Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Erstklägerin die mit 9.784,59 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer 889,51 S) sowie der Zweitklägerin die mit 7.338,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer 667,13 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 22. 6. 1978 gegen 12:15 Uhr ereignete sich auf der Baustelle der Firma S***** im Frachtenbahnhof in Amstetten ein Arbeitsunfall, als der Ausleger einer Betonpumpe mit einer stromführenden Freileitung in Berührung kam, wodurch Adolf Leopold F*****, der die Anlage am Mischfahrzeug bediente, in den Stromkreis geriet und schwere Verletzungen erlitt, denen er am 23. 6. 1978 erlag. Mit dem Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom 29. 10. 1980, 19 E Vr 752/78, 19 E Hv 10/79, wurden die Erst- bis Viertbeklagten rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB schuldig erkannt, weil sie fahrlässig den Tod des Adolf Leopold F***** herbeigeführt haben, und zwar
der Erstbeklagte als Bauwerber und der Zweitbeklagte als verantwortlicher Baumeister der bauausführenden S***** KG dadurch, dass sie es unterließen, vor Beginn der Betonierungsarbeiten an der Lagerhalle den Bahnmeister des Bahnhofs zu verständigen, für die im Gefahrenbereich eingesetzten Arbeiter um eine Bahnbetretungskarte anzusuchen, diese entsprechend zu belehren, für eine notwendige Absicherung zwecks Unterbindung der Annäherung an die Hochspannungsleitung Sorge zu tragen und sich ausreichend über die im Bereich der Baustelle befindlichen stromführenden Leitungen zu informieren; der Drittbeklagte als verantwortlicher Vorarbeiter der S***** KG dadurch, dass er sich nicht ausreichend über die im Bereich der Baustelle befindlichen Leitungen erkundigte; der Viertbeklagte als verantwortlicher Fahrleitungsmeister der Österreichischen Bundesbahnen auf dem Bahnhof Amstetten durch Nichtbeachtung seiner Dienstvorschriften, insbesondere dadurch, dass er es unterließ, vor Beginn der Arbeiten die auf der Baustelle Beschäftigten über die Gefahren bei Arbeiten in der Nähe von Hochspannungsanlagen, vor allem darüber, dass die Umgehungsleitung unter Strom steht, zu belehren und erst nach den erforderlichen Abschaltungen und Erdungen der Leitungen seine Zustimmung zum Arbeitsbeginn durch Eintragung und Fertigung im „Tagebuch für den elektrischen Schaltdienst“ zu geben.
Die Privatbeteiligten wurden gemäß § 366 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Die Erstklägerin hatte sich mit dem beim Strafgericht am 25. 2. 1980 eingelangten Schriftsatz dem Strafverfahren mit ihren Ersatzansprüchen nach §§ 332, 333 Abs 4, 334 ASVG angeschlossen und die Ladung zur Hauptverhandlung begehrt; die Zweitklägerin schloss sich mit ihren Forderungen auf Schadenersatz gemäß §§ 332 ff ASVG am 29. 2. 1980 mit dem Ersuchen um Übermittlung einer Ladung zur Hauptverhandlung sowie einer Urteilsausfertigung an. Am 24. 10. 1980 ersuchte die Erstklägerin um Aktenübersendung, am 21. 10. 1980 die Zweitklägerin. Am 3. 2. 1981 stellte die Erstklägerin ein zweites Ersuchen, am 25. 5. 1981 ein weiteres und erbat auch die Übersendung einer Urteilsausfertigung. Am 12. 6. 1981 stellte diesen Antrag schließlich wiederum die Zweitklägerin.
Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 7. 9. 1981, 21 Bs 160/81, wurde den Berufungen der Erst-, Zweit- und Drittbeklagten wegen Schuld nicht Folge gegeben und der Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass hinsichtlich Erst- und Zweitbeklagten der Schuldvorwurf, sie hätten es unterlassen, den Bahnmeister des Bahnhofs Amstetten zu verständigen, zu entfallen hatte.
