Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Zwischen dem am 30. April 1980 verstorbenen Ehemann der Klägerin und der beklagten Partei wurde im Jahre 1971 zur Erlangung der Aufträge für die Wasserleitungsbauten a) Wölfnitz I undII, Maria Saal, Kappl, Althofen und b) Turrach, Wintschach und Keutschach I und II eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. Nach der hiebei getroffenen Abrede sollten Arbeits- und Materialeinsatz von beiden Partnern zu gleichen Teilen erbracht und der Rohgewinn im gleichen Verhältnis aufgeteilt werden. Für die unter lit. a) genannten Aufträge war der Ehemann der Klägerin, für die unter lit. b) genannten Aufträge die beklagte Partei federführend. Die Rechnungssumme aller Aufträge betrug S 14,058.743, wovon der Ehemann der Klägerin S 6,328.842 und die beklagte Partei S 7,729.901 vereinnahmten.
Die Klägerin behauptet, daß ein höherer Arbeitseinsatz eines Vertragspartners durch Naturalleistungen und ein höherer Materialeinsatz durch eine Ausgleichszahlung ausgeglichen werden sollte. Selbst unter Berücksichtigung des höheren Materialeinsatzes der beklagten Partei habe diese aus den Erlösen um S 625.653 zuviel erhalten. Die Klägerin begehrte diesen Betrag von der beklagten Partei, die den Standpunkt vertritt, daß der Ehemann der Klägerin um S 478.376,85 zuviel erhalten habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war zwischen dem Ehemann der Klägerin und der beklagten Partei vereinbart worden, daß die Anbote gemeinsam gemacht, die Rechnungen aber von einem der beiden Partner gelegt werden. Das Material sollte von beiden je zur Hälfte gekauft werden. Die Lieferanten sollten jeweils jedem Partner die halben Kosten in Rechnung stellen. Die von jedem Partner geleisteten Arbeitsstunden sollten gegenseitig verrechnet werden. Die Materialeinkäufe wurden nur kurze Zeit in der vereinbarten Form getätigt. Wegen überschreitung des Zahlungszieles durch den Ehemann der Klägerin zogen es nämlich die Lieferanten vor, die beklagte Partei zu beliefern. Später kaufte daher jeder Partner selbständig Material in unterschiedlicher Menge und stellte Material auch aus eigenem Bestand bei. Es wurde vereinbart, daß eine gegenseitige Abrechnung erst nach Beendigung sämtlicher Aufträge erfolgt. Der Material- und Arbeitseinsatz bei den Baustellen Keutschach, Turrach und Wintschach durch die beklagte Partei war größer als der des Ehemannes der Klägerin. Umgekehrt war auf den übrigen Baustellen der Einsatz des Ehemannes der Klägerin größer als der der Beklagten. Beide Partner haben für die einzelnen Bauvorhaben Personal in unterschiedlichem Ausmaß und in unterschiedlichem Verhältnis zum Material beigestellt. Auf Grund der von den Parteien zur Verfügung gestellten Unterlagen und unter Zugrundelegung des von der Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft empfohlenen Arbeitsgemeinschaftsvertrages und der Geschäftsordnung für Arbeitsgemeinschaftsverträge, nach denen sich der Aufwand jedes Partners aus den Netto-Materialpreisen und dem Bruttolohn zuzüglich 55 % zusammensetzt und der Rohgewinn im Verhältnis des Aufwandes jedes Partners zum Gesamtaufwand zu teilen ist, hätte der Ehemann der Klägerin um S 97.540,43 zu wenig erhalten und die beklagte Partei um diesen Betrag zu viel. Nach der vereinzelt von in einer Arbeitsgemeinschaft tätigen Unternehmen zur Aufteilung des Rohgewinnes gewählten Formel (Aufwand jedes Partners:
Nettomaterial + 10 % und Bruttolöhne + 90 %) hätte die beklagte Partei um S 256.373,22 zuviel erhalten und der Ehemann der Klägerin um diesen Betrag zu wenig. Bei einer Rohgewinnaufteilung unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Aufwandes an Material und Löhnen ohne Zuschläge hätte der Ehemann der Klägerin S 223.506,62 zu wenig und die beklagte Partei um diesen Betrag zu viel erhalten. Bei einer Rohgewinnaufteilung je zur Hälfte ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen Aufwandes hätte der Ehemann der Klägerin um S 443.496,45 zu wenig und die beklagte Partei um diesen Betrag zu viel bekommen.
