OGH 9Os6/85

OGH9Os6/8527.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.März 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schwab als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106

Abs. 1 Z. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Peter A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.September 1984, GZ. 8 c Vr 5993/84-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten Peter A und der Verteidigerin Dr. Hämmerle zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.September 1938 geborene Chemielaborant Peter A des Verbrechens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB (1.), des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (2.) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB (3.) schuldig erkannt, weil er in einem mit der nachgemachten Unterschrift seines Bewährungshelfers Ottokar B gefertigten Schreiben an das Bezirkspolizeikommissariat Wien-Landstraße vom 13.Mai 1984 ultimativ die polizeiliche Einvernahme des vorgeblichen Absenders binnen sechs Wochen forderte, widrigens Polizeioberrat Dr. C 'in Notwehr' getötet würde, und dadurch gleichzeitig den Erstgenannten rücksichtlich der den Inhalt des gefälschten Schreibens bildenden (sohin dessen vorgeblichem Verfasser angedichteten) strafbaren Handlung der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5, 9

lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten, die geltendgemachten Nichtigkeitsgründe allerdings nicht getrennt ausführenden Nichtigkeitsbeschwerde.

In dieser wendet er zunächst ein, das Erstgericht habe bei Beurteilung seiner Tat nicht den gesamten Inhalt des tatgegenständlichen Schreibens, insbesondere nicht den darin verwendeten Begriff 'in Notwehr töten' erörtert und demzufolge auch nicht festgestellt, daß er damit - wie er schon in der Hauptverhandlung vorbrachte - lediglich zum Ausdruck bringen wollte, es bestehe 'an sich nur dann eine Gefahr, wenn eine Notwehrsituation vorliege' (S. 206).

Rechtliche Beurteilung

Der damit behauptete Feststellungsmangel liegt allerdings nicht vor; wird doch im Urteil nach eingehender Befassung mit der in Rede stehenden Briefpassage ohnedies konstatiert, wie der Beschwerdeführer diese Wortfolge vom Empfänger seines Schreibens gedeutet wissen wollte (siehe dazu S. 220, 222). Das Gericht führt hiezu aus, er habe damit seiner Forderung nach polizeilicher Einvernahme (des Ottokar B) besonderes Gewicht verleihen und mit der erwähnten Wendung Dr. C zu verstehen geben wollen, er sei unter 'gewissen' Umständen sogar bereit, ihn zu töten.

Indem die Beschwerde diese - zum Bereich des Tatsachensubstrats zählende (Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht 2 , Nr. 46 ff. zu § 281 StPO) - Feststellung über den Sinngehalt und die Tragweite der Worte aus der Sicht des Angeklagten verschweigt, führt sie die dahingehende Feststellungsmängel behauptende Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß aus.

Gleichermaßen wird mit den - nach dem Gesagten - nicht aktengetreuen Argumenten und dem sonstigen, nicht weiter substantiierten Beschwerdevorbringen auch ein Begründungsmangel nicht gesetzmäßig dargetan.

Soweit in diesem Zusammenhang in der Beschwerde ganz allgemein Zweifel dahingehend zum Ausdruck gebracht werden, ob Nötigung auch dann gegeben sei, wenn die Drohung mit dem Tod nur für den Fall einer Notwehrsituation geäußert werde (Z. 9 lit. a), und daran anknüpfend die Annahme einer nach § 106 Abs. 1 Z. 1 StGB qualifizierten Todesdrohung in Frage gestellt wird (Z. 10), ist vorweg festzuhalten, daß die Frage nach der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ebenso Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist (EvBl. 1969/384 u.v.a.), wie jene darnach, ob es sich gegebenenfalls um eine Drohung mit dem Tod (oder um eine verbale übertreibung bei einer Drohung mit einer Verletzung) handelt. Beide Fragen sind nach objektiven Gesichtspunkten unter Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes zu lösen, wobei es darauf ankommt, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten übels erwarten, d.h. den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, das angedrohte übel wahrzumachen, im konkreten Fall also tatsächlich einen Angriff auf sein Leben vorzunehmen (siehe dazu Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN. 7