Dieses Urteil langte am 7. 12. 1981 beim Kreisgericht St. Pölten ein. Am 20. 10. 1981 hatte die Erstklägerin neuerlich ein Ersuchen um Übersendung des Aktes bzw einer Urteilsausfertigung an dieses Gericht gestellt. Es verfügte am 11. 12. 1981 die Übersendung des Aktes an die Erstklägerin und „sodann“ an die Zweitklägerin zur Einsicht. Am 20. 1. 1982 langte der Akt bei der Erstklägerin ein, die Zweitklägerin stellte am 21. 1. 1982 ein neuerliches Ersuchen. Eine Übersendung des Aktes an diese ist allerdings nicht aktenkundig.
Am 5. 3. 1982 wurden die Klagen beim Erstgericht eingebracht.
Die Kläger brachten vor, dass die Erst- bis Viertbeklagten den Unfall grob fahrlässig verschuldet hätten, wobei im Einzelnen auf die ihnen im Strafverfahren zur Last gelegten Verfehlungen verwiesen wird. Aufgrund der diversen Vorbesprechungen vor Inangriffnahme der Arbeiten sei den Beklagten die immanente Gefährlichkeit der Durchführung des Bauvorhabens auf dem Gelände des Frachtenbahnhofs Amstetten bekannt gewesen. Die Erst- bis Viertbeklagten hätten infolge ihrer Position gegenüber dem tödlich Verunglückten die Stellung eines Aufsehers im Betrieb gehabt. Sie hafteten den Klägern daher gemäß §§ 334, 333 Abs 4 ASVG für die Aufwendungen, welche sie aus Anlass des Unfalls zu erbringen hätten. Der Verunglückte habe eine Witwe und zwei Waisen, geboren 1961 und 1965, hinterlassen. Von der Erstklägerin sei bis 28. 2. 1982 ein Leistungsaufwand von insgesamt 416.312,30 S, von der Zweitklägerin ein solcher von 321.101,80 S erbracht worden, deren Ersatz von den Beklagten zur ungeteilten Hand begehrt werde. Die Haftung des Erst- bis Viertbeklagten ergebe sich aus dem originären Regressrecht der Klägerinnen. Vorsichtshalber werde das Begehren gegenüber den Erst- bis Viertbeklagten auch auf die Bestimmung des § 332 ASVG gestützt. Da die Klägerinnen laufend Rentenleistungen erbringen, werde auch ein entsprechendes Feststellungsbegehren für alle künftigen Aufwendungen gestellt.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.
Die Zweit- und Drittbeklagten wandten insbesondere Verjährung ein, weil das erste Anspruchsschreiben vom 10. 2. 1982 stamme; überdies nahmen sie das Haftungsprivileg gemäß §§ 333 und 334 ASVG in Anspruch, weil F***** sich an ihre Weisungen zu halten gehabt habe und der Unfall weder vom Zweitbeklagten noch vom Drittbeklagten vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden sei. Der Zweitbeklagte sei im Unfallszeitpunkt nicht anwesend gewesen; der Drittbeklagte sei mit Betonverteilungsarbeiten und demnach genauso im Gefahrenbereich wie der Getötete beschäftigt gewesen.