Im Jahre 1972 vereinbarte der Ehemann der Klägerin mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei für die gemeinsame Tätigkeit den Kauf eines Unimog. Den Kaufpreis von S 264.039,65 und die aufgelaufenen Reparaturkosten von S 1.978,50 bezahlte die beklagte Partei. Zur Montage des Tiefbrunnens auf der Baustelle Kappl verwendete der Ehemann der Klägerin ein Gerüst, wofür Kosten von S
16.107 aufliefen. Die beklagte Partei wollte anstelle des Gerüstes den Unimog einsetzen. Der Ehemann der Klägerin versteifte sich jedoch auf das Gerüst. Bei Verwendung eines gemieteten Autokranes wären Kosten von S 26.400
entstanden, die sich bei Einsatz des Unimogs auf die Hälfte reduziert hätten.
Der Unimog wäre für den Zweck geeignet gewesen. An Reparaturkosten für ein von den Partnern im Jahre 1973 angeschafftes Dieselschweißaggregat bezahlte die beklagte Partei S 3.721,97 und S 15.000. Für die Baustelle Keutschach mußte die beklagte Partei dem Auftraggeber S 113.084 als zu viel verrechnetes Entgelt zurückzahlen.
Der Ehemann der Klägerin zedierte seine Ansprüche aus der Bietgemeinschaft mit der beklagten Partei an die Sparkasse der Stadt Friesach. Die beklagte Partei wurde mit Schreiben vom 25. September 1979 von der Zession verständigt.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes könne nicht beurteilt werden, ob der Ehemann der Klägerin oder die beklagte Partei zu viel erhalten haben. Der Sachverständige habe zwar mehrere Varianten dargestellt, es habe jedoch nicht festgestellt werden können, ob und in welcher Höhe Zuschläge für die Ermittlung des Bruttogewinnes zu den Löhnen zu machen und welche Preise für das Material zugrundezulegen seien. Auf eine allfällige Forderung müßte sich die Klägerin die halben Kosten für die Anschaffung und die Reparatur des Unimog im Betrag von S 133.009,07, die halben Reparaturkosten für das Aggregat im Betrage von S 9.360,98 und die Hälfte der an den Auftraggeber für die Baustelle Keutschach erfolgten Rückzahlung von S 56.542 anrechnen lassen. Die Klägerin sei aber wegen der Abtretung der Ansprüche zu deren Geltendmachung gar nicht legitimiert. Das Berufungsgericht hob das nur im Umfange der Abweisung eines Betrages von S 443.496,45 s.A. angefochtene Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.
Es bejahte das Vorliegen eines erheblichen Verfahrensmangels, weil die Klägerin nicht als Partei zu der von ihr bestrittenen Zession vernommen worden sei. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß eine Zession nicht erfolgt sei, werde sich das Erstgericht mit der Aufteilung des Gewinnes der zwischen dem Ehemann der Klägerin und der beklagten Partei abgeschlossenen Gesellschaft bürgerlichen Rechtes im Sinne der §§ 1192 ff. ABGB auseinanderzusetzen haben. Nach der ursprünglichen Vereinbarung sollte jeder Teil in gleicher Weise durch Materialbeistellung und Arbeitsleistung zur Erfüllung der Aufträge beitragen, was die Aufteilung des Rohgewinnes zu gleichen Teilen rechtfertige. Als sich dies in der Folge nicht verwirklichen habe lassen, hätten die Teilnehmer keine konkrete Vereinbarung getroffen, aber erkennen lassen, daß ihre jeweiligen Beiträge angemessen zu berücksichtigen seien. In solchen Fällen habe der Richter zur Vertragsergänzung zu schreiten und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Verkehr sowie nach den Richtlinien des im Vertrag für die ins Auge gefaßten Verhältnisse ausgedrückten Willen zu beurteilen, was für den eingetretenen, nicht vorgesehenen Fall zwischen den Parteien rechtens sein solle.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt.