zu § 106 sowie RN. 17 zu § 107, jeweils mit Judikaturnachweis). Bei der Beurteilung dieser Umstände unter dem Blickwinkel einer Drohung (mit dem Tod) aber ist dem Erstgericht - den Beschwerdeausführungen zuwider - kein Rechtsirrtum unterlaufen. Denn es ergibt sich aus dem Text des inkriminierten Schreibens - auf dessen gesamten Inhalt die Beschwerde an sich richtig abstellt - auch bei Anwendung der oben aufgezeigten objektiven Beurteilungskriterien unmißverständlich, daß der Angeklagte die von ihm so bezeichnete 'Notwehrsituation', in welcher er das angedrohte übel zu verwirklichen gedachte, schon im Unterbleiben der von ihm geforderten Einvernahme des Ottokar B erblickte, die Worte 'in Notwehr' demnach keinerlei den Sinngehalt der Drohung einschränkende Bedeutung hatten. Da der Bedrohte aber auch sonst bei unbefangener Betrachtung der Situation durchaus den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, seine Ankündigung wahrzumachen, kann an der Eignung seiner Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, ebensowenig gezweifelt werden wie an der Qualifikation der Äußerung als Drohung mit Mord.

Anders als die Beschwerde ersichtlich meint, kommt es bei Drohungen, welche die oberwähnte Eignung besitzen, nicht darauf an, ob der Bedrohte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde. Der von der Beschwerde vermißten Erörterungen darüber, ob und ab wann sich der Bedrohte vorliegend wirklich fürchtete, bedurfte es daher nicht. Mit der Behauptung, er habe ein Recht auf das geforderte Verhalten der Behörde gehabt, reklamiert der Beschwerdeführer der Sache nach den Rechtsfertigungsgrund des § 105 Abs. 2 StGB (Z. 9 lit. b). Dabei verkennt er aber, daß das entscheidende Kriterium für den Rechtswidrigkeitsausschluß der sachliche Zusammenhang im Sinne einer innerlich begründeten Mittel-Zweck-Beziehung zwischen dem geforderten Verhalten und der in Aussicht gestellten Sanktion für den Fall der Unterlassung ist, also voraussetzt, daß sich der Täter zur Durchsetzung eines - berechtigten oder vermeintlichen - Anspruches eines sittlich erlaubten Mittels bedient. Daß dies auf eine Morddrohung nicht zutrifft, bedarf füglich keiner weiteren Erörterung (siehe ÖJZ-LSK. 1977/159).

Die gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB vorgebrachten Einwände sind demnach allesamt unbegründet.

Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes - wonach der Angeklagte die Behörde durch sein (eine Drohung mit Mord enthaltendes) Schreiben zur Einvernahme des Ottokar B, also zu einer Amtshandlung zwingen und durch Unterfertigung dieses Briefes mit dessen Namen den Verdacht der Täterschaft zu der damit gleichsam uno actu begangenen Tat auf den Genannten ablenken wollte, wobei er wußte, daß er B damit (implicite) der Begehung einer von Amts wegen zu verfolgenden Handlung fälschlich beschuldigte, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist - ergibt sich, daß der Angeklagte durch sein (richtig) als Verbrechen nach §§ 15, 269 Abs. 2 StGB zu beurteilendes Verhalten in bezug auf den von ihm verdächtigten Ottokar B auch das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB

verwirklicht hat und mit seiner im Namen des B verfaßten Eingabe darüber hinaus auch noch ein in dem daraufhin gegen denselben eingeleiteten Verfahren verwendbares (falsches) Beweismittel produzierte, mit dem er die nach dem Täter des erstbezeichneten Delikts forschende Behörde (jedenfalls zunächst) auf eine falsche Spur lockte. Dieses Vorgehen erfüllt vorliegend - wie die Beschwerde unter Hinweis auf Foregger-Serini 3 § 223 StGB Anm. VIII ('Einwegurkunde') an sich zutreffend aufzeigt - im Hinblick auf das Fehlen jeglichen darüber hinausgehenden Beweiszwecks, den der Täter nach den für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichtes bei der Verfassung der gegenständlichen Mitteilung an die Behörde verfolgte - zum Begriff der 'Deliktsurkunde' siehe dagegen Kienapfel, WrKomm.