Das Erstgericht verurteilte die Erst- bis Fünftbeklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung an die Erstklägerin von 174.611,02 S sA und an die Zweitklägerin von 147.895,30 S sA und stellte die Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für sämtliche künftige Aufwendungen der Klägerinnen bis zur Höhe der Direktansprüche fest. Das Mehrbegehren von 241.701,28 S sA bezüglich der Erst- bis Viertbeklagten und von 97.946,98 S sA hinsichtlich der Fünftbeklagten bzw das Mehrbegehren von 173.206,50 S sA hinsichtlich der Erst- bis Viertbeklagten und von 53.792,80 S hinsichtlich der Fünftbeklagten wurden ebenso abgewiesen, wie das Feststellungsbegehren, wonach die Erst- bis Viertbeklagten den Klägerinnen auch die über die Direktansprüche der Hinterbliebenen nach Adolf F***** hinausgehenden Aufwendungen zu ersetzen hätten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweit- und Drittbeklagten nicht Folge. Der Berufung der Klägerinnen wurde jedoch teilweise Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass es insgesamt die Beklagten der Erstklägerin gegenüber zur Bezahlung von 234.261,37 S sA verurteilte und den Zweit- und Drittbeklagten darüber hinaus die Bezahlung weiterer 182.050,93 S sA auferlegte. Der Zweitklägerin gegenüber wurden die Beklagten zur Bezahlung von 178.544,43 S sA verurteilt und den Zweit- und Drittbeklagten die Bezahlung eines darüber hinausgehenden Betrags von 136.696,27 S sA auferlegt. Dem Feststellungsbegehren wurde insoweit stattgegeben, als die Haftung der Erst-, Viert- und Fünftbeklagten bis zur Höhe der Direktansprüche ausgesprochen wurde. Hinsichtlich Erst-, Viert- und Fünftbeklagten machte das Gericht zweiter Instanz entsprechende Aussprüche nach § 500 ZPO, solche hinsichtlich des Zweit- und Drittbeklagten konnten unterbleiben, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, bei beiden Beklagten gegenüber beiden Klägern 300.000 S überstieg.
Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision des Zweit- und Drittbeklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerinnen beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Rechtsmittel des Zweit- und Drittbeklagten bekämpft lediglich die Ansicht des Berufungsgerichts, dass sie grob fahrlässig gehandelt hätten und vermeint dann, dass demnach auch sämtliche Ansprüche bereits verjährt wären. Diesen Fragenkomplex behandelten die Vorinstanzen auf nachstehender, zusammengefasst dargestellter Sachverhaltsgrundlage:
Dem Erstbeklagten wurde als Bauwerber im Bauführungsgenehmigungsbescheid zur Kenntnis gebracht, dass die Fahrleitungsanlage im Frachtenbahnhofsgelände einschließlich der Bahnhofsumgehungsleitung als ständig unter Hochspannung stehend zu betrachten sei und daher eine Annäherung von Personen oder Baugeräten unter drei Metern an die spannungsführenden Anlagenteile, da lebensgefährlich, verboten ist. Der Erstbeklagte wurde verpflichtet, sämtliche an dieser Baustelle beschäftigten Personen über die Gefahren der Hochspannung zu belehren. Mit der Bauführung hatte der Erstbeklagte die Firma S***** beauftragt, welche den Zweitbeklagten als Bauleiter und verantwortlichen Bauführer bestimmte. In dieser Eigenschaft nahm der Zweitbeklagte auch bereits an der vom Bundesbahnbediensteten Johann P***** ausgeschriebenen Begehung der zukünftigen Baustelle teil, welche jedoch nur ganz allgemein der Situierung der geplanten Lagerhalle und der darinnen zu verlegenden Leitungen diente, ohne dass bereits Näheres über die dort vorhandenen Fahrleitungen gesprochen worden wäre, ausgenommen, dass der Fahrleitungsmast Nr 11 versetzt werden müsste, und dass die im Boden befindlichen Kabel nicht in Betrieb stünden, weshalb sie ohne weiteres ausgegraben werden könnten. Im Anschluss an diese Besprechung erfolgte die Fixierung eines insgesamt 39 Punkte umfassenden Übereinkommens über die Arbeitsdurchführung bei der Errichtung einer Lagerhalle der Bahnstrecke Wien-Salzburg in Bahnkilometer 123, 734, und dessen Unterfertigung durch den Erstbeklagten. Der Zweitbeklagte hatte sich bereits unmittelbar nach der Geländebegehung entfernt. Ihm wurde der Inhalt dieser schriftlichen Vereinbarung über Auftrag der Fünftbeklagten vom Erstbeklagten übermittelt, der sich in der Folge um dessen Einhaltung jedoch nicht mehr kümmerte, weil er der Ansicht war, dies wäre Sache des vom Baumeister S***** mit der Bauführung betrauten Zweitbeklagten.