Die Rekurswerberin wendet sich zu Recht gegen die Aufhebung des Ersturteils zum Zwecke der Verfahrensergänzung über die Frage der Zession.
Nach § 496 Abs. 3 ZPO hat das Berufungsgericht statt der Zurückweisung die in erster Instanz gepflogene Verhandlung, soweit erforderlich, zu ergänzen und durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen, wenn nicht anzunehmen ist, daß dadurch im Vergleich zur Zurückweisung die Erledigung verzögert oder ein erheblicher Mehraufwand an Kosten verursacht würde. Dieser, durch die ZPO-Novelle 1983 neu geschaffenen Bestimmung liegt die Erwägung zugrunde, daß eine Aufhebung des Ersturteils durch das Berufungsgericht und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht in der Regel eine empfindliche Verzögerung des Verfahrens bedeutet. Durch die önderung und insbesondere durch die imperative Fassung der Bestimmung soll daher erreicht werden, daß die Berufungsgerichte in weiterem Umfang als bisher das Verfahren selbst ergänzen und in der Sache selbst entscheiden (669 BlgNR 15. GP 57). Aus dem Wortlaut des § 496 Abs. 3 ZPO und aus der Zielsetzung des Gesetzgebers ergibt sich, daß es nicht in das Ermessen des Berufungsgerichtes gestellt ist, ob es eine Verfahrensergänzung selbst vornimmt oder die Rechtssache zum Zwecke der Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverweist. In allen Fällen des § 496 Abs. 1 ZPO hat daher das Berufungsgericht die Verpflichtung, die Ergänzung des Verfahrens selbst vorzunehmen, außer es würde das zu ergänzende Verfahren vor dem Berufungsgericht im Vergleich zu einem erstgerichtlichen Ergänzungsverfahren einen erheblichen Mehraufwand an Kosten oder eine Verfahrensverzögerung bewirken. Verweist das Berufungsgericht ohne Vorliegen der ausnahmsweisen Voraussetzungen dennoch an das Erstgericht zurück, so liegt ein erheblicher Mangel des Berufungsverfahrens vor (Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 1817). Da im vorliegenden Fall die Berufungsfrist nach dem 30. April 1983 zu laufen begann, ist die Bestimmung des § 496 Abs. 3 ZPO anzuwenden (Art. XVII § 2 Abs. 1 Z 7 der ZPO-Novelle 1983). Die vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Verfahrensergänzung betrifft die Parteienvernehmung der Klägerin zur Frage der Zession. Es liegt auf der Hand, daß dies die Annahme der ausnahmsweisen Voraussetzungen nach § 496 Abs. 3 ZPO nicht rechtfertigen kann, zumal die unterschiedliche Honorierung der Parteienvertreter im Berufungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren kein tragfähiger Grund für eine Zurückverweisung an das Erstgericht ist. Die unterschiedliche Honorierung der Parteienvertreter würde sonst in jedem Fall eine Rückverweisung zulassen und so die Bestimmung des § 496 Abs. 3 ZPO ihres Inhaltes entkleiden (4 Ob 33/84). Ein anderer Aufhebungsgrund als die ergänzende Parteienvernehmung der Klägerin ist aber dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Für den Fall der Verneinung einer Zession wäre der Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes jedenfalls ungenügend, weil ihm nicht zu entnehmen ist, in welcher Richtung eine Verfahrensergänzung vorzunehmen ist. Auf diese Frage ist aber vom Obersten Gerichtshof im derzeitigen Verfahrensstadium nicht weiter einzugehen.
Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.
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