OGH 11Os23/85

OGH11Os23/8519.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ida A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 20. Dezember 1984, GZ 19 Vr 1.485/84-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Martschitz, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 17.Juli 1927 geborene Lehrerin Ida A von der auf das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB lautenden Anklage, am 28.November 1983 in Bregenz den 9-jährigen Schüler Bernd B durch Versetzen eines Schlages mit einem Hammer am Körper mißhandelt und ihm dadurch fahrlässig eine schwere Verletzung, nämlich einen mit länger als 24 Tage dauernder Gesundheitsschädigung verbundenen Knochenbruch der Elle des linken Unterarmes, zugefügt zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch mit einer auf die Z 4 und 5

des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher der letztgenannte Nichtigkeitsgrund allerdings ohne gesetzmäßige Ausführung bleibt.

Im Rahmen der Verfahrensrüge wendet sich die Anklagebehörde gegen die Ablehnung des vom Staatsanwalt in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen für Gerichtsmedizin zum Beweis dafür, daß Bernd B die Verletzung auf Grund des Schlages mit dem Hammerstiel erlitten habe (S 71). Das ohne Bekanntgabe sachbezogener Erwägungen verkündete abweisende Zwischenerkenntnis wurde vom Schöffengericht mit den in der Urteilsausfertigung nachgetragenen und damit den Verstoß gegen die Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO in formaler Beziehung für das Rechtsmittelverfahren sanierenden überlegungen (siehe Mayerhofer-Rieder, StPO, E Nr 69 zu § 281 Z 4) begründet, daß die Angeklagte dem Bernd B bereits vor der späteren Schlagführung den Hammer ohne Mißhandlungsvorsatz aus der rechten Hand gerissen habe und der Schüler schon dabei im Zuge einer Abwehrbewegung am linken Unterarm getroffen worden sein könne; unter diesen Umständen könne auch ein Sachverständiger für Medizin erwartungsgemäß nicht aufklären, ob der Knochenbruch bereits beim Entreißen des Hammers oder erst anläßlich der nachfolgenden Schlagführung entstanden sei (S 77 f).

Die Anklagebehörde reklamiert mit Recht inhaltliche Unzulänglichkeit dieser Erwägungen des Erstgerichtes, weil die beiden in Rede stehenden Bewegungsvarianten - abwehrendes Ausstrecken des linken Armes gegen das Entreißen eines in der rechten Hand gehaltenen Hammers mit nachfolgendem Anstoßen an das Werkzeug oder aber Führung des linken Armes nach hinten zum Abfangen eines mit dem Hammer gegen das Gesäß geführten Schlages - doch so unterschiedlich sind, daß eine Identität der jeweiligen Kontaktstellen sowie insbesondere auch der Anstoßwucht nicht ohne weiteres von vornherein einzusehen ist, und nach forensischer Erfahrung bei Klärung derartiger Kausalitätsfragen keineswegs ausgeschlossen werden kann, daß ein Sachverständiger für Gerichtsmedizin aus der Art der unterlaufenen Verletzung sachdienliche Schlüsse über Zutreffen oder Wahrscheinlichkeit einer der beiden Varianten abzuleiten vermag. Somit stellt die Annahme, auch ein Sachverständiger könne hier zur Wahrheitsfindung keinen brauchbaren Beitrag leisten, eine Aussage über im konkreten Fall dem medizinischen Fachwissen gezogene Grenzen dar, welche verläßlich nur nach Anhörung eines dieses Fachgebietes Kundigen zu treffen ist. Mangels Deckung durch ein entsprechendes Verfahrensergebnis konnte demnach eine solche Annahme keine tragfähige Grundlage für die Antragsablehnung bilden. Bei Bedachtnahme auf das Wesen eines die Strafverfolgung sichernden Verfahrens durfte mithin dem öffentlichen Ankläger nicht verwehrt werden, zur Erhärtung des Anklagevorwurfes den in Rede stehenden Sachverständigenbeweis zu führen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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