Vom Inhalt dieses Übereinkommens war von der Fünftbeklagten auch der Viertbeklagte als Fahrleitungsmeister von Amstetten in Kenntnis gesetzt worden, der dann am 29. 5. 1978 mit dem Erst- und Zweitbeklagten in seinem Büro und zwei Tage später an Ort und Stelle einen Besprechungstermin abhielt, wobei der Viertbeklagte jene Stelle fixierte, wo das Fundament für den zu versetzenden Fahrleitungsmasten Nr 11 zu betonieren war. Dem letzteren Termin war auch der Drittbeklagte als Vorarbeiter der Firma S***** beigezogen worden und hatte der Viertbeklagte, nachdem er vom Erst- und Zweitbeklagten davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass sie sogleich nach dieser Mastfundamentierung mit den Schalungsarbeiten für die Lagerhalle beginnen würden, diese Mitteilung zur Kenntnis genommen und erklärt, dass er dafür Sorge tragen werde, dass die Fahrleitung für das neben dieser Baustelle befindliche Verladegleis außer Strom gesetzt und jeweils erst nach vorheriger Verständigung wieder stromführend gemacht werden würde.
Über die über die Südseite der Lagerhalle verlaufende Umgehungsleitung war seitens des Viertbeklagten jedoch nichts gesprochen worden, da er im Hinblick auf die ihm bekannten Baupläne davon Kenntnis hatte, dass die Halle nur etwa 5 m hoch sein würde und er von niemandem davon informiert worden war, dass anlässlich ihrer Errichtung ein ausfahrbares Pumpengerät zum Einsatz gelangen würde, sodass er keinen Anlass dafür gefunden hatte, auch diese Umgehungsleitung auszuschalten, umso weniger, als ihm vom Erstbeklagten über seine Frage nach einem Kraneinsatz auf dieser Baustelle ausdrücklich erklärt worden war, dass ein solcher nicht vorgesehen wäre.
Dem Erstbeklagten war diese Umgehungsleitung bei keinem seiner wiederholten Baustellenbesuche besonders aufgefallen, da er nicht damit rechnete, dass sie die nur in einer Höhe von etwa 5 m durchzuführenden Bauarbeiten irgendwie beeinträchtigen könnte, weshalb er ihr auch kein besonderes Augenmerk zuwandte und sich insbesondere niemals darüber Gedanken machte, ob sie stromführend wäre. Das gleiche gilt für den Drittbeklagten und den Zweitbeklagten, der zwar vom Erstbeklagten über die Anforderung eines Pumpenwagens von der Firma S***** informiert worden war, jedoch annahm, dass der Schlauch des Pumpenwagens nicht höher als 8 m bis 3 m über Gerüsthöhe - ausgefahren würde.
Für die vom Erstbeklagten beigestellten Arbeitskräfte wurde ebenso wenig wie für den Drittbeklagten und die beiden anderen von der Firma S***** auf dieser Baustelle eingesetzten Dienstnehmer im Wege der Streckenleitung Amstetten um eine Bahnbetriebskarte angesucht und diese Personen auch weder mit dem in Pkt 5) des obgenannten Übereinkommens über die Arbeitsdurchführung genannten Merkblatt der Fünftbeklagten zum Schutze gegen die Gefahr des Bahnbetriebs und auch nicht über die Gefahren bei Arbeiten in der Nähe von Hochspannungsanlagen belehrt. Sie wurden auch von niemandem angewiesen, ihre Arbeiten so auszuführen, dass eine geringere Annäherung von Personen und Geräten als auf 3 m an unter Spannung stehenden Teilen der Fahrleitung nicht erfolgen könne. Diese Dienstnehmer wurden vom Erstbeklagten lediglich dahin belehrt, dass sie auf allfällige Verschubarbeiten der Bundesbahn und auf das an der Halle vorbeiführende Ladegleis ein besonderes Augenmerk richten sollten, um dadurch nicht in Gefahr zu geraten. Sie wurden von ihm auch davon informiert, dass die Fahrleitung außer Strom stünde.