§ 223 Rz. 47 und 273 mit Quellenhinweis - und damit mangels Beeinträchtigung des den Urkundendelikten zugrundeliegenden Schutzzweckes (Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN. 2 zu Vorbem. §§ 223 ff., Kienapfel in WrKomm. Vorbem. zu § 223 Rz. 19 ff.) nicht den Tatbestand des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB, sondern - was der Beschwerdeführer allerdings übersieht - jenen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 StGB (vgl. dazu Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 293 RN. 14), und zwar nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, weil bereits im Absenden des gefälschten Beweismittels (hier: Briefes) seine Gebrauchnahme besteht; genügt doch dazu das - auch formlose - Vorbringen des Beweises gegenüber der (Verwaltungs- oder Justiz-)Behörde (vgl. Pallin in WrKomm. § 293 Rz. 7

und 9).

Da allerdings die Beschwerde bezüglich dieser Tat auf Freispruch (Z. 9

lit. a) und nicht auch (bloß) auf deren Unterstellung unter das richtigerweise anzuwendende, gleiche Strafe androhende Gesetz (Z. 10) abzielt, bestand zu einer spruchmäßigen Korrektur dieser verfehlten rechtlichen Beurteilung ebensowenig Anlaß wie in Ansehung der rechtsirrtümlichen Annahme (versuchter) schwerer Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB (statt versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 2 StGB), die dem Angeklagten - wegen identer Strafdrohung - gleichfalls nicht zum Nachteil gereichen konnte.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 106 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12

(zwölf) Monaten. Es wertete als erschwerend das Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen und die beiden einschlägigen Vorstrafen. Als mildernd wurde das umfassende Geständnis des Angeklagten berücksichtigt, seine abnorme Persönlichkeitsstruktur und daß es im Faktum 1 beim Versuch geblieben ist. Die bedingte Nachsicht lehnte es wegen der einschlägigen Vorstrafen und des vom Sachverständigen attestierten erhöhten Aggressionspotentials gegen das soziale Umfeld ausdrücklich ab.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt.

Sie ist jedoch unbegründet.

Die merkwürdige Motivation des Angeklagten zu den Straftaten ('Schwierigkeiten mit dem Bewährungshelfer', 'Klärung der Verhältnisse') ist bereits im Rahmen des Milderungsgrundes des abnormen Geisteszustandes mitberücksichtigt. Dem Berufungsvorbringen zuwider kommt dem Erschwerungsgrund des Zusammentreffens insbesondere der beiden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedrohten Verbrechen der versuchten schweren Nötigung und der Verleumdung erhebliches Gewicht zu. Auch die Vorstrafen des Angeklagten wurden nicht überbewertet, zumal das Erstgericht ohnedies darauf hingewiesen hat, daß er seit der letzten Strafverbüßung mehrere Jahre nicht mehr straffällig geworden ist. Insgesamt findet der Oberste Gerichtshof daher keinen Grund, das vom Schöffengericht gefundene Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten zu korrigieren.

Mit Recht wurde auch die bedingte Strafnachsicht verweigert, weil das Vorleben des Angeklagten in Verbindung mit der vom Sachverständigen beschriebenen Persönlichkeitsstruktur (S. 133 ff.) nicht mehr die Annahme rechtfertigt, er werde sich auch ohne unmittelbaren Vollzug der (nach Abzug der Vorhaft von weniger als drei Monaten noch verbleibenden Rest-)Strafe wohlverhalten. Daß der Angeklagte vor seiner Verhaftung - ebenso wie zur Tatzeit übrigens - gearbeitet hat, vermag auf die Prognose ebensowenig einen günstigen Einfluß zu üben wie die behauptete psychiatrische Behandlung, deren Erfolgsaussichten dzt. nicht abgeschätzt werden können. Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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