtsweg darf eine Einschränkung nicht, wie es das Rekursgericht getan hat, in § 125 AußStrG hineininterpretiert werden. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung ZBl. 1918/72 betraf keinen Fall widerstreitender Erbserklärungen. Die rekursgerichtliche Ansicht findet in der Lehre keine Stütze (vgl. Ehrenzweig System 2 II/2, 612; Kralik Erbrecht, 331; Dolinar Außerstreitverfahrensrecht, Allgemeiner Teil 88; Rintelen Grundriß 63; Schuster von Bonnott Kommentar 4 , 23 f; Touaillon ZBl. 1908, 971 und 986). Damit haben die Vorinstanzen mit ihrer - die rechtskräftige Annahme der widersprechenden Erbserklärungen zu Gericht im Ergebnis teilweise wiederaufhebenden (vgl. hiezu Touaillon ZBl. 1908, 795) - Entscheidung über das relativ stärkere Erbrecht des Enkels der Erblasserin die Grenzen ihrer außerstreitigen Gerichtsbarkeit überschritten (§ 2 Abs 2 Z 1 AußStrG).
Ihren Beschlüssen haftet aus diesem Grund Nullität an (vgl. EvBl 1966/80).
Sie waren deshalb als nichtig aufzuheben.
Das Abhandlungsgericht wird das Verfahren im Sinne des § 125 AußStrG fortzusetzen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß der Enkel der Erblasserin seine Erbserklärung ausdrücklich als Transmissar seines angeblich nach der Erblasserin verstorbenen Vaters abgegeben hat und ihm in dieser Hinsicht theoretisch die Beweisführung offenstünde, daß sein an Quetschungen des Brustkorbes und Schädels gestorbener Vater die an der Zertrümmerung des Schädels und Abtrennung des Halses sowie Zerquetschung des Brustkorbes gestorbene Erblasserin überlebt habe. Da die Vorinstanzen in teilweiser Abweichung von dem in der Erbserklärung angegebenen Berufungsgrund die Erbserklärung des Enkels aus dem Grund einer stillschweigenden fideikommissarischen Substitution angenommen haben wird, vor der Entscheidung über die Klägerrolle klarzustellen sein, wie der Enkel der Erblasserin sein Erbrecht in erster Linie und wie er es allenfalls hilfsweise abgeleitet wissen will.
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