Die zunächst wegen eines Urlaubs des Zweitbeklagten von seinem Kollegen R***** beaufsichtigte Baustelle am Frachtenbahnhof Amstetten war unter der Leitung des dafür 10 % mehr Lohn beziehenden, jedoch sonst in keiner Weise besonders qualifizierten Drittbeklagten als Maurer am 21. 6. 1978 anlässlich der Rückkehr des Zweitbeklagten vom Urlaub mit den Schalungsarbeiten so weit fortgeschritten, dass der Drittbeklagte den Erstbeklagten davon verständigte, dass am 22. 6. 1978 mit den Betonierungsarbeiten begonnen werden könne. Der Erstbeklagte solle für diesen Termin die Betonanlieferung organisieren. Die Firma S***** hatte vom Erstbeklagten nämlich nur die Bauausführungsarbeiten übertragen erhalten, die Baustoffe wurden von ihm selbst beigestellt.
Der Pumpenwagenfahrer H***** war bereits eine Woche vorher zu Bodenbetonierungsarbeiten in der Halle eingesetzt worden, wobei er sich ganz allgemein bei den dort Beschäftigten in der Richtung erkundigte, ob die Bahnleitungen ausgeschaltet worden wären und dabei vom Maurer H***** die Antwort erhielt „Hans, brauchst keine Angst zu haben, es ist ausgeschaltet“. Bei seinem Eintreffen am 22. 6. 1978 gegen 9:15 Uhr hatte er daher eine weitere Frage in dieser Richtung unterlassen und sich mit der von ihm bedienten fahrbaren Betonpumpe sogleich in die auf dem Lichtbild /I. ersichtliche Position mit der Front des Pumpenwagens an die Nordfront der Halle begeben.
Als dann gegen 9:30 Uhr die beiden LKW-Fahrer S***** und F***** der Firma Z***** mit ihren Fahrmischern auf der Busstelle eintrafen, benötigten sie keinerlei besondere Einweisung, sondern stellten sich jeweils mit dem Heck ihrer Fahrzeuge an das Heck des Pumpenwagens, dessen Ausleger von dem auf einen ca 5 m davon entfernt auf einem Balken sitzenden Johann H***** gesteuert wurde. Dieser hatte dem Fahrer S***** auf dessen Frage auch die Antwort erteilt, dass sämtliche elektrische Leitungen ausgeschaltet worden wären. Die Betoneinfüllungsarbeiten wurden an der Westecke der Südwand begonnen und bis zur Ostecke durchgeführt, dann wurde auf die gleiche Weise an der Nordwand eingefüllt. Bis gegen Mittag waren bereits insgesamt 33 Kubikmeter Beton verarbeitet worden, wobei der insgesamt 6 m lange Schlauch - davon 2,65 m auf der bogenförmigen Führung aufliegend - auf dem Gerüst vom Maurer H***** bedient wurde, der jeweils den Pumpenwagenfahrer H***** bei seinen Schwenkbewegungen eingewiesen hatte.
Als nun H***** gegen Mittag vom schlauchhaltenden H***** angewiesen wurde, den Schlauch von der Nordwand, wo er gerade gearbeitet hatte, an die Südwand zu bringen, um dort nachgesunkenen Beton aufzufüllen, stand der Schlauchwagenfahrer S***** rechts hinten am Pumpenwagen vor der Steuerungsanlage, während Adolf F***** mit dem linken Fuß auf der Mischwagenleiter und mit dem rechten Fuß auf dem Pumpenwagen stand. Rechts neben ihm stand auf dem rechten hinteren Absatz des Pumpenwagens sein Kollege S***** und bediente dort die Pumpenwagenschaltung. Anlässlich der Durchführung des vom Schlauchhalter H***** gewünschten Schwenkvorgangs von der Nord- zur Südwand wurde der neben S***** stehende Pumpenwagenfahrer H***** von der direkt im Süden stehenden Sonne geblendet, so dass er den Abstand zu der über die Hallensüdseite führenden Umgehungsleitung falsch einschätzte, mit dem in eine schwingende Bewegung geratenen Endschlauch diese Leitung abriss und damit durch einen Erdschluss den Tod des Adolf Leopold F***** verursachte.
Die Umgehungsleitung verlief zwischen den beiden 48,8 m entfernten Gittermasten 8 und 13 über die südliche Lagerhallenwand in einer Höhe von 12,67 m und stand unter einer Spannung von 16 KV. Der geringste Bodenabstand betrug infolge Durchhängens in der Mitte rund 12,33 m. Der Auslegearm der verwendeten Fahrbahnbetonpumpe wies insgesamt 3 Teile mit Längen von 6,60, 5 und 4 m, insgesamt also 15,60 m auf, wobei sich der Scharnierpunkt des ersten (am Drehturm befestigten) Armes bereits 3,20 m über dem Boden befand. Keiner der 4 Beklagten hatte die Umgehungsleitung besonders beachtet, weil keiner von ihnen damit gerechnet hatte, dass eine Baumaschine in einer derartigen Höhe zum Einsatz gelangen würde. Der Erstbeklagte hatte als Landesproduktenhändler keine Ahnung von den Ausmaßen der von ihm bestellten Betonpumpe. Der noch niemals einen Bau in 5 m Höhe beaufsichtigende Zweitbeklagte hatte sich über die genaue Ausfahrhöhe der ihm nicht bekannten, weil nicht von seinem Dienstgeber beigestellten Betonpumpe, nicht informiert. Der Drittbeklagte hatte sich während seiner eigenen Arbeitstätigkeit am Vormittag des 22. 6. 1978 an der späteren Unfallstelle auch nicht gelegentlich einmal durch einen Blick auf die Betonpumpe genauer über das Ausmaß jener Ausfahr- und Schwenkbewegungen informiert, in welchem Falle er auch bemerkt hätte, dass diese Arme sich keineswegs in der von ihm angenommenen verhältnismäßig großen Entfernung von 5 bis 6 m, sondern in unmittelbarer Nähe der Umfahrungsleitung befunden haben. Der Viertbeklagte war vom Einsatz eines Pumpenwagens überhaupt nicht in Kenntnis gesetzt worden.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass die Erst- bis Viertbeklagten jeweils als Aufseher im Betrieb iSd § 334 Abs 4 ASVG zu qualifizieren seien. Eine grobe Fahrlässigkeit könne keinem der vier Beklagten angelastet werden. Die leichte Fahrlässigkeit, die durch das verurteilende strafgerichtliche Erkenntnis mit bindender Wirkung festgestellt sei, begründe jedoch eine Haftung im Rahmen des § 332 ASVG solidarisch mit der Fünftbeklagten, die als Vertragspartnerin des Erstbeklagten aus dem Arbeitsübereinkommen vom 16. 3. 1978 für die Einhaltung sämtlicher Unfallsverhütungsvorschriften auf dieser Baustelle durch den bei ihr beschäftigten Viertbeklagten Sorge tragen hätte müssen. Ein Mitverschulden des Getöteten liege nicht vor. Der Verjährungseinwand sei berechtigt, weil die im Strafverfahren mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Klägerinnen nicht in angemessener Frist ab Beendigung des Strafverfahrens durch zweitinstanzliches Urteil, „also bis Ende 1981“, ihre Klage eingebracht hätten.
Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Unfall als Arbeitsunfall iSd § 333 ASVG zu qualifizieren sei; die Annahme der Stellung des Erst- bis Viertbeklagten als Aufseher im Betrieb iSd § 334 Abs 4 ASVG entspreche dem Rechtsstandpunkt der Parteien. Das Erstgericht habe zutreffend in Ansehung des Erst- und Viertbeklagten das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit negiert. Anders lägen die Verhältnisse beim Zweit- und Drittbeklagten. Vom Zweitbeklagten als dem verantwortlichen Bauleiter müsse die Kenntnis von den Ausmaßen und der Reichweite der zu verwendenden Betonpumpe vorausgesetzt werden. Hatte der Zweitbeklagte diese Kenntnisse nicht, so hätte er sich nicht auf bloße Annahme verlassen dürfen, sondern die größtmögliche Reichweite des zum Einsatz gelangenden Geräts, und zwar vor dessen Einsatz, klären oder dessen Einsatz im konkreten Fall überwachen müssen. Im Unterlassen dieser für ihn naheliegenden Pflichten sei eine grobe Fahrlässigkeit zu erblicken. Der Drittbeklagte habe, als er als Vorarbeiter am Unfallstag an der Unfallstelle tätig war, tatsächlich die Betonpumpe in Tätigkeit gesehen. Das Erstgericht sei demgemäß auch zutreffend davon ausgegangen, dass er durch einen Blick auf die Betonpumpe das Ausmaß ihrer Ausfahr- und Schwenkbewegungen hätte bemerken können. Der Drittbeklagte habe also zu verantworten, dass er durch ganz einfache und naheliegende Beobachtungen und Überlegungen den Unfall letztlich hätte verhindern können. Der originäre Ersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers iSd § 334 Abs 1 ASVG verjähre gemäß § 337 Abs 1 leg cit in drei Jahren nach der ersten rechtskräftigen Feststellung der Entschädigungspflicht. Maßgebend für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist sei der Zeitpunkt, in dem über die Feststellung der Leistung des Versicherungsträgers eine Entscheidung vorliege, die keinem weiteren Rechtszug unterliegt. Dass im vorliegenden Fall diese tatsächliche Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist bereits mehr als drei Jahre vor der gerichtlichen Geltendmachung der Ersatzansprüche der Klägerinnen iSd § 334 Abs 1 ASVG eingetreten wäre, hätten die Beklagten weder im Verfahren erster Instanz behauptet, noch ergebe sich dies aus den Feststellungen des Erstgerichts.
Demgegenüber stellen sich der Zweit- und der Drittbeklagte auf den oben bereits wiedergegebenen Standpunkt, dass sie nicht grob fahrlässig gehandelt hätten und dass sämtliche Ansprüche bereits verjährt seien. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:
Der Begriff der groben Fahrlässigkeit als Voraussetzung der Ersatzpflicht der beiden Beklagten iSd § 334 Abs 1 ASVG ist im Sinne der herrschenden Lehre und Rechtsprechung mit einer ungewöhnlichen und auffallenden Sorgfaltsvernachlässigung zu definieren, die den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich voraussehen lässt. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (zuletzt etwa 8 Ob 501/79; 8 Ob 46/80; 8 Ob 58/80; 8 Ob 151/80; 8 Ob 58/83 ua). Nach herrschender Rechtsprechung reicht weder eine strafgerichtliche Verurteilung noch das Zuwiderhandeln gegen Unfallsverhütungsvorschriften für sich allein zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit aus (SZ 40/55; ZVR 1970/55 uva). Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist vielmehr die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, wobei diese Beurteilung stets nur nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls vorgenommen werden kann. Im Wesentlichen wird dabei zu prüfen sein, ob der Betreffende ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat (8 Ob 172, 173/79; 8 Ob 46/80; 8 Ob 58/80; 8 Ob 151/81; 8 Ob 58/83 ua).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, muss dem Berufungsgericht zugestimmt werden, dass sowohl der Zweitbeklagte als auch der Drittbeklagte ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt und einen schweren Sorgfaltsverstoß, der die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geradezu herausforderte, begangen haben. Es liegt auf der Hand, dass bei Arbeiten unter den Hochspannungsleitungen einer elektrifizierten Bahnanlage mit großen Baumaschinen und ähnlichen Geräten höchste Vorsicht geboten ist. Der verantwortliche Baustellenleiter hat hier jede erforderliche Sorgfalt vorzukehren. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um einen Stromunfall auszuschließen. Demnach ist es die logische Folge der verantwortlichen Bauleitertätigkeit, sich um die Geräte zu kümmern, die im Einsatz verwendet werden und sie auf ihre Ungefährlichkeit im Zusammenhang mit den Gegebenheiten zu überprüfen. Demgemäß war es vom Zweitbeklagten überaus sorglos, einfach zu unterstellen, dass der Schlauch der Betonpumpe nicht höher als 8 m ausfahrbar sein werde und sich im Übrigen nicht selbst darüber zu informieren. Zutreffend lastete ihm das Berufungsgericht eine überaus gravierende Sorglosigkeit bei der Durchführung des Bauauftrags an, dass er den Bautrupp gänzlich ungesichert den Gefahren eines längerwährenden Arbeitsvorgangs im Bereich der unter Strom stehenden Umgehungsleitung mit einem Arbeitsgerät überantwortete, das ohne weiteres bis zu der Starkstromleitung reichte.
Dem Drittbeklagten ist ebenfalls der Vorwurf nicht zu ersparen, dass er die Betonpumpe und ihre Gefährlichkeit im unmittelbaren Bereich der stromführenden Umgehungsleitung jederzeit richtig einschätzen hätte müssen. Als Vorarbeiter war er für die Sicherheit der von ihm betreuten Arbeitsgruppen schon deshalb voll verantwortlich, als er - im Gegensatz zum Zweitbeklagten - sogar selbst sehen konnte, wie hoch die Ausfahr- und Schwenkbewegungen der Betonpumpe waren. Es gehörte keine besondere Ausbildung dazu, abzuschätzen, dass bei den Aktionen des Geräts ein Kontakt mit der über dem Bauobjekt führenden Starkstromleitung jederzeit zu befürchten war. Die Gefährlichkeit eines solchen Kontakts war für jedermann und daher umso mehr für den als Vorarbeiter an der Baustelle tätigen Drittbeklagten vorhersehbar. Die oben dargelegten Grundsätze über das Vorliegen grober Fahrlässigkeit müssen somit auch auf den Drittbeklagten angewandt werden, wie dies das Berufungsgericht in richtiger Beurteilung der Sachlage zutreffend tat.
Dem Gericht zweiter Instanz ist auch in der Verjährungsfrage zu folgen:
Nach dem Grundsatz, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und im Bestreitungsfall zu beweisen hat (EvBl 1978/145; 5 Ob 313/78 ua), oblag es den Beklagten, im Verfahren erster Instanz jene Tatsachen vorzubringen und im Bestreitungsfall zu beweisen, aus denen sie die behauptete Verjährung des Klageanspruchs ableiten (5 Ob 653/79; 8 Ob 151/81 uva). Die beiden Beklagten haben aber nur geltend gemacht, dass die dreijährige Frist längst verstrichen sei. Der Unfall habe sich am 22. 6. 1978 ereignet, Ansprüche gegen den Zweit- und Drittbeklagten seien aber erst mit dem Schreiben vom 10. 2. 1982 erhoben worden (AS 18). Dies hat jedoch mit einer allfälligen Verjährung des Klageanspruchs, bei dem es sich um keinen auf den Sozialversicherungsträger iSd § 332 Abs 1 ASVG übergegangenen Anspruch des Verletzten, sondern um einen originären Ersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers iSd § 334 Abs 1 ASVG handelt, überhaupt nichts zu tun. Denn die Verjährung eines derartigen Ersatzanspruchs des Sozialversicherungsträgers ist im § 337 Abs 1 ASVG geregelt. Ein solcher Ersatzanspruch verjährt in drei Jahren nach der ersten rechtskräftigen Feststellung der Entschädigungspflicht. Maßgebend für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ist in diesem Fall der Zeitpunkt, in dem über die Feststellung der Leistung des Versicherungsträgers eine Entscheidung vorliegt, die keinem weiteren Rechtszug (Klage, Berufung) unterliegt (8 Ob 151/81, 8 Ob 11/80 ua). Dass im vorliegenden Fall diese tatsächliche Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist bereits mehr als drei Jahre vor der gerichtlichen Geltendmachung der Ersatzansprüche der Klägerinnen iSd § 334 Abs 1 ASVG eingetreten wäre, haben die Zweit- bzw Drittbeklagten weder im Verfahren erster Instanz behauptet noch ergibt sich dies aus den Feststellungen der Vorinstanzen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die von den Klägerinnen gegen die beiden Beklagten geltend gemachten Leistungsansprüche iSd § 334 Abs 1 ASVG bereits im Zeitpunkt ihrer gerichtlichen Geltendmachung verjährt gewesen wären. Da auch diese Rechtsfrage vom Berufungsgericht richtig beurteilt wurde, war der lediglich die hier behandelten Themen berührenden Revision nicht Